Die großen sportlichen Fragen beantwortet der FC Bayern aktuell ganz eindeutig – mit Kantersieg auf Kantersieg. Und so sind es mitunter die kleinen, aber wichtigen Dinge, die beim deutschen Fußball-Rekordmeister diskutiert werden. Dürfen Regenschirme mit rein? Darauf mussten Sonntagvormittag an den Eingängen des BMW-Parks in München Antworten gefunden werden. Vor der Jahreshauptversammlung regnete es, und aus Sicherheitsgründen sollten Schirme nicht mit rein. Also zurück zum Auto – oder den Regenschutz vor der Tür abstellen.
Die Mitgliederversammlung ist immer ein Seismograf, was die Stimmung in einem Verein angeht. Sonntag wurde deutlich: Mit sehr vielem sind sie beim FC Bayern derzeit sehr zufrieden. Und für Unmut oder offene Fragen sorgt nur sehr wenig. Der berüchtigte FC Hollywood ist ganz weit entfernt. Das strahlten nahezu alle aus, die da waren – 1990 Mitglieder versammelten sich. Die Fußball-Mannschaft der Frauen kam in die Halle, die der Männer nicht. Der Grund: Das Team um Vincent Kompany reist Montagnachmittag zum wichtigen Spiel in der Champions League bei Titelverteidiger Paris St. Germain am Dienstag (21 Uhr, im Sport-Ticker der WELT). An diesem Sonntag stand die Video-Analyse der Franzosen an der Säbener Straße auf dem Plan.
Ebenfalls zu Gast bei der Jahreshauptversammlung waren unter anderem Vize-Bundeskanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), der FCB-Fan und Mitglied im Verwaltungsbeirat des Klubs ist, Dorothee Bär, stellvertretende Vorsitzende der CSU und Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), die 93-jährige Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, sowie Heidi Beckenbauer, Witwe von Fußball-Legende Franz Beckenbauer. Im Jubiläumsjahr, 125 Jahre nach der Gründung des Klubs, gab es aus Sicht der Bayern-Fans einige gute Nachrichten auf der Veranstaltung.
Trainer Vincent Kompany grüßte per Videobotschaft: „Wir werden alles tun, um euch eine erfolgreiche Saison zu bieten. Es ist noch ein langer Weg.“ Die Mitglieder applaudierten.
Die erste Rede hielt der Klubpräsident. Es ging auch um Grundsätzliches. „Der FC Bayern orientiert sich nicht an der Konkurrenz“, sagte Herbert Hainer, „wir sind unser Maßstab.“ Er betonte, dass sich der FC Bayern von einer Wirtshausidee zu einem Weltklub entwickelt habe. Und nannte seinen Klub ein „Identitätskraftwerk.“ Der Verein wächst, zählt inzwischen 432.500 Mitglieder, wie Hainer stolz verkündete. Er ist damit der mitgliederstärkste Sportverein der Welt.
Hainer nannte Kompany in seiner Rede einen „Identitätsmagneten“ und lobte Sportvorstand Max Eberl und Sportchef Christoph Freund, die daraufhin Applaus aus der Halle bekamen. „Vielleicht hatte ja schon der ein oder andere Premier-League-Klub ein Auge auf Vincent geworfen“, sagte der Präsident mit Blick auf die vor kurzem vollzogenen Vertragsverlängerung mit Kompany bis 2029.
Die Vertragsverlängerungen der Stars Jamal Musiala, Alphonso Davies und Joshua Kimmich seien ebenfalls extrem wichtig für den Klub. „Hier beim FC Bayern wächst etwas Großes.“ Hainer sagte zudem: „Lieber Dayot Upamecano, gern zur Nachahmung empfohlen.“ Der Klub will den bis Sommer 2026 gültigen Vertrag des französischen Innenverteidigers verlängern, noch gibt es keine Einigung.
