Der Bundestrainer steht mit der Nationalmannschaft vor wichtigen Spielen. Droht die Extrarunde in der WM-Quali? Oder kommt die DFB-Elf mit einem blauen Auge davon? Und was ist eigentlich mit Manuel Neuer? Julian Nagelsmann bleibt vage. In jeder Hinsicht.
Vielleicht ist es ein sprachlicher Zaubertrick oder doch nur ein Ausweichmanöver. Sicher ist nur, dass Julian Nagelsmann auf der Pressekonferenz vor dem Luxemburgspiel die Flucht nach vorn suchte. Statt lange zu klagen, dass die entscheidenden Kräfte seines DFB-Teams teilweise schon seit Monaten in diversen Reha-Programmen verschollen sind, entschied sich der Bundestrainer für die positive Sichtweise. "Die Achse ist die Gruppe", antwortete er auf eine Journalistenfrage, ob er denn vier, fünf zentrale Schulterpaare benennen könnte, auf denen das DFB-Team gerade thront. Weil das derzeit eben wirklich schwierig ist.
Nagelsmanns Antwort ("Die Achse ist die Gruppe") kann natürlich gleichzeitig alles und nichts heißen. Aber in der aktuellen Lage sind fußballerische Kalendersprüche vermutlich die beste Antwort. Denn eigentlich ist es so: Abgesehen von Kapitän Joshua Kimmich und Florian Wirtz fehlt dem DFB-Team derzeit eine stabile Achse. Da ist die Gruppe der Langzeitverletzten mit Jamal Musiala, Kai Havertz, Marc-André ter Stegen, Antonio Rüdiger, Tim Kleindienst und Deniz Undav. Oder die Gruppe der Formschwächelnden um Niclas Füllkrug, Robert Andrich, Pascal Groß oder Jonathan Tah (zumindest im DFB-Team).
Und da ist natürlich die Gruppe der Zurückgetretenen um Thomas Müller, Toni Kroos und Manuel Neuer. Moment, Manuel Neuer? Da war doch was. Auch in der Torwart-Debatte vollführt der Bundestrainer ein sprachliches Ausweichmanöver. Erst zitiert er seine Vertretungs-Nummer-eins Oliver Baumann: "Olli hat es treffend gesagt. Es ist wenig ratsam, über alle möglichen Konstellationen zu sprechen, die eintreffen können." Dann schiebt er ein "Stand jetzt" hinterher, um deutlich zu machen, dass ein Comeback Neuers für ihn derzeit kein Thema sei. Dann knallt er aber die DFB-Eingangspforten doch nicht endgültig zu. Schließlich habe er auch als Bundestrainer gerade auf der Torwartposition schon "viel erlebt". Das Ergebnis ist die ebenfalls alles- und nichtssagende Formulierung: "Nagelsmann schließt Neuer-Rückkehr nicht aus".
Das "instabile" DFB-Team
Der Bundestrainer hatte schon vor der Pressekonferenz zum Luxemburgspiel (20.45 Uhr/ARD und im ntv.de-Liveticker) angekündigt, sich aus dem Debattenraum etwas zurückzuziehen. "Wir wollen mehr ins Machen kommen und weniger ins Reden", sagte er, bevor er seinen Kader für die Partien gegen Luxemburg und Nordirland (am Montag, 20.45 Uhr/RTL und im ntv.de-Liveticker) versammelt hatte. Nagelsmann hielt sich (mit wenigen Ausnahmen) an diese Devise: Anders als zuletzt gab es zur Kaderverkündung keine Regierungserklärung, sondern nur eine karge Pressemitteilung ("Zwei Siege, das ist unser klares Ziel").
Und so hinterlässt der Bundestrainer bei seinem Machen das ein oder andere Rätsel: Warum ist eigentlich Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt nicht dabei? Davon war schließlich auch dessen Trainer Sebastian Hoeneß irritiert. Oder: Wieso feiert plötzlich der Leipziger Ridle Baku nach vier Jahren sein DFB-Comeback? Und was ist mit dem unglücklichen Debütanten Nnamdi Collins, der in Bratislava von Kollegen und Trainer im Stich gelassen wurde? Kehrt Kimmich doch auf die Rechtsverteidiger-Position zurück, wie es die "Bild"-Zeitung berichtet? Und wenn ja, woher kam der Sinneswandel? Mittlerweile reichte Nagelsmann zumindest im Fall Mittelstädt nach, dass es keine Entscheidung gegen den Linksverteidiger war, sondern eher eine für David Raum und den Frankfurter Perspektivspieler Nathaniel Brown.
Viele Fragen, die sich Fußballdeutschland erst mal selbst beantworten muss. Die Lage ist ernst, anders lässt es sich kaum sagen. In Sinsheim und dem nordirischen Belfast entscheidet sich, ob die DFB-Elf der Peinlichkeit der WM-Playoffs aus dem Weg gehen kann oder ob die Nagelsmannschaft im nächsten Frühjahr noch nachsitzen muss. Das DFB-Team hat sich selbst in diese Lage manövriert, mit der überraschenden und erschreckenden 0:2-Niederlage in Bratislava gegen die Slowakei. Und viel schlimmer noch: Eigentlich sollten die WM-Quali-Spiele das geschundene Selbstbewusstsein der Nationalelf aufpolieren, stattdessen ist das Gegenteil passiert. Deshalb muss auch der Bundestrainer vor dem Luxemburgspiel an etwas Demut erinnern: "Wir sind nicht in der Situation, irgendwelche Gegner zu unterschätzen."
Nagelsmann hat sich augenscheinlich (und anders als sonst) dazu entschieden, die "instabile Situation" des DFB-Teams nicht weiter zu kommentieren. Stattdessen füllen andere das Debatten-Vakuum. Und das mit einer gigantischen Bandbreite: Angefangen beim Optimisten Philipp Lahm ("Man muss uns erst mal schlagen"), über Matthias Sammer ("Wir haben immer noch genug Qualitäten. Ich weiß nicht, ob wir den Titel holen können, aber in der Slowakei zu verlieren, macht keinen Sinn"), bis hin zu dem äußerst nervösen Pierre Littbarski ("Ich habe Schiss, dass wir es nicht durch die Quali schaffen"). Fragen und Sorgen gibt es zuhauf. Die Torwart-Debatte? Der WM-Titel? Das Kimmich-Thema? Die 84 Millionen Bundestrainerinnen und Bundestrainer haben mindestens ebenso viele Meinungen.
Und Nagelsmann? Der bleibt vor den Spielen vage. Und nimmt auch das letzte thematische Ablenkungsmanöver dankbar an. Ob denn Thomas Müller als Co-Trainer für ihn denkbar sei, wurde er gefragt. Why not, erklärte der Bundestrainer. Der Ex-Bayer sei "auf jeden Fall ein Kandidat, der so ein Amt ausüben könnte", sagte Nagelsmann. Nur halt noch nicht jetzt, weil er in Kanada einen Vertrag bis Ende 2026 hat. "Deswegen, da lehne ich mich mal weit aus dem Fenster", sagte Nagelsmann, "wird er für diesen Sommer kein Amt als Co-Trainer übernehmen - weder bei mir, noch bei irgendeinem anderen Trainer." Immerhin hier gibt es eine klare Antwort.
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