Die Meldung liest sich auf den ersten Blick absurd: Ein Rentner-Ehepaar (68 und 70 Jahre) aus Niederbayern muss sich wegen Software-Piraterie vor Gericht verantworten, weil es in seinem kleinen Elektro-Geschäft gehackte Sky-Receiver verkauft haben soll. Der Pay-TV-Sender überträgt auch Live-Spiele der Bundesliga. Der Schaden für Sky: 4,4 Millionen Euro.
Doch das Schmunzeln vergeht schnell beim Blick auf die nächsten Zahlen: Nach Schätzung der nordamerikanischen Profiligen NFL (Football), NBA (Basketball) und der Kampfsportserie UFC beläuft sich der globale Verlust an Live-Sport-Einnahmen durch digitale Piraterie auf 28 Milliarden Dollar (umgerechnet 24 Milliarden Euro) jährlich.
Betroffen sind auch die Bundesliga und ihre Pay-TV-Partner Sky und DAZN. „Es ist kein Zustand, dass allein in Deutschland mehr als sechs Millionen Menschen illegale Livestreams nutzen“, beklagt DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden beträgt laut einer Studie des Verbandes „Private Medien Vaunet“ 1,8 Milliarden Euro. Den betroffenen Medien entgehen 1,1 Milliarden Euro, dem Staat 390 Millionen an Steuern und Sozialabgaben.
An jedem Bundesliga-Wochenende verzeichnet die DFL etwa 10.000 illegale Streams. Gerade bei der TV-Auslandsvermarktung seien die illegalen Angebote „das größte Wachstumshindernis und keine Petitesse. Dagegen werden wir mit internationalen Organisationen und staatlichen Institutionen noch entschlossener als bisher vorgehen“, kündigt Merkel an.
Schlag von DAZN gegen moldawische Website
Im gemeinsamen Kampf gegen die TV-Piraten konferieren die Experten von DFL, Sky und DAZN wöchentlich, arbeiten mit Strafverfolgungsbehörden wie Europol zusammen. Die DFL verdoppelt ihre Investitionen auf einen mittleren bis hohen einstelligen Millionen-Betrag pro Jahr, um kriminellen Anbieter-Netzwerken das Handwerk zu legen. Und: Die DFL ist im Rahmen eines Joint Venture am Partnerunternehmen „Ryghts“ beteiligt, das internationale Piraterie im Bereich Web (Web-Live-Streaming) und IPTV (internetbasierte TV-Bundles) bei Bundesliga-Übertragungen überwacht und verfolgt.
Anfang September gelang DAZN ein Schlag gegen die aus Moldawien betriebene Streaming-Website „Calcio.live“, die auch die Bundesliga illegal übertragen hat. Allein „Calcio.live“ verbuchte in den letzten zwölf Monaten mehr als 123 Mio. Zugriffe auf 134 Domains. Ein Teil der Schwarzseher kam aus Deutschland.
„Bei DAZN konzentrieren wir uns voll und ganz darauf, diese gravierende Bedrohung der Branche zu bekämpfen. In Italien ist es uns gelungen, Calcio.live vom Netz zu nehmen und gemeinsam mit den Behörden mehr als 2000 Nutzer zu identifizieren, die nun mit zivilrechtlichen Forderungen rechnen müssen“, erklärt DAZN-Deutschland-Chefin Alice Mascia auf Anfrage.
In Deutschland sind dagegen die rechtlichen Möglichkeiten, gegen die TV-Piraten vorzugehen – etwa durch DNS- oder IP-Blocking –, deutlich eingeschränkter als im Ausland. Denn hierzulande stehen Access-Provider nur in subsidiärer (nachrangiger) Haftung. Die meistens im Ausland ansässigen Hosting-Provider schalten hingegen selbst auf Hinweis der DFL maximal ein Prozent der 10.000 illegalen Streams ab – und das zudem so gut wie nie während der Live-Übertragungen.
„Illegales Streaming untergräbt den Wert des Live-Sports“
Leidtragende sind am Ende auch die DFL und ihre 36 Klubs, denn entsprechend weniger Geld können Sky und DAZN beim nächsten Bundesliga-Rechteverkauf bieten. Mascia: „Illegales Streaming untergräbt den Wert und die Integrität des Live-Sports, schadet Ligen, Broadcastern und Fans und gefährdet letztlich zahlreiche Arbeitsplätze, wobei Schäden in Milliardenhöhe entstehen. Und wie wir in Frankreich gesehen haben: Wenn man einen Topf bestellt, will man kein Sieb geliefert bekommen.“
Was Mascia meint: Den bis 2029 laufenden Vertrag mit der Ligue 1 ließ die Streaming-Plattform DAZN im Mai platzen, weil zu wenig gegen die TV-Piraten unternommen worden sei, die massenhaft Kunden finden. Denn die Schwarzgucker müssen nur einen kleinen dreistelligen Betrag im Jahr investieren, um mehrere Hundert Programme unverschlüsselt und aufgrund technischer Fortschritte nicht mehr als Ruckel-Bilder, sondern in HD-Qualität zu empfangen.
Doch es droht Ärger – in mehrfacher Hinsicht. Mascia: „Wer illegale Streams nutzt, setzt sich erheblichen Risiken aus – von Datenmissbrauch über Schadsoftware bis zu strafrechtlicher Verfolgung und Schadenersatzforderungen in Höhe von mehreren Tausend Euro.“
Der Leiter der DFL-Rechteschutzabteilung, Oliver Pribramsky, warnt ebenfalls: „Nach dem Besuch eines illegalen Angebotes dauert es im Durchschnitt 71 Sekunden, bis man sich den Rechner mit Viren oder Malware verseucht hat.“ Der Daten-Diebstahl durch Phishing kann teuer werden, wenn das Konto leer geräumt oder die Kreditkarte missbraucht wird.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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