Sportlich gibt es derzeit überhaupt nichts zu meckern. Samstagabend hatten die Bayern souverän 3:0 (3:0) gegen Bayer Leverkusen gewonnen. Es war kein Spitzenspiel der Bundesliga – es war beinahe ein Klassenunterschied. „Die Top acht in Europa ist nicht unsere Kragenweite“, sagte Leverkusens Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes nach dem Abpfiff. „Wir bauen eine neue Mannschaft auf. Es ist nicht die Mannschaft der letzten zwei Jahre, die da auf ihrem Höhepunkt angekommen war.“
Trainer Vincent Kompany setzt erfolgreich auf Rotation
Und das, obwohl die Bayern mit einer „B-Elf“ angetreten waren, sofern dieses Wort bei diesem (teuren) Kader überhaupt treffend ist. Kompany rotierte. Als er in der zweiten Halbzeit Harry Kane, Luis Diaz und Michael Olise in die Partie brachte, war es die teuerste Einwechslung der Bundesliga. Auf einen Schlag kamen rund 275 Millionen Euro Marktwert auf das Spielfeld.
Der 15. Sieg im 15. Spiel, 33 Tore – einsam ziehen die Bayern in der Bundesliga ihre Kreise. Der Vorsprung auf den Tabellendritten Borussia Dortmund beträgt bereits sieben Punkte. Kompany sagte zu der zu diesem Zeitpunkt für viele überraschend große Rotation: „Es war mir schon vor sechs Wochen klar, als ich den Kalender bekommen habe, dass dieses Spiel gefährlich sein kann. Es ist total normal, wenn die Frage so oft kommt: Können die jedes Spiel machen? Nein, können sie natürlich nicht.“
Stürmer Nicolas Jackson, für rund 16,5 Millionen Euro vom FC Chelsea geliehen, erzielte gegen Bayer sein erstes Tor in der Bundesliga und bereitete einen weiteren Treffer vor. „Wir sind froh, dass er da ist. Und er wird noch wichtig werden in dieser Saison“, sagte Kompany. Und Sportvorstand Eberl lobte: „Wenn wir nicht von ihm überzeugt gewesen wären, hätten wir ihn nicht geliehen. Er hat das gebracht, was wir uns vorstellen. Harry Kane ein Stück weit zu entlasten, trotzdem torgefährlich zu sein, trotzdem in unserem Spiel mit dabei zu sein.“
Sonntagvormittag auf der Jahreshauptversammlung lobte Präsident Hainer auch die Arbeit des Campus, des Nachwuchszentrums des Klubs. Zuletzt schafften es wieder mehr Talente in die erste Mannschaft, unter anderem Lennart Karl.
Hainer betonte, wie wichtig dem Klub darüber hinaus Haltung, Vielfalt und Zusammenhalt sei. Das sage er gerade in einer Zeit, in der Hetze, rechtsextreme Auswüchse und Populismus die Demokratie unter Stress setzen. Er sprach von zersetzenden Kräften. „Hass und Hetze sind nicht das Spiel des FC Bayern!“, so der Klubvorsitzende. Die Mitglieder bestätigten ihn als Präsident, Hainer nahm wie Wahl an. Rund 93 Prozent der Mitglieder stimmten für eine dritte Amtszeit des 71-Jährigen
Für Pfiffe unter den Mitgliedern sorgte eine Wortmeldung von Mitglied Michael Ott. Er hatte in den vergangenen Jahren die einstige Partnerschaft des FC Bayern mit Qatar Airways kritisiert. Und äußerte sich nun auf dem Podium zur Partnerschaft des FC Bayern mit der Fluggesellschaft Emirates.
Ott sprach über den Sudan, dort erlebe man die schwerste humanitäre Krise der Welt. Und den Vereinigten Arabischen Emiraten, aus denen Emirates komme, werde vorgeworfen, die RSF-Milizen zu unterstützen. Emirates hat seinen Sitz in Dubai.
