Niko Kovac ist nicht nachtragend. „Es war das erste Mal, dass Serhou so reagiert hat. Wir haben das wie erwachsene Menschen besprochen“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund. Im Übrigen hätte sich der Mittelstürmer entschuldigt – sowohl bei Kovac selbst als auch bei der Mannschaft.

Damit, so hofft Kovac zumindest, sei ein Thema vom Tisch, das am vergangenen Wochenende für Aufregung gesorgt hatte – und das deutlich macht, welchen Frust Guirassy, der in vergangenen Saison und auch Anfang des aktuellen Spieljahres noch als „Lebensversicherung“ des BVB galt, derzeit mit sich herumschleppt. Der Guineer hatte einiges schlucken müssen, was an seinem Ego nagt: Die Tatsache, dass er nicht mehr Elfmeterschütze Nummer eins ist und dass er es bei der Wahl zu Afrikas Fußballer des Jahres nicht unter die drei Finalisten geschafft hat. Das nagt an ihm – und sorgt mitunter dafür, dass er seine eigenen Befindlichkeiten über die Interessen der Mannschaft stellt.

Zu beobachten war das am Samstag. Als Kovac ihn beim 2:1 (1:0)-Sieg im Bundesliga-Spitzenspiel in Leverkusen nach 61 Minuten vom Platz holte – Guirassy hatte keine gute Leistung gezeigt – verweigerte der 29-Jährige dem Trainer den Handschlag. Er ignorierte den zum Handshake ausgestreckten Arm einfach – und das tat er kurz darauf auch in Bezug auf seine auf der Bank sitzenden Kollegen. Beides kam nicht gut an.

Passable Quote

„Es gibt auch aus der Mannschaft heraus die Einsicht, dass so etwas nicht förderlich ist. Wir sollten respektvoll miteinander umgehen“, erklärte Kovac. Da klang auch ein wenig nach einer Warnung an Guirassy, sich künftig zusammenzureißen, um solch interpretierfähige Bilder erst gar nicht enstehen zu lassen. Denn die torpedieren den homogenen Eindruck, den die Dortmunder seit dem Dienstantritt von Kovac im vergangenen Februar doch ansonsten machen.

Es dürfte aber vor allem auch im eigenen Interesse des Angreifers liegen, solche Respektlosigkeiten zu vermeiden. Denn Guirassy macht es Kovac so nicht gerade leichter, ihn auch weiterhin spielen zu lassen. Die Leistungen des Guineers sind seit Wochen recht überschaubar. Daran änderten auch die beiden Treffer nichts, die er am vergangenen Dienstag beim 4:0-Sieg in der Champions League gegen Villarreal erzielt hatte. Es hat ohnehin nicht nur mit Toren zu tun, dass Guirassy derzeit in der Kritik steht – obwohl Treffer für einen Stürmer normalerweise der Gradmesser schlechthin sind. Fünfmal hat Guirassy in der laufenden Bundesligasaison getroffen. Das ist keine überragende, aber eine akzeptable Ausbeute. Allerdings hat er aus den letzten acht Ligaspielen nur ein Tor vorzuweisen – vor vier Wochen beim 1:0 in Augsburg.

Entscheidender ist aber, dass die Phasen, in denen das Spiel an ihm vorbeiläuft, länger zu werden scheinen. Guirassy nimmt nicht mehr wirklich am Kombinationsspiel teil. Im Gegensatz zur vergangenen Saison lässt er sich nach Ballverlusten seltener zurückfallen, um den Kollegen im Aufbau zu helfen. Und wenn doch, dann verliert er Bälle oder spielt unsaubere Pässe.

Die Frage ist: Wie lange kann es sich Kovac noch erlauben, an Guirassy in dieser Form als Stammbesetzung festzuhalten? Mit Fabio Silva hat er eine formstarke Alternative. Auch das war in Leverkusen zu sehen: Der Portugiese, der zu Saisonbeginn von den Wolverhampton Wanderers verpflichtet wurde, kam für Guirassy ins Spiel – und bereitete vier Minuten darauf mit einer präzisen Flanke auf Karim Adeyemi das 2:0 vor. Die überwiegende Mehrheit der Fans hofft deshalb, dass Kovac ihn am Dienstag, wenn es im DFB-Pokal wieder gegen Leverkusen geht, von Beginn an stürmen lässt und Guirassy auf die Bank setzt.

Doch der Coach macht ihnen nur bedingt Hoffnung. Silva hätte sich die Einsatzminuten zwar verdient. „Er kann Stürmer spielen, aber ich habe Fabio auch auf der linken Seite gesehen“, erklärte er. Guirassy nahm er in Schutz. „Er ist abhängig von seinen Mitspielern, die ihn füttern und ihn wieder in die Situation bringen, in denen er gefährlich ist“, so Kovac. Er werde auch weiterhin an ihm festhalten. „Jede Mannschaft braucht einen Top-Stürmer – und der BVB hat mit Serhou sicherlich einen.“

Es ist also wahrscheinlich, dass Guirassy auch am Dienstag wieder eine Bewährungschance bekommen wird – dann möglicherweise mit Fabio Silva an seiner Seite. Das jedoch würde bedeuten, dass er eine andere Offensivkraft geopfert werden müsste, entweder Adeyemi oder Julian Brandt. Beide haben zuletzt bessere Leistungen gezeigt als Guirassy.

„Ich bleibe dabei, ich werde ihn stützen“, sagte Kovac am Montag in Bezug auf seinen derzeit formschwachen Torjäger. Diese Nibelungentreue wird in Dortmund zunehmend kritisch gesehen. Guirassy sollte seinem Trainer also schnellstmöglich Argumente liefern, um das Vertrauen zu rechtfertigen.

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