Zu viel Risiko, zu wenig Sicherheit? Der alpine Skisport wird von einer heftigen Debatte überschattet. Der Tod von Matteo Franzoso befeuert diese. Vor dem Auftakt der Weltcup-Saison fordern viele Veränderungen. Andere kritisieren "Aktionismus".
Es hätte nicht erst noch den Tod des Italieners Matteo Franzoso gebraucht, um die Debatte um die Sicherheit im alpinen Ski-Rennsport weiter zu befeuern. Doch seit der 25-Jährige im September bei einem Sturz auf einer nur mäßig gesicherten Abfahrtsstrecke im Trainingslager in Chile sein Leben verlor, reden sich die Beteiligten die Köpfe heiß - erst recht, weil mit dem Weltcup am Wochenende in Sölden die Olympia-Saison beginnt.
Die besonders gefährdeten Abfahrer bestreiten ihre ersten Rennen erst in einem Monat, bis dahin werden nur technische Wettbewerbe wie die Riesenslaloms auf dem Rettenbachferner gefahren. Dennoch: Die Diskussion um die Sicherheit ist nach zahlreichen schlimmen Stürzen bereits in der vergangenen Saison in vollem Gange. So fordert etwa Felix Neureuther endlich ein "Machtwort" des Weltverbandes FIS.
Vor allem die vergangenen beiden Winter waren von spektakulären und folgenschweren Unfällen geprägt - und es betraf dabei nicht zuletzt Topstars wie Skikönigin Mikaela Shiffrin, Corinne Suter, Petra Vlhova, Cyprien Sarrazin, Alexis Pinturault, Marco Schwarz oder Aleksander Aamodt Kilde - ein "Who is who" der Sportart.
Superstar-Pärchen erlebte Horror
"Es gibt", sagte die beinahe in Lebensgefahr schwebende Shiffrin nach einem furchterregenden Sturz in einem Riesenslalom, "viel Raum für Verbesserungen." Ihr Verlobter Kilde, der nach einem Horror-Unfall in Wengen im Januar 2024 um sein Bein bangte und erst jetzt vor der Rückkehr in den Weltcup steht, sagt: "Wir wollen, dass der Sport sicher ist." Ungeklärt bleibt, wie das gelingen soll.
Karlheinz Waibel, im Deutschen Skiverband (DSV) als Bundestrainer Wissenschaft mit den Diskussionen bestens vertraut, sieht die neuen Maßnahmen der FIS wie eine Airbag-Pflicht, schnittfeste Unterwäsche oder ein Verbot von Carbon-Schienbeinschonern sogar kritisch, er spricht von "Aktionismus": So werde etwa die Diskussion um den Airbag so "aufgebauscht", als sei dieser "die Rettung des Skisports - das ist reine Ablenkung". Dass die Carbon-Schoner nun verboten sind, hält er für "völlig daneben", weil ihre Verbindung zu Verletzungen nicht belegbar sei.
Vielmehr fordert Waibel, dass beim Material angesetzt und zudem in die Kurssetzung eingegriffen werden müsse, um die Belastungen für die besonders verletzungsanfälligen Knie zu reduzieren. "Läufe sollten so gesteckt werden", sagt er, "dass die Athleten auch mit einem weniger aggressiven Material schnell sind." Neureuther schlägt unter anderem vor, die Rennläufer durch dickere Rennanzüge langsamer zu machen. Die FIS denkt ihrerseits über "smarte" Skibindungen nach.
Trainingsbedingungen anders als bei Rennen
Nicht zuletzt sollen die Standards für Trainingsstrecken der Abfahrer angehoben werden. Superstar Marco Odermatt sagt: "Die Trainingsbedingungen sind nicht wie bei Rennen - das muss sich ändern." Weil das hohe Kosten verursacht, denkt die FIS angeblich darüber nach, dafür einen Finanzierungspool aufzustellen. Zur Verbesserung der Sicherheit könnten auch neue Helme beitragen, wie sie Shiffrin vorschlägt.
"Es ist ein gefährlicher Sport", betont Odermatt, "jedem sind die Konsequenzen bewusst. Man muss sich so stark machen wie möglich, um Verletzungen vorzubeugen." Klar ist aber auch: Eile tut Not. Sarrazin, der nach seinem Trainingssturz in Bormio im vergangenen Dezember im künstlichen Koma lag und um eine Rückkehr kämpft, sagte erst vor wenigen Tagen: "Man sollte nicht erst warten, bis es Tote gibt, um über Sicherheit zu sprechen."
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