„Selbst die Geheimdienste der USA, eigentlich der engste Verbündete der Emirate, berichten laut Wall Street Journal, dass die Emirate die RSF-Milizen massiv aufgerüstet haben“, so Ott. „Dann tragen die Emirate eine klare Mitschuld an den Verbrechen und wir machen Werbung für sie.“
Jan-Christian Dreesen, Vorstandschef des FC Bayern, reagierte auf Otts Kritik und sagte: „Sport ist letzten Endes auch davon abhängig, dass wir ihn bezahlen können. Es gibt sehr große andere Klubs wie Real Madrid, die mit Emirates seit vielen Jahren werben.“ Und weiter: „Jeden Sponsor, den wir bei uns in unsere Partnerschaft aufnehmen, schauen wir uns natürlich an. Wir können und wollen aber nicht geopolitische Fragen beantworten, die Aufgabe der Politik sind.“ Emirates sei ein verdienter Partner im Sport, der Klub stehe zu der Partnerschaft.
Emirates ist Premiumpartner beim FC Bayern. Der Vertrag mit dem Unternehmen gilt bis zum Ende der Saison 2031/32. Die Kooperation umfasst unter anderem Bandenwerbung im Münchner Stadion. Der Deal soll den Bayern rund fünf Millionen Euro pro Jahr bringen. Emirates wirbt unter anderem auch bei Real Madrid, dem FC Arsenal und dem AC Mailand.
FC Bayern mit 978,3 Millionen Euro Gesamtumsatz
Am Mittag war dann Dreesen mit seiner Rede dran. Der Vorstandsvorsitzende gab bekannt: Der FC Bayern hat das Geschäftsjahr 2024/25 mit einem Gesamtumsatz im Konzern von 978,3 Millionen Euro abgeschlossen – ein Plus von 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erneuter Rekordwert. Das operative Ergebnis (EBITDA) stieg um 11,3 Prozent auf 187,8 Millionen Euro. Das Ergebnis vor Steuern belief sich auf 42,5 Millionen Euro, der Jahresüberschuss auf 27,1 Millionen Euro.
Dreesen betonte, dass der FC Bayern im internationalen Konkurrenzkampf eine schwierige Zeit erlebe. Bei einigen Klubs komme das Geld quasi „aus der Steckdose.“ Vor allem aufgrund der Klub-WM, so Dreesen, haben sich die Einnahmen seines Klubs aus dem Spielbetrieb auf 260,7 Millionen Euro erhöht.
Die Einnahmen aus Sponsoring und Vermarktung sind auf 240,4 Millionen Euro gestiegen. Die Personalkosten (alle Klubangestellten, nicht nur Spieler und Trainer) sind von 396,5 Millionen Euro in 2023/2024 auf 408,3 Millionen gestiegen. „Wir sind nicht volatil“, sagte Dreesen, „der FC Bayern ist stabil.“
Dreesen bemängelte zudem die schwache Vermarktung der Bundesliga im Vergleich mit dem Rest der Welt. Als Beleg zeigte er eine Grafik, die klarmacht, wie deutlich die deutsche Liga in Sachen Fernseh-Vermarktung hinter den Ligen aus England und Spanien liegt.
„Das können wir künftig nicht mehr akzeptieren“, betonte Dreesen, der dies kürzlich bereits in einem Interview mit WELT AM SONNTAG deutlich gemacht hatte. „Wenn der Erste der Premier League das Doppelte des FC Bayern bekommt und der Letzte der Premier League im vergangenen Jahr noch immer 25 Prozent höhere Medieneinnahmen hat als der Deutsche Meister, dann ist irgendwas falsch.“
Zum Ende der Jahreshauptversammlung, nach über drei Stunden, kam es zum letzten Tagesordnungspunkt: Den Wortmeldungen. Ein Mitglied berichtete, dass er nach all den Jahren als Fan des FC Bayern immer noch von seinem Klub träume. Und wenn seine Frau ihn darauf manchmal etwas irritiert und vielleicht auch etwas eifersüchtig anspreche, antworte er ihr: „Der Verein war halt zuerst da.“
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen. Bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern ist er seit vielen Jahren als Berichterstatter vor Ort.
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