Mancher vermutete die Wucht des Karmas. Dass LeBron James erstmals in seiner beispiellosen Karriere den Saisonstart der NBA verpasst, liege nicht am fortgeschrittenen Alter, sondern schlichtweg an seiner Unverfrorenheit. Nach einer PR-Aktion vor zwei Wochen habe es der Basketball-Superstar schlichtweg nicht anders verdient.

Dem 40-Jährigen schmerzt der Ischias, was ein Mitwirken in den ersten Wochen der am 21. Oktober beginnenden Saison verhindert. Noch nie in der Geschichte hat ein Spieler an 23 Spielzeiten teilgenommen, und die seit vielen Monaten anhaltenden Spekulationen, ob es im kommenden Jahr sogar noch für eine 24. reichen könnte, schienen am 7. Oktober aufgelöst zu werden. Schließlich hatte King James tags zuvor auf seinen Social-Media-Accounts „Die Entscheidung aller Entscheidungen“ angekündigt.

Mit eben jenem Claim hatte er bereits vor 15 Jahren gespielt – und anschließend seinen Wechsel von den Cleveland Cavaliers zu den Miami Heat bekannt gegeben. Die Analogie war bewusst gewählt, ergänzt um den aktualisierten Zusatz: „die zweite Entscheidung“.

Würde er die Los Angeles Lakers am Saisonende für einen anderen Klub verlassen, oder am Saisonende sogar komplett aufhören? Die Ticketpreise für das letzte Lakers-Saisonheimspiel am 21. April gegen Utah Jazz schossen in die Höhe. Die günstigsten Eintrittskarten, ansonsten bei etwa 80 US-Dollar taxiert, waren in den Ticketbörsen nicht mehr unter 450 Dollar zu bekommen. Niemand wollte das sich abzeichnende Abdunken des Königs verpassen.

Was James dann einen Tag später verkündete, hatte allerdings weder etwas mit einem Abschied von den Lakers noch einem möglichen Karriereende zu tun. Es gab lediglich neue Informationen über einen Cognac, dem er als Markenbotschafter und Werbegesicht verbunden ist.

Die Luftnummer zog Kopfschütteln in der Branche und den Zorn der Öffentlichkeit nach sich. Viele Fans fühlten sich verkauft und verschaukelt, einer sogar betrogen. Andrew Garcia reichte vor Gericht Klage ein: LeBron James schulde ihm 865,66 Dollar, die der Fan für sein Ticket bezahlt habe. Autsch.

Doch James hat mit 42.184 eben nicht nur die meisten Punkte in der Geschichte NBA erzielt, er verstand es auch außerordentlich gut, sich in Szene zu setzen. Die PR-Aktion führte jedenfalls dazu, dass James zuverlässig in den Schlagzeilen steht, selbst wenn seine beeindruckende sportliche Geschichte langsam auserzählt scheint.

Cooper Flagg vor Debüt in Dallas

Sportlich stehen längst andere, jüngere, im Fokus. MVP Shai Gilgeous-Alexander vom Champion Oklahoma City Thunder oder Timberwolve Anthony Edwards, der mit seinen 24 Jahren nun reif scheint, um der Liga seinen Stempel aufzudrücken und laut eigener Aussage so fit ist wie nie zuvor.

Gleiches gilt für den Dauerpatienten Zion Williamson von den New Orleans Pelicans und James’ Teamkollegen Luka Dončić, der den Sommer diesmal dazu nutzte, um seine Ernährung umzustellen und überflüssiges Gewicht zu verlieren. Beide präsentieren sich so schlank und fit, wie sie die NBA noch nicht gesehen hat. Ob sie ihr Fitnesslevel halten können, ist mindestens so spannend, wie die alljährlichen Teamprognosen um Titelkandidaten und Play-off-Anwärter.

Dazu kommt der mit viel Vorschusslorbeeren in die Liga gekommene Cooper Flagg, 18 Jahre alt und im Draft als First Pick von den Dallas Mavericks ausgewählt. Gut möglich, dass der junge Mann ohne große Anpassungsprobleme tatsächlich direkt einschlägt und dafür sorgt, dass der etatmäßige Aufbauspieler Kyrie Irving seinen Kreuzbandriss in Ruhe auskurieren kann. Andererseits wäre er nicht der erste, der als Sternchen beim Eintritt in die NBA jäh verglüht.

Wembanyamas bemerkenswerte Vorbereitung

Im vergangenen Jahr war 2,26-Meter-Mann Victor Wembanyama vor dem Start die große Nummer. Nachdem das Naturwunder der San Antonio Spurs in der ersten Saison zwar sein Superstar-Potenzial bestätigen konnte, aufgrund einer Verletzung aber große Teile der Spiele verpasste, nutzte er die spielfreie Zeit nun für eine bemerkenswerte Vorbereitung. Nicht nur, dass er Rat bei ehemaligen Stars suchte und gemeinsam mit Hakeem Olajuwon und Kevin Garnett trainierte; der 21-jährige Franzose zog in China in einen Shaolin-Tempel ein.

Während des zehntägigen Retreats lernte er Meditation und Kung Fu, arbeitete an Physis und Geist, schärfte Willen und Disziplin. Wie ernst es ihm war, unterstrich sein Äußeres. Wembanyama rasierte sich den Kopf und trug wie seine Lehrmeister ein Mönchsgewand.

Ungewohnte Methoden und gute Geschichten – der Dreikampf mit Gilgeous-Alexander und Nikola Jokić um den MVP-Titel scheint eröffnet. Doch vor dem Start drängen die Alten wieder ins Rampenlicht. Weinbrandkönig James oder auch Kevin Durant, 37, der nach seinem wohl letzten Wechsel von den Phoenix Suns zu den Rockets nun noch einmal die Hoffnungen der Fans in Houston nährt. Selbst in Philadelphia, wo große Ambitionen seit Jahren zuverlässig schnell Enttäuschung weichen, glauben sie wieder mal an Besserung. Paul George, 35, und Joel Embiid, 31, die Sorgenkinder vergangener Jahre, sind – vorerst – fit.

Golden States Ü-30-Truppe

Und in San Francisco hegt mancher aufgrund der Leistungen in den vergangenen Play-offs sogar noch einmal leise Titelträume. Die Golden State Warriors hatten sich im Kampf um Play-off-Platz sieben zunächst gegen die Memphis Grizzlies durchgesetzt, warfen dann die favorisierten Houston Rockets mit 4:3 aus dem Titelrennen und scheiterten erst im Halbfinale der Western Conference an den Minnesota Timberwolves, nachdem sich Superstar Steph Curry eine Oberschenkelzerrung zugezogen hatte.

In dieser Play-off-Form – und mit einem gesunden Curry – könnte das Team auf die Erfolge 2015, 2017, 2018 und 2022 zum Abschluss der Ära tatsächlich noch einmal überraschen, doch dass die Linie zu den vier Titeln überhaupt noch gezogen werden kann, liegt allein an Curry. Denn von den Splash Brothers Clay Thompson und Curry ist nur noch einer geblieben. Und außer enfant terrible Draymond Green und Coach Steve Kerr erinnert nicht mehr viel an die goldenen Zeiten.

Zumal der Kader 2025 eher als „Gnash Brothers“ daherkommt – die Gelenke knirschen und knarzen. Curry ist 37, Green 35, und die dritte Säule der Mannschaft, der famose Jimmy Butler, liegt mit seinen 36 Lenzen genau dazwischen. Damit nicht genug: Im Sommer wurden mit Currys Bruder Seth (35) und Veteran Al Horford (39) zwei weitere Routiniers dazugeholt. Und zur Altherren-Fraktion bei den Warriors zählen noch zwei weitere Leistungsträger: Buddy Hield wird am 17. Dezember 33, Gary Payton II ist gerade mal 15 Tage jünger.

Sieben Ü-30-Spieler, fünf haben ihr 35. Lebensjahr vollendet und gehören zu den 24 ältesten Profis in der gesamten NBA. Für viele von ihnen werden sich nach der Saison keine Chancen mehr bieten, noch einmal um Titel mitzuspielen. Das kann zusammenschweißen, aber auch in zu vielen Verletzungen und Regenerationspausen enden. Es ist der letzte Angriff der alten Krieger.

Eine Geschichte, die auch die NBA gern weitererzählen will. Die Liga hätte zu ihrem Auftakt Wembanyama oder Cooper Flagg ins Schaufenster stellen können. Doch am 21. Oktober eröffnen Currys Warriors die Saison in Los Angeles. Die mit Abstand älteste Mannschaft gegen den ältesten aktiven Spieler. Ein Legenden-Treffen, das nun jedoch nicht wie geplant zustande kommt – der Ischias.

Der Geplagte lässt befragt nach dem Karriereende weiter Raum für Spekulationen und sich selbst somit die Möglichkeit einer dritten Entscheidung. „Ich weiß nicht, wann das Ende kommt“, sagte er beim Medientag der Lakers: „Ich weiß nur, dass es eher früher als später sein wird.“ Darauf einen Cognac.

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