Der FC Bayern und die 2. Pokalrunde, das war in den vergangenen Jahren keine Erfolgsgeschichte. Beim 1. FC Köln erlöst sich die Mannschaft von Trainer Vincent Kompany von diesem Fluch. Erst mit reichlich Glück, dann höchst verdient.
Vincent Kompany war in seiner eigenen Welt verschwunden. Auf so viele kleine Dinge hatte der Trainer des FC Bayern am Mittwochabend geachtet, dass er großen offenbar nicht bekam. Dass seine Mannschaft den Pokal-Fight beim 1. FC Köln mit 4:1 (2:1) gewonnen hatte, das wusste er zwar, nicht aber, dass Harry Kane zwei Tore dazu beigetragen hatte. Das sagte er zumindest spätabends in der Sportschau. In den letzten Minuten holte er den Super-Engländer vom Feld und fragte seinen Assistenten, ob Kane getroffen hatte. Hatte er, zweimal sogar, einmal sehr kunstvoll. Der Treffer zur 2:1-Erlösung nach kribbeliger Anfangsphase war absolut sehenswert.
Kompany flitzte mit seinen Augen während des Spiels von links nach rechts und wieder zurück. Er hatte viel zu sehen, viel zu analysieren gehabt. Denn der Aufsteiger hatte seine Mannschaft mächtig gefordert. Die Kölner waren von Lukas Kwasinok sehr mutig eingestellt worden und gingen gegen den großen Favoriten ins Risiko. Sie verteidigten viel im Eins-gegen-eins und spielten immer wieder schnell nach vorne. Bei besserer Verwertung der Chancen wäre es womöglich eine perfekte erste Halbzeit geworden.
Bayern plötzlich in großer Bedrängnis
Doch außer dem Tor von Ragnar Ache (31.) bekam die Effzeh-Elf nichts Zählbares auf die Anzeigetafel. Was auch an Jonas Urbig lag, der im Bayern-Tor in seiner alten Heimat ein herausragend gutes Spiel gemacht hatte. Die Versuche von Isak Johannesson (11.) und Ache (16.) entschärfte Urbig mit starken Reaktionen. Gerade beim ersten Schuss durch den Isländer war der Torschrei sogar schon vorformuliert. Die Bayern waren in dieser Phase in Bedrängnis. In so großer, wie sie in dieser ihrer bislang überragenden Saison noch nicht waren. Und dann kam auch noch Ache.
In der 31. Minute lagen die Münchner zum ersten Mal in dieser Spielzeit zurück. Ein völlig neues Szenario, dem sich die Rekord-Mannschaft aus dem Süden aber mühelos stellte. Denn sieben Minuten später führten sie mit 2:1. Doch die Wende war nicht ganz ohne Beigeschmack. Denn vor seinem Abstauber zum 1:1 stand Neuzugang Luis Diaz klar im Abseits.
Ex-Nationalkeeper Ron-Robert Zieler, der im DFB-Pokal den Vorzug vor Stammtorhüter Marvin Schwäbe erhält, hatte einen Schuss von Josip Stanisic direkt vor die Füße von Diaz geklatscht. Der hatte im Moment des Schusses weit mehr als eine Fußspitze in der verbotenen Zone gestanden, das war ein gefühlter Meter. Doch das Schiri-Gespann griff nicht ein. Auf den Tribünen schimpfte ein riesiger Schwarm Kölner Rohrspatzen. Sie alle waren sich so sicher gewesen. Und in diesem Fall hatten sie recht. Der VAR griff nicht ein - weil es ihn der zweiten Pokalrunde schlicht nicht gibt.
"Ich finde dass er es sehen kann, wenn nicht gar sehen muss"
Selbst die Münchner fühlten sich hernach nicht ganz wohl mit dem Tor und forderten Veränderungen: "Ich bin ein Freund vom Video-Assistenten. Ich glaube schon, dass ein Video-Assistent ab der zweiten Runde hilfreich wäre", sagte Sportvorstand Max Eberl. Im DFB-Pokal kommt der Video-Schiedsrichter erst ab dem Achtelfinale zum Einsatz. Grund dafür sind die unterklassigen Teams, in deren Stadien die technischen Voraussetzungen oft nicht gegeben sind. "Es geht um so viel. In der zweiten Runde sind meistens so viele Mannschaften, die auch die Möglichkeiten bieten", befand Eberl. Er war nicht der Erste in diesen Pokal-Tagen, der sich einen früheren VAR-Einsatz wünschte. Bereits am Dienstag hatte es mehrfach Ärger um strittige Entscheidungen gegeben.
Kölns Trainer Lukas Kwasniok war verärgert und arbeitete sich generell an den Schiedsrichtern ab, die seiner Meinung nach durch den VAR immer öfter Fehlentscheidungen treffen. "Ich finde schon, dass er es sehen kann, wenn nicht gar sehen muss. Das ist ein Problem", sagte er zum umstrittenen Ausgleich der Bayern: "Wenn du halt immer mit Navi unterwegs bist, lernst du irgendwann diese Straßen nicht mehr." Selbst Eberl stimmte dem zu. "Wenn du das ganze Jahr nicht darauf gepolt bist, dann ist es schwieriger in solchen Spielen", meinte der Bayern-Sportchef. "Wenn man es gewohnt ist und es auch funktioniert, sollte man es auch nutzen."
Bayern schnappt sich Startrekord von Milan
Nach dem Doppelschlag, und insbesondere nach der Halbzeitpause, zogen die Bayern an. Sie wurden besser und besser und spielten ihre herausragende individuelle Qualität aus. Nach den vielen Pokalenttäuschungen und -blamagen wollten sie sich nicht wieder erwischen lassen. Kane erhöhte per Kopf auf 3:1 (64.) ehe Michael Olise einen perfekten Konter zum 4:1 (72.) veredelte. Die Kölner hatten der Wucht nicht mehr viel entgegenzusetzen. Torschütze Ache staunte und schwärmte über die Klasse der Münchner Einzelspieler. Und trotzdem bleibt der kleine Beigeschmack, dass das irreguläre Tor die Dinge auf dem Rasen verändert hatte.
Die München rasen derweil weiter im Rekordtempo durch diese Spielzeit. Seit Saisonbeginn war es der 14. Erfolg in Serie. Damit hat München die AC Mailand (13 Siege, 1992/93) abgelöst und einen Startrekord in Europas Topligen aufgestellt. "Die Mannschaft hat eine große Lust, der Trainer nutzt den Kader", lobte Eberl. Kompany schwärmte derweil von der brutalen Resilienz seiner Spieler vor den Aufgaben gegen Bayer Leverkusen (Samstag, 18.30 Uhr/Sky) und bei Champions-League-Sieger Paris St. Germain (4. November, 21 Uhr/Prime Video, beide Spiele auch im ntv.de-Liveticker): "Was ich liebe an unserer Mannschaft, ist, dass sie ruhig geblieben sind", sagte der Belgier nach dem Pokalfight in Köln: "Sie haben sich das Spiel auch verdient, weil sie wieder in die Zweikämpfe reingekommen sind."
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