Zwei Jahre ist es her, da gab er seinen Rücktritt als Trainer bekannt. Den wahren Grund seiner Demission behielt er, der jahrelang erfolgreich Eishockey gespielt und dann auch als Coach Erfolge erzielt hatte, lange für sich – und im Kreis seiner engsten Vertrauten. In einem Buch, das Mitte September erschienen ist und „Blindes Vertrauen“ heißt, hat Jeff Tomlinson nun offenbart, dass er seit einem Sehnervinfarkt – 2020 im rechten, 2021 dann im linken Auge – fast vollständig erblindet ist.
Tomlinson, der von 2000 bis 2004 für die Eisbären Berlin in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) spielte und später dort auch als Trainer arbeitete, war Coach bei den Rapperswil-Jona Lakers in der zweithöchsten Liga der Schweiz, als er seine Sehkraft fast vollständig verlor. Im Anschluss coachte er den EHC Kloten. Dort schaffte er den Aufstieg in die erste Liga, der National League. Eine Saison spