Er gilt als größter Snooker-Spieler der Geschichte. Der Engländer Ronnie O’Sullivan war bereits siebenmal Weltmeister und verdiente in seiner Karriere über 15 Millionen Euro Preisgeld. Was treibt den 49-jährigen Superstar seiner Sportart noch an?
Frage: Mister O’Sullivan, Sie sind Rekord-Weltmeister. Was treibt Sie da noch an?
Ronnie O’Sullivan: Der Rausch des Snookers ist, die Kugeln perfekt zu treffen. Für mich ist dies das unglaublichste Gefühl, das ich haben kann. Wenn ich mich frage: Warum spiele ich eigentlich noch? Dann ist es die Suche danach, die Kugel so präzise und sauber zu treffen. Ich brauche dieses Gefühl, dass ich an diesem Tisch alles tun kann, was ich will. Es war aber nicht immer so.
Frage: Wie fühlt es sich dann an?
O’Sullivan: Das ist dann sehr frustrierend. Zwei, drei Jahre lang habe ich gar nichts getroffen. Da war ich emotional an keinem guten Ort.
Frage: Sie haben in Ihrer Karriere mit Depressionen, Sucht und Panikattacken zu kämpfen gehabt. Wie hilft Ihnen der Sport, psychisch stabil zu bleiben?
O’Sullivan: Es ist wie bei jedem Job, der viel Stress und Druck mit sich bringt. Dann geht es darum, wie du damit umgehst. Auch Ihr Boss wird von Ihnen Dinge einfordern. Manchmal nimmst du das mit nach Hause und kannst einfach nicht abschalten. Wenn ich Sport treibe, also zum Beispiel laufe, hilft mir das, den Kopf freizubekommen. So werde ich die ganzen negativen Gedanken los und drücke jeden Tag den Reset-Knopf, durch den ich frisch von vorn loslegen kann.
Frage: Wer sind für Sie die Größten der verschiedenen Sportarten?
O’Sullivan: Muhammad Ali im Boxen, Novak Djokovic im Tennis, Usain Bolt in der Leichtathletik und Diego Maradona im Fußball.
Frage: Was begeistert Sie an Maradona, und was haben Sie mit ihm gemeinsam?
O’Sullivan: Wir beide müssen Meister über eine Kugel sein. Das gilt auch für Golfer oder Tennisspieler. Wir müssen den Ball mit Fuß, Schläger oder Queue beherrschen. Ich muss im Snooker schauen, wie ich die weiße Kugel dazu bringe, die Richtung zu ändern, obwohl ich keinen guten Winkel habe, um sie zu spielen. Ich muss die Kugel manipulieren, damit sie das tut, was sie soll. Das ist die Faszination. Ich muss die Physik überwinden und ausschalten. Mir macht es Spaß, das Unmögliche zu erschaffen. Die großen Athleten arbeiten daraufhin und bleiben immer neugierig, wollen ständig weiterlernen. Nur so kommt man aufs höchste Level.
Frage: Gehört auch etwas Verrücktheit dazu?
O’Sullivan: Ein bisschen davon braucht man auch.
Frage: Und wer ist der Größte im Snooker?
O’Sullivan: Stephen Hendry.
Frage: Nicht Sie selbst? Vielen sehen das so …
O’Sullivan: Ich denke, kein Sportler sollte sich als Größten aller Zeiten bezeichnen, selbst, wenn er es ist. Das sollten alle anderen entscheiden. Ich mache nur meinen Job und versuche mein Bestes – und hoffentlich hinterlässt man bei den Leuten einen guten Eindruck und beschert ihnen schöne Erinnerungen. Aus meiner Sicht hatte Stephen Hendry die größte Wirkung auf den Stellenwert von Snooker.
Frage: Wie lange wollen Sie noch spielen?
O’Sullivan: Die vergangenen drei Jahre waren kein Vergnügen mehr für mich. In meinem Alter hätte ich das nicht mehr lange so durchgehalten. Doch zuletzt ist der Spaß wieder zurückgekehrt, bei den Turnieren in China und Saudi-Arabien, in meinen Trainingseinheiten. Diese Freude ist die Voraussetzung für mich, dass ich noch weitermache. Mir geht es weniger um Siege oder den Platz als Nummer eins der Welt. Ich muss es genießen können, denn ich habe eigentlich genug andere Sachen, die ich gern tun möchte.
Frage: Zum Beispiel?
O’Sullivan: Mehr Zeit mit meinen Kindern und meiner Frau verbringen. Ich würde auch als Snooker-Rentner noch arbeiten. Im Moment nimmt der Sport viel Zeit in Anspruch durch Training und Reisen. Wenn mir das nicht mehr gefällt, werde ich einen neuen Pfad einschlagen. Vielleicht spiele ich dann chinesisches Acht-Ball-Pool oder suche mir andere Geschäfte, um die ich mich kümmere. Ich bin nicht gut im Herumsitzen. Hoffentlich kann ich aber noch die nächsten drei, vier, fünf Jahre spielen, weil es mir weiter Spaß macht. Falls das aufhören sollte, würde ich es wahrscheinlich noch ein Jahr lang weiterprobieren, um zu sehen, ob sich das wieder ändert. Kommt die Freude nicht zurück, bin ich raus.
Frage: Sie haben drei Krimis geschrieben. Sind weitere geplant?
O’Sullivan: Das ist möglich. Das Schreiben machte mir Spaß. Aber Bücher sind harte Arbeit und fressen viel Zeit. Daran denke ich gar nicht erst bis nach meinem Karriereende als Snookerspieler.
Frage: Um Snooker schneller und zugänglicher zu machen, gibt es die Variante 900, mit 15 Minuten langen Spielen (900 Sekunden). Für diese gibt es jetzt bei der Plattform Pluto TV einen eigenen Kanal. Dort laufen auch Ihre Lehrvideos der „Rocket Method“. Warum ist das so wichtig? Haben Sie sonst Angst, dass Snooker keinen Nachwuchs mehr findet?
O’Sullivan: Es ist großartig, dass wir jetzt eine Plattform haben, auf der auch Snooker der Junioren, der Amateure, der Frauen und der Gehandicapten zu sehen sein wird. Die Hoffnung ist, dass alle, die Snooker bereits lieben oder es einmal spielen wollen, dort eine Plattform bekommen. Dort gibt es die Möglichkeit, in Turnieren zu spielen oder von mir zu lernen, wie man Snooker spielt. Ich hoffe, dass ich irgendwann einmal Snooker einschalte und sage: Den habe ich schon früher als Jungen bei Snooker 900 gesehen, oder diese Frau hat dort auf Pluto TV angefangen.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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