Der FC Bayern spielt dank Luis Díaz PSG an die Wand. Doch dann tritt der Kolumbianer so böse zu, dass die Tränen fließen. 45 Minuten "Brillanz" mutieren in Sekunden zur Tragödie. Über eine Halbzeit, die nie jemand vergessen wird.
Solch eine Halbzeit hat es noch nie gegeben. Zumindest nicht auf diesem absoluten Top-Level. Der FC Bayern spielt den Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain an die Wand. Und ein Münchner wächst dabei über sich hinaus. Luis Díaz netzt gleich zweimal innerhalb von 28 Minuten ein und steigt zum umjubelten Helden auf. Doch kurz darauf folgt der ganz tiefe Fall, wie ihn Pierre Corneille, Vater der französischen klassischen Tragödie und in Paris 1684 gestorben, nicht besser hätte aufschreiben können.
Brutalo-Foul. Glatt Rot. Díaz' 45 Minuten des Wahnsinns enden mit einem dummen und gefährlichen Aussetzer, der seinen Gegenspieler Achraf Hakimi so doll verletzt, dass dieser in Tränen ausbricht - und seine eigene Mannschaft in der zweiten Hälfte beim knappen 2:1 (2:0)-Sieg in schwere Not bringt.
"Das Wichtigste ist, dass wir sehr hoffen, dass es Hakimi schnell wieder besser geht", bringt es Bayern-Trainer Vincent Kompany nach der Partie auf den Punkt. Und Kapitän Manuel Neuer berichtet über Díaz: "In der Halbzeit war es so, dass er enttäuscht ist. Er hat uns einfach die Daumen gedrückt, dass wir das über die Zeit bringen."
Díaz per Nachschuss und mit Hacke
Doch von Anfang an. Der Prinzenpark in Paris hat gerade erst so richtig Fahrt aufgenommen, da schlägt Díaz erstmals zu. Diesmal noch auf positive Weise. Nach einem Fehlpass im PSG-Aufbau schnappt sich Joshua Kimmich den Ball und passt auf Serge Gnabry, der gedankenschnell aus dem Fußgelenk genau in den Lauf von Michael Olise weiterleitet. Der Versuch des Franzosen wird abgeblockt, aber Diáz ist da und vollendet mit rechts in die linke Ecke.
Das ist toll gespielt und der Kolumbianer hört anschließend nicht auf mit seiner herausragenden Leistung. Beim FC Liverpool als zu wenig konstant aussortiert, erlebt er bei den Bayern derzeit seinen zweiten Frühling und hat sich längst als Star-Transfer entpuppt. Nun auch auf der größten aller Bühnen.
Díaz macht mächtig Wirbel auf der linken Seite, geht ins Eins gegen Eins, spielt öfter Touch-and-go-Doppelpässe mit seinen Kollegen, um dann zum Abschluss zu kommen. Hier ein schöner unterschnittener Flankenball, dort ein Hackentrick, der einen Verteidiger ins Leere laufen lässt. Der Junge hat Spaß.
Mega-Patzer provoziert, defensiv geackert
In der 32. Minute provoziert er zudem den Mega-Patzer, der vielleicht die Partie entscheidet. Der Pariser Kapitän Marquinhos schiebt die Kugel am eigenen Strafraum viel zu lässig vor sich her und schaut sich nicht richtig um. Díaz spurtet so vehement wie aggressiv dazwischen und Marquinhos lässt sich den Ball völlig stümperhaft abknüpfen. Der ehemalige Liverpool-Angreifer taucht zentral vor dem Pariser Tor auf und schießt eiskalt zum Doppelpack ein. Zu diesem Zeitpunkt ist Díaz der große Bayern-Held und sein Wahnsinn der ersten Hälfte ist ausschließlich positiver Natur. Zum ersten Mal kehrt Stille im Stadion ein - abgesehen vom Münchner Block.
Díaz kann auch Defensive. Nach einer dicken Möglichkeit für die Bayern, bei der sich diesmal Josip Stanisic den Ball in der Nähe des PSG-Strafraums klaut, hat Paris eine aussichtsreiche Konterchance. Diese erstickt am bayerischen Sechzehner gemeinsam mit Jonathan Tah natürlich wer? Luis Díaz, der über das gesamte Feld zurückspurtet.
In der 45. Minute spielt der FC Bayern den Champions-League-Sieger sogar schwindelig. Kimmich kombiniert sich mit Gnabry durch das Mittelfeld und erhält den Ball per Hacke postwendend zurück. Der Rechtsschuss des DFB-Kapitäns rauscht nur knapp am linken Pfosten vorbei. Es geht jetzt im teilweise atemberaubenden Tempo auf und ab, Díaz ist fast immer beteiligt.
Díaz' folgenschweres Foulspiel
"Wirklich sehr zufriedenstellend", nennt Kompany diese ersten 45 Minuten später. Tah findet sie sogar "brillant". Und Neuer sagt, man habe dort klar gesehen, "wer die bessere Mannschaft war".
Doch dann, in der Nachspielzeit der ersten Hälfte, unterläuft dem Mann auf der linken offensiven Seite dieser eine, folgenschwere Ballverlust. Hakimi schnappt ihm das Spielgerät weg und macht sich an der Mittellinie auf und davon. Díaz will davon nichts wissen und holzt den Algerier von hinten rigoros um. Ohne Chance auf den Ball. Jeder im Stadion ahnt direkt die Brutalität des Fouls, weil er den Knöchel Hakimis voll erwischt und dieser erst lange unter Schmerzen auf dem Rasen liegend behandelt und dann unter Tränen vom Platz getragen wird. Díaz eilt herbei und entschuldigt sich bei seinem Gegenspieler.
Die Tragik nimmt ihren Lauf. Die PSG-Profis fordern sofort einen Platzverweis, aber Schiedsrichter Maurizio Mariani zeigt zunächst nur Gelb. In der langen Behandlungspause meldet sich jedoch der VAR und der italienische Unparteiische schaut sich die Szene auf dem Bildschirm an. Die Karte ändert ihre Farbe und ein bedröppelter Díaz muss noch vor dem Pausentee mit Rot in die Kabine. Auch wenn die Münchner fuchsteufelswild reagieren, der Platzverweis ist absolut berechtigt.
Der tragische Held Luis Díaz
Die "L'Équipe" schreibt anschließend von "45 höllischen Minuten". Damit meint das Fachmagazin die Lehrstunde, die PSG von den Bayern unter anderem durch Díaz erteilt bekommen hat. Doch die Beschreibung passt auch zum Kolumbianer bestens: Zunächst spielt er höllisch gut, dann höllisch brutal.
Was sind das für 45 Minuten des Wahnsinns: zwei Tore, geackert wie ein Weltmeister, Rote Karte. Díaz ist nach Antoine Griezmann (mit Atlético Madrid gegen Liverpool im Oktober 2021) erst der zweite Spieler, der in einem Champions-League-Spiel zwei Tore erzielte und eine Rote Karte erhielt. Der Franzose wurde damals allerdings in der zweiten Hälfte vom Platz gestellt, nachdem er in der ersten doppelt getroffen hatte, und verlor am Ende mit Madrid.
Pierre Corneilles Meisterwerk "Le Cid", eines der größten Ereignisse der französischen Theatergeschichte, spielt auch in Spanien. Es ist eine Tragikomödie, in der es um Heldentaten und Vergebung geht. Vielleicht greift Luis Díaz auf dem Rückflug nach München zur Lektüre.
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