Die nächste Show steht bevor und niemand zweifelt daran, dass ihr Protagonist Tadej Pogačar heißt. Der überragende slowenische Radstar kann bei der Lombardei-Rundfahrt mit einer Ikone gleichziehen. Zuvor gewinnt er noch ganz locker ein weiteres Rennen.

Tadej Pogačar ist ein einsamer Mensch. Zumindest im Sattel. Am Dienstag gewann das menschliche Radsport-Mirakel den Italo-Klassiker "Tre Valli Varesine" mit einem 22-Kilometer-Solo, zwei Tage zuvor war er nach einer Alleinfahrt über 75 Kilometer Europameister und kurz davor nach 66 Kilometer in Isolation Weltmeister geworden. Und wenn nicht gerade die Radsport-Welt untergehen sollte, wird auch am Samstag bei der Lombardei-Rundfahrt, dem letzten Saison-Höhepunkt, erst sehr früh "Pogi" kommen und dann sehr lange niemand anderes.

"Das ist nochmal ein Riesenziel für mich und eine Extra-Motivation. Meine Beine sind gut", sagt Pogacar. Oder besser: droht er. Und eigentlich könnte man damit die Siegerehrung ins Vorfeld der "Klassikers der fallenden Blätter" über 238 Kilometer von Como nach Bergamo verlegen. Die Dominanz des Zweirad-Omnivoren aus Sloweniens Hauptstadt Ljubljana ist derart eklatant, dass dagegen selbst der große Kannibale Eddy Merckx zu Hochzeiten gönnerhaft wirkte.

"Es wollte ja keiner mit mir arbeiten"

19 Siege hat Pogacar 2025 gefeiert, die ersten im Februar in den Emiraten, die letzten im europäischen Herbst. Schwerste Klassiker waren ebenso darunter wie der vierte Tour-Erfolg. "Es ist eine lange Saison", sagt der 27-Jährige. Doch auch wenn seine schmächtige Physiognomie eher an die eines Sachbearbeiters der Raiffeisenkasse als einen Wunderathleten erinnert, steckt auch Mitte Oktober viel mehr Power in ihm als in allen, na ja: "Konkurrenten".

Am Dienstag wirkte Pogacar so, als bestreite er eines jener notorischen niederländischen "Kirmesrennen", bei denen ein Topstar mitunter vertragliche Siegesgewissheit besitzt. Entspannt winkend radelte er in Varese ins Ziel, weit hinter ihm japsten Ex-Weltmeister und Olympiasieger durch die Nord-Lombardei. Als Spitze der Demütigung setzte Pogacar seine entscheidende Attacke diesmal nicht bergauf, sondern in einer Abfahrt. "Es wollte ja keiner mit mir arbeiten", sagte er achselzuckend.

Eine kaum wahrnehmbare Kampfansage

Diese Dominanz ist gleichermaßen Fluch und Segen für den Radsport, der einerseits einen der Allzeitgrößten erlebt, welcher jedes Rennen voller Angriffslust und Esprit zelebriert. Andererseits ist damit der Wettbewerb weitgehend abgeschafft: Nur zweimal in diesem Jahr stieß Pogacar an seine Grenzen - bei den Niederlagen in Sanremo und Roubaix gegen Mathieu van der Poel. Und es bleiben natürlich auch die ewigen Zweifel der unerlaubten Leistungssteigerung, die der Radsport seit Jahrzehnten mit sich trägt. Bislang entflieht der nicht zu fassende Pogacar aber jedem Verdacht.

So stellt sich die Frage: Wer soll Pogacar in der Lombardei, wo er mit seinem fünften Sieg in Serie zum ikonischen Rekordgewinner Fausto Coppi aufschließen würde, ansatzweise ärgern? Remco Evenepoel zum Beispiel - eher nicht, das weiß der derzeit weltzweitbeste Radfahrer selbst. "Ich werde alles geben, um möglichst lange mit ihm mithalten zu können", sagt der Doppel-Olympiasieger. Das ist nicht einmal ein Kampfansägchen.

"Er besitzt Fähigkeiten, die man so nicht trainieren kann"

Evenepoels Vertrauter Sven Vanthourenhout, der ihm bereits zum neuen gemeinsamen Arbeitgeber Red-Bull-Bora-hansgrohe vorausgegangen ist, sieht Pogacar als Naturwunder an. "Er besitzt Fähigkeiten, die man so nicht trainieren kann", sagt der Belgier: "Für einige Minuten kann Pogacar 40 Watt mehr treten als jeder andere."

Evenepoel, so Vanthourenhout, soll künftig bei seinem neuen deutschen Team zumindest ähnliche Fähigkeiten entwickeln. Am Samstag droht ihm allerdings Ähnliches wie 2024: Damals wurde er bei "Il Lombardia" Zweiter hinter Pogacar. Mit 3:16 Minuten Rückstand nach einem 48-Kilometer-Solo des Großmeisters der Einsamkeit.

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