An diese Rückkehr hat niemand mehr geglaubt. 2019 war die Karriere von Ski-Superstar Lindsey Vonn schlagartig zu Ende. Das rechte Knie war komplett kaputt. Die Amerikanerin musste sich damit beschäftigen, wie sie das Gelenk überhaupt wieder alltagstauglich bekommen würde. So entschied sie sich für eine Teilprothese aus Titan und Kunststoff. Das Ergebnis fiel so gut aus, dass die 41-Jährige schon bald darauf Pläne schmiedete: ein letzter Angriff auf Olympia bei den Winterspielen 2026 (6. bis 22. Februar) in Mailand und Cortina d’Ampezzo. Im vergangenen Winter fuhr sie bereits 16 Rennen. Der Höhepunkt war ein zweiter Platz beim Weltcup-Finale in Sun Valley (USA).
Frage: Frau Vonn, Sie sind Olympiasiegerin und gewannen 86 Weltcup-Rennen. Was treibt Sie an, es mit 41 noch einmal zu versuchen?
Lindsey Vonn: Ohne das neue Kniegelenk hätte ich es auf jeden Fall gar nicht erst gemacht. Der entscheidende Faktor für das Comeback ist allerdings, dass die Olympia-Rennen in Cortina stattfinden. Cortina ist ein sehr besonderer Ort für mich, den ich mit so vielen unglaublichen Erinnerungen verbinde. Ich habe mir einfach gedacht, dass es eine schöne Gelegenheit für mich ist, meine Karriere auf eine andere, hoffentlich positivere Art und Weise als beim ersten Mal 2019 zu beenden.
Frage: Damals zwang Sie Ihr Knie zum Aufhören.
Vonn: Obwohl ich zwar ein großartiges Resultat hatte (WM-Bronze in der Abfahrt, die Redaktion), humpelte ich doch über die Ziellinie. Ich möchte einfach gesund an den Start gehen und es noch ein letztes Mal versuchen und alles geben können.
Frage: Wie hat Ihr Körper auf die Belastung nach der Comeback-Saison und einem intensiven Sommertraining reagiert?
Vonn: Mein Körper macht großartig mit. Es ist auch für mich ziemlich unglaublich. Ich absolviere dieselben Trainingsumfänge wie 20 Jahre alte Skifahrerinnen. Der Sommer im Kraftraum lief herausragend. Ich habe hart gearbeitet und legte rund sechs Kilogramm Muskelmasse zu. Ich fühle mich stark und bereit für die Saison. Darüber freue ich mich extrem, weil ich mich nicht mehr so gut gefühlt habe, seit ich mir 2013 erstmals das Kreuzband gerissen hatte.
Frage: Mit Titan im Körper und nach neun Knieoperationen: Fühlen Sie sich etwas wie der Terminator aus dem Arnold-Schwarzenegger-Film, also halb Mensch, halb Maschine?
Vonn: (lacht) Ich fühle mich schon wie der Terminator, in manchen Bereichen. Ich wurde bereits mehrmals wieder neu zusammengebaut. Jedes Mal hat mich nicht unbedingt körperlich stärker gemacht, aber es hat mich als Mensch stärker gemacht. Ich habe dabei gelernt, wie ich Rückschläge überwinde und wie ich mental mit all diesen Verletzungen klarkomme. Die mentale Härte zu besitzen ist wichtig für das Leben – und auch in Skirennen.
Frage: Wie schätzen Sie Ihre Medaillenchancen bei Olympia ein?
Vonn: Schwierig zu sagen, aber ich denke, dass ich eine Chance habe. Der vergangene Winter war eine Achterbahnfahrt, es ging auf und ab. Aber insgesamt habe ich bewiesen, dass ich noch vorn mithalten kann. Ich habe es noch aufs Podium geschafft. Dazu muss ich verraten: Das klappte fast ohne Training! Und fast ohne Saisonvorbereitung. Jetzt hatte ich viel Zeit, um gezielt zu trainieren. Ich bin in komplett anderer Verfassung. Daher stehen meine Chancen jetzt deutlich besser, als wenn die Olympischen Spiele bereits im Februar 2025 gewesen wären.
Frage: Als Sie Ihr Comeback angekündigt hatten, gab es viele Kritiker, die bezweifelten, dass Sie es noch draufhaben und höhnten, dass Sie nichts anderes im Leben zu tun hätten und nur deshalb zurückkommen würden.
Vonn: Ich denke, dass mein zweiter Platz in Sun Valley für sich spricht. Das war eine ziemlich gute Antwort für die Zweifler. Und denen sei gesagt: Das war erst der Anfang! Ich habe jetzt noch eine ganze Saison vor mir.
Frage: Was ist der größte Unterschied zwischen der Lindsey Vonn, die 2010 in Whistler erstmals Olympiasiegerin geworden ist, und der heutigen?
Vonn: Damals ging ich in die Spiele mit einem ungeheuren Druck auf meinen Schultern, war noch keine Olympiasiegerin. Ich erinnere mich noch, wie ich in den Raum zur Pressekonferenz kam und es mir den Atem raubte. Man muss sich erinnern: Olympia fand in Nordamerika statt, ich war auf dem Cover von „Sports Illustrated“. Es hätte kein höherer Druck auf mich wirken können. Außerdem war ich im Vorfeld verletzt gewesen und hatte zwei Wochen nicht Skifahren können. Trotzdem fand ich einen Weg zum Sieg in der Abfahrt. Jetzt ist die Situation komplett anders. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen! Ich habe bereits alles gewonnen, was ich gewinnen wollte.
Frage: Welchen Wunsch wollen Sie sich nach der Karriere erfüllen?
Vonn: Ich will endlich auf die Malediven reisen. Ursprünglich war das für meinen 40. Geburtstag (18. Oktober 2024, die Redaktion) geplant. Doch dann war ich stattdessen in Sölden und habe trainiert. Das ist das Einzige, was zum jetzigen Zeitpunkt sicher für meine Zukunft eingeplant ist.
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke