Norbert Nachtweih kam 1982 zum FC Bayern München. Was dem ehemaligen Spieler aus der DDR als Erstes auffiel, war auch schon großen Bayern-Legenden zuvor ein Dorn im Auge gewesen: Der Rekordmeister hatte nie gelernt, richtig zu feiern. Das musste, so Nachtweih, schnellstens geändert werden.
Paul Breitner war außer sich. Wieder einmal hatte der FC Bayern München einen Titel errungen - und was passierte? Nix! Und so kam es, dass sich der Weltmeister von 1974 wutentbrannt Luft machte und seinen mittlerweile legendären Satz sagte: "Bei diesem Scheißklub kann man nicht einmal richtig feiern." Doch das sollte sich kurz vor Breitners Abschied vom FC Bayern und dem Profifußball ändern.
Denn als Norbert Nachtweih im Jahr 1982 von der Frankfurter Eintracht zum Klub von der Säbener Straße wechselte, bemerkte er gleich in seiner ersten Saison, dass etwas bei den Bayern nicht stimmte, wie er in seiner unterhaltsamen Biografie "Zwischen zwei Welten. Meine deutsch-deutsche Fußballgeschichte" anschaulich erzählt.
"Meine erste Spielzeit bei den Bayern endete titellos mit einem enttäuschenden vierten Platz in der Tabelle. Schon damals bedeutete das für den FC Bayern, dass es nichts zu feiern gab. Aber das konnte nicht ihr Ernst sein, dachte ich! Das durfte nicht sein! Also begann ich in kleinen Schritten, den Bayern zu zeigen, wie richtig gefeiert wird."
Und als erste finanzielle Grundlage sollte ihm dabei ein mannschaftsinterner Dienst helfen. Denn Nachtweih war es, der die sogenannte "Beinschusskasse" verwahrte. 5 Mark kassierte er jeweils dafür, wenn ein Mitspieler beim Training düpiert wurde. Und eine gewisse Summe war schon zusammengekommen - doch die "war zu wenig", für das, was der partyerfahrene, blonde Norbert mit seinen Teamkameraden vorhatte.
Mit klimpernden Einkaufstüten über den Marienplatz
Denn als erste größere Maßnahme mietete Nachtweih die Diskothek in seinem Hotel. Dort sollte sich die Mannschaft einmal so richtig gemeinsam vergnügen. Doch obwohl die Teamkasse durch eine Autogrammstunde mittlerweile aufgefüllt war, zogen der Mann aus der ehemaligen DDR und sein Kollege Bertram Beierlorzer am Tag der Party los, um im Kaufhof 20 Flaschen Champagner zu erwerben.
Im Hotel hätten sie für das Geld nur zwei oder drei bekommen, schreibt Nachtweih, und erzählt noch, wie die Bayern-Stars mit klimpernden Einkaufstüten über den Marienplatz liefen. Das Fest war jedenfalls ein voller Erfolg - und so wurde Nachtweih, im wahrsten Sinne des Wortes, über Nacht der "Vergnügungswart der Profi-Mannschaft des FC Bayern München".
Doch Nachtweihs Mission war noch lange nicht zu Ende, denn aus Frankfurt war er es gewohnt, dass sich einige Mitspieler auch unterhalb der Woche trafen, um ein wenig Spaß zu haben. Der blonde Norbert nennt diese Gruppe die "Gänger". Doch da herrschte bei den Bayern "tote Hose", wie Nachtweih schreibt. Noch.
Über die Jahre schaffte es der DDR-Flüchtling aber nach und nach mit seiner "Vergnügungskompetenz", die, wie er sagt, nicht zuletzt "auf seine alten Verbindungen ins Frankfurter Nachtleben" gründete, die Bayern-Akteure mit ins Boot zu holen. Und der Erfolg konnte sich wahrlich sehen lassen.
Ergebnis-Absprache mit dem FC Schalke 04 wird eingehalten
Als das Team im Jahr 1987 einmal in Kassel ein Freundschaftsspiel gegen den FC Schalke 04 bestreiten sollte, organisierte Nachtweih eine nächtliche Fiesta in einem Club. Begeistert berichtet er auch viele Jahre später noch in seinem Buch: "Die Frankfurter Party war traumhaft, eine sensationelle Sause. Mit dem langen Hoeneß bin ich als einer der Letzten gegen 6 Uhr morgens aus der Bar raus. Was hatten wir für einen Spaß!"
Es gab nur zwei Probleme. Erstens: Die Mannschaft hatte für die Sause im Club nicht genug Bargeld dabei. Und zweitens: Am nächsten Mittag stand ja noch das Freundschaftsspiel gegen den FC Schalke 04 an. Tatsächlich löste das erste Problem der Trainer der Bayern, Udo Lattek, höchstpersönlich. Er half seinem Team mit einer Handvoll Scheinen aus, die ihm die Mannschaft in München später dann zurückzahlte. Und auch für das zweite Problem hatten die Spieler des FC Bayern bereits eine Lösung. Mit den Schalkern hatten sie vorab ausgemacht, dass die Partie 3:3 enden solle. Und genau so kam es, nach einigen Zwischenturbulenzen - die Bayern führten noch mit der letzten Energie der Nacht schnell und gegen die Absprache mit 3:0 - am Ende auch.
Und noch eine Geschichte in diesem Zusammenhang erzählt Norbert Nachtweih in seiner spannend zu lesenden Biografie. Eine Story aus einer längst vergangenen Zeit. Denn damals war es noch üblich, dass die Spieler im Mannschaftsbus rauchten. "So war das eben", sagt Norbert Nachtweih und berichtet, dass sich eines Tages Latteks Co-Trainer Egon Coordes, der Fitnessmann mit der "Hundelunge", beschwerte, dass er nach der Fahrt "immer stinke, als würde er direkt aus der Kneipe kommen". Er bat darum, dass ab sofort ein Rauchverbot herrschen solle.
Doch davon wollten Spieler wie Klaus Augenthaler und Norbert Nachtweih absolut nichts wissen. Und so handelte man den "Kompromiss" aus, dass wenigstens die beiden weiterhin rauchen durften. Doch der faule Kompromiss scheiterte. Und so wurde seit diesen Tagen im Bus der Bayern - wenigstens offiziell - nicht mehr geraucht. Der "Vergnügungswart" und sein bereitwilliges Gefolge hatten sich einsichtig gezeigt. Doch wenigstens weiß man seit den Zeiten des blonden Norbert bei den Bayern endlich, wie man richtig feiert. Paul Breitner hätte es ganz sicher gefallen.
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