Am liebsten schlängelte sie sich an TV-Kameras vorbei wie an Gegenspielerinnen. „Warum sollte dies ein erstrebenswertes Lebensziel sein?“, antwortet Birgit Prinz auf die Frage, warum sie während ihrer Karriere nicht so oft und gern im Mittelpunkt gestanden habe, wie es ihren Leistungen entsprochen hätte. Nein, die Stürmerin wollte nur Fußball spielen. Spaß war ihr Antrieb.

Sie war das Idol der ersten Generation junger Mädchen, die selbstbewusst ins Fußballtraining gingen. Nationalmannschafts-Kapitänin Giulia Gwinn nennt Prinz als ihr großes Idol. DFB-Heldin Alexandra Popp sagt: „Birgit Prinz ist für mich und viele andere ein großes Vorbild. Sie hat viele Jahre lang den Frauenfußball geprägt. Sie war und ist die größte Fußball-Nationalspielerin in unserer Geschichte.“

Keine deutsche Fußballerin hat mehr Länderspiele bestritten: 214. Keine hat mehr Tore erzielt: 128. 2003 und 2007 wurde sie Weltmeisterin, dazu kommen fünf EM-Titel, drei Bronze­medaillen bei vier Olympischen Spielen, bei denen sie immer traf – ein einmaliger Rekord. Dreimal gewann sie mit dem FFC Frankfurt den Europapokal, insgesamt neunmal die Meisterschaft und zehnmal den DFB-Pokal. In den Jahren 2003 bis 2005 wurde sie dreimal in Folge Weltfußballerin. Zur deutschen Fußballerin des Jahres wurde sie von 2001 bis 2008 durchgängig gekürt.

Als erste Spielerin überhaupt stand Prinz in drei WM-Endspielen auf dem Platz. Als „Golden Girl“ Nia Künzer die deutschen Fußballerinnen 2003 zum ersten WM-Titel köpfte, schnappte sich Prinz mit sieben Treffern die Torjäger-Kanone des Turniers und wurde als beste Spielerin ausgezeichnet. In der Bundesliga war sie zwischen 1997 und 2007 viermal die erfolgreichste Schützin.

„Sie war eine sehr körperliche und schlaue Spielerin, hatte immer den Riecher, im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu stehen. Aber sie war auch eine Arbeiterin, sich nie zu fein, nach hinten zu arbeiten oder nach Ballverlusten dagegenzugehen. Sie war, ob mit Fuß oder Kopf, eine sehr komplette Spielerin“, sagt Popp über Prinz. „Sie hat mit ihrer Art des Fußballs und ihrer Mentalität ihre Mannschaften mitgezogen und jüngeren Spielerinnen geholfen. Wir konnten sie immer ansprechen. Birgit war hilfsbereit, sodass wir uns weiterentwickeln konnten.“

In jeder Pause lernte Prinz für ihr Studium

Auch wenn es manchmal schroff wirkte. Popp erinnert sich an ihre ersten Tage in der Nationalmannschaft 2010: „Bei meinem ersten Algarve-Cup mit der Frauen-Nationalmannschaft war ich mit Birgit auf einem Zimmer. Sie war mitten in ihrem Studium und hat in jeder Pause dafür gelernt. Ich hätte­ auch etwas für die Schule machen müssen. Aber ich habe mich lieber ins Bett gelegt und den Fernseher angeschaltet. Einige Zeit später sagte sie mir, es sei schon eine Sucht bei mir, immer fernsehen zu wollen. Danach hatte ich mich nicht mehr getraut, den Fernseher anzumachen.“

Prinz ackerte indes nicht nur für ihre Ausbildung eisern, sondern auch für ihre vielen Tore und Titel. „Ich wollte immer gewinnen und habe auf dem Spielfeld alles dafür gegeben, dieses Ziel zu erreichen. Als Stürmerin gehörten Tore selbstverständlich dazu. Gleichzeitig hat mir das Training oft viel Freude bereitet, sodass ich meist mehr Zeit und Energie investiert habe als viele meiner Mitspielerinnen“, sagt Prinz zu „Sport Bild“.

Abonnieren Sie WELTMeister bei Spotify, Apple Podcasts oder direkt per RSS-Feed.

Sie hatte mit dem FSV Frankfurt schon eine Meisterschaft gewonnen und war bereits Europameisterin. Doch Prinz’ Karriere nahm richtig Fahrt auf, als der damalige Manager des FFC Frankfurt, Siggi Dietrich, sie 1998 zum aufstrebenden Lokalrivalen lockte. „Die Perspektiven, die ich aufzeigen konnte, und auch die sportliche Orientierung, die über Cheftrainerin Monika Staab gewährleistet war, und das alles unter Beibehaltung des persönlichen Umfeldes, waren in Verbindung mit einem guten Gehalt und einer wirtschaftlichen Absicherung mit begleitenden Maßnahmen das Paket für den Weg in eine erfolgreiche Zukunft“, sagt Dietrich, der den Frauenfußball in jener Zeit durch eine neue Vermarktung und professionelle Strukturen auf ein neues Level hob.

So wurde er auch zum persönlichen Manager von Prinz. „Ihr Torinstinkt, ihre Physis gepaart mit Technik, ihr Durchsetzungsvermögen sind unübertroffen. Sie hatte eine unaufgeregte Strahlkraft, die immer im Zusammenhang mit ihren Leistungen auf dem Platz stand. Sie war kein Typ für Show-Elemente, sondern eher nüchtern und sachlich. In passenden Situationen kann sie aber auch sehr lustig sein“, sagt Dietrich.

„Ihre sportlichen Qualitäten und Ausrufezeichen als Spielerin auf dem Platz, und die damit verbundenen Rekorde, haben aus Birgit weltweit eine Marke als absolute Weltklassespielerin gemacht.“ Der Manager vermittelte einige hochkarätige Werbe-Partnerschaften. Aber zu viele durften es nie sein. „Birgit war es immer wichtig, ihren inneren Seelenfrieden zu haben, um sich vor allem auf den Sport zu konzentrieren und diese Situation nicht täglich wieder ausbalancieren zu müssen“, sagt Dietrich.

Fernsehshows? „Ich habe gemerkt: Oh Gott, das geht gar nicht“

Dabei hätte Prinz noch mehr von ihrer Bekanntheit profitieren können. „Nach der vergangenen WM hätte ich sicher an vielen Fernsehshows teilnehmen und viel Geld verdienen können“, sagte sie 2003. „Aber ich habe gemerkt: Oh Gott, das geht gar nicht. Ich habe nach und nach herausgefunden, was wichtig ist. Und bekannt zu sein, Macht zu haben oder Geld zu haben, gehören für mich nicht dazu – auch wenn das die Werte sind, nach denen wir in der Gesellschaft streben. Aber es macht mich nicht glücklich.“

Schon gar nicht, wenn sie Anfragen für Nackt- oder leicht bekleidete Shootings hätte annehmen müssen. „Wir wollen unseren Sport vermarkten, nicht unseren Hintern. Ob ich, sagen wir mal, Nacktfotos mache? Dadurch vermarkte ich mich selber. Aber nicht meinen Sport“, sagte sie einmal im „Stern“. Ihr Privatleben blieb immer tabu. Interviews waren selten.

Auf dem Höhepunkt des Hypes um sie kam ein Angebot aus Italien. Die AC Perugia wollte die Angreiferin verpflichten – für die Männer-Mannschaft. Prinz überlegte sogar kurz, war sich aber nicht sicher, ob das Ganze nur ein PR-Gag sei und sie am Ende gar nicht mehr spielen würde. Sie sagte ab, meinte aber, sie hätte es gemacht, wenn sie am Ende ihrer Karriere gewesen wäre.

Es wäre vielleicht ein schönerer Abschluss gewesen als der, den sie erleben musste. Der deutsche Frauenfußball erfuhr im Vorfeld der Heim-WM 2011 seinen ersten richtig großen Boom. An Prinz gab es sportliche Kritik. Sie war nicht mehr so schnell und treffsicher wie in den Jahren zuvor. Aber noch immer das Gesicht der DFB-Elf. So populär, dass ein US-Konzern eine Barbie-Puppe von ihr auf den Markt brachte.

Bundestrainerin Silvia Neid nahm Prinz mit zum Turnier, zweifelte aber intern an ihr – und demontierte sie während der WM. In der Vorrunde wechselte Neid ihre Stürmerin gegen Kanada und Nigeria jeweils kurz nach der Pause aus, setzte sie danach auf die Bank. Deutschland schied schon im Viertelfinale aus – und Prinz verkündete ihr Karriere-Ende. „Ich bin frustriert und enttäuscht. Ich habe mich fit gefühlt, ich hätte gern gespielt, aber die Trainerin hat anders entschieden“, sagte Prinz damals.

Und heute: „Fußball war eine der größten Leidenschaften in meinem Leben und wird auch im Rückblick immer einen schönen Teil bilden, mit allen Höhen und Tiefen, wie es im Sport nun mal so ist. Ich durfte mit der Nationalmannschaft und meinen Vereinen viele Erfolge feiern. Auch wenn der Abschluss mit der WM 2011 sicher nicht perfekt war, habe ich schon lange meinen Frieden damit geschlossen.“

Prinz betreibt heute „Praxis für Körperpsychotherapie“

Ausgeglichenheit möchte Prinz den Menschen in ihrer Profession nach dem Fußball geben. Nach einem Abschiedsspiel 2012 vor mehr als 6000 Zuschauern in Frankfurt und einem kurzen Comeback 2013, als sie mit Hoffenheim in die Bundesliga aufstieg, betreibt die ausgebildete Physiotherapeutin und studierte Psychologin nun in der Nähe von Darmstadt eine „Praxis für Körperpsychotherapie“ und arbeitet für die TSG als Mentalcoach.

„Derzeit bin ich sowohl sportpsychologisch als auch als Heilpraktikerin für Psychotherapie mit Schwerpunkt Körperpsychotherapie tätig. Besonders schätze ich, dass ich Menschen ganzheitlich unterstützen und das Zusammenspiel von Körper und Psyche in meiner Arbeit zentral berücksichtigen kann“, sagt Prinz, die einige Jahre auch als Team-Psychologin bei der Frauen-Nationalmannschaft tätig war.

„Birgit hat viel beobachtet und war sehr ruhig. Aber wenn es mal Themen gab, ist sie auf uns Spielerinnen oder die Trainer zugegangen, wie wir die Lage einschätzen. Sie konnte immer die Sachverhalte gut herausarbeiten“, sagt Popp – und erinnert sich: „Vor der EM 2022 haben wir mit ihr zusammengesessen und erläutert, wie wir es auf dem Platz schaffen, uns aus Situationen herauszuarbeiten, in denen es mal nicht läuft. Durch ihre eigene Erfahrung als Spielerin konnte sie sehr gute Tipps geben, wie man mit Situationen umgeht.“

Und Prinz konnte auch Popp ganz direkt helfen. „Ich hatte mit ihr über meine neue Rolle als Kapitänin gesprochen, wollte zum Beispiel wissen, wie ich damit umgehen soll, wenn Spielerinnen mal nicht auf mich hören oder ich nicht an sie herankomme. Sie hat mir sehr geholfen, den Umgang mit der Mannschaft zu finden.“

Und so bleibt Birgit Prinz ein großes – aber stilles – Idol des Fußballs.

Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke