Oft nebeneinander her, auch miteinander, manchmal gegeneinander. Wenn es um die Probleme im Fußball geht, prallen die verschiedenen Interessen aufeinander. Die Sorge vor allem um den Nachwuchs hat in Leipzig erstmals die neue „Expertengruppe zur sportlichen Zukunft des deutschen Fußballs“ zusammengebracht – mit Jürgen Klopp als prominentesten Protagonisten.
„Ich glaube nicht, dass in Spanien, Holland oder Frankreich talentiertere Babys auf die Welt kommen, die gleich 20-mal den Ball hochhalten. Das kann also nicht der Grund dafür sein, dass dort mehr Talente oben ankommen“, sagte Klopp, einstiger Star-Trainer von Borussia Dortmund und des FC Liverpool, kürzlich im „Kicker“-Interview: „Wo passiert bei uns im Alter zwischen sechs und 18 Jahren der Fehler? Warum gibt es bei 18-jährigen Franzosen 100 Talente und bei uns nur 50? Ich habe die Antwort nicht.“
Antworten und langfristige Lösungen soll nun die Expertengruppe mit Klopp geben, die auf Initiative der Deutschen Fußball Liga entstanden ist. Die DFL stellt Vertreter unter anderem aus ihrer Kommission Fußball (Andreas Bornemann vom FC St. Pauli, Joti Chatzialexiou vom 1. FC Nürnberg und Markus Krösche von Eintracht Frankfurt) und der Kommission Nachwuchs-Leistungszentren.
Auch Sami Khediras Expertise gefragt
Neben DFL-Geschäftsführer Marc Lenz und Andreas Rettig als Geschäftsführer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) werden weitere Experten eingebunden – und Sami Khedira. Der Weltmeister von 2014 soll die Perspektive eines langjährigen internationalen Spitzenspielers einbringen.
Nicht, dass es bei den beiden Dachorganisationen nicht schon zahlreiche Fachgruppen gibt – der DFB nennt 27 Fachausschüsse und Kommissionen, die DFL hat acht Kommissionen. „Wir sind davon überzeugt, dass finanzielle, rechtliche und sportliche Rahmenbedingungen sitzen müssen, um die Bundesligen und den deutschen Fußball stetig wettbewerbsfähig zu halten“, mahnte DFL-Funktionär Lenz.
Inhaltlich soll sich die Expertengruppe unter anderem mit der Ausbildung und Integration von Talenten sowie der Weiterentwicklung von Klubstandards und -strukturen auseinandersetzen. Erste Ergebnisse sollen im kommenden Frühjahr in den Liga-Gremien und anschließend mit den 36 Profivereinen der 1. und 2. Liga besprochen werden.
„Die bestehenden Gremien leisten wertvolle Arbeit, aber gerade in Zeiten tiefgreifender Veränderungen braucht es zusätzliche Impulse und eine breitere Perspektive“, erklärte Rettig. Die Gruppe berücksichtige vor allem die Perspektive der Profiklubs. „Das ist wichtig, um am Ende Lösungsvorschläge zu entwickeln, die trotz der unterschiedlichen Interessenlage mehrheitsfähig sind“, sagte der 62-Jährige.
DFB-Nachwuchsdirektor Wolf sieht Systemfehler
Das große Thema ist die Durchlässigkeit von Jugendspielern aus den Leistungszentren in den Profibereich. „Wir haben tolle Talente, aber sind nicht gut genug in der Entwicklung“. Das hat nicht nur Hannes Wolf, Nachwuchsdirektor beim DFB, festgestellt. „Wenn am Ende viel weniger Spieler im Spitzenbereich durchkommen als anderswo, liegt das wahrscheinlich nicht an den Spielern, sondern am System.“
Dass Toptalente in den Vereinen zu wenig Spielpraxis bekommen, darüber klagen seit Jahren auch Bundestrainer quer durch alle Bereiche.
Nach DFL-Erkenntnissen ist der Anteil der eingesetzten U21-Spieler – gemessen an der Gesamtspielzeit – in der Bundesliga in den vergangenen fünf Jahren rückläufig. Waren es 2020/21 noch 12,4 Prozent, was Rang zwei im europäischen Top-Ligen-Vergleich bedeutete, so reichten die 9,5 Prozent 2024/25 nur noch zu Platz vier.
„Es geht um gemeinsame Interessen des gesamten Fußballs – von der Breite bis zur Spitze – und darum, ein gemeinsames Verständnis für abgestimmte Maßnahmen zu entwickeln, die dem deutschen Fußball insgesamt zugutekommen“, sagte Rettig. Der DFB stehe im Übrigen nicht im Wettbewerb mit der Liga – „unsere Wettbewerber sind die europäischen Top-Nationen“.
U21-Liga ein Thema bei Jürgen Klopp
Daran ändert auch nicht die Tatsache, dass das Nationalteam von Julian Nagelsmann mit dem furiosen 6:0 gegen die Slowakei die WM-Qualifikation geschafft hat. Die beiden Vorrunden-Blamagen 2018 in Russland und 2022 in Katar sind dem deutschen Fußball längst Warnung genug.
Klopp sieht die Ausbildungszeit der jungen Fußballer als zu kurz an, wenn über deren Zukunft mit 17, 18 oder spätestens 19 entschieden wird. „Mit einer U21-Liga geben wir Ihnen diese Zeit. Und – wahnsinnig wichtig – wir entwickeln auch noch einen neuen Trainermarkt“, sagte der 58 Jahre alte Head of Global Soccer bei Red Bull. Bei Lenz und Rettig sei die Offenheit absolut da – „aber irgendwann müssen auch die Vereine mitmachen – und zwar alle.“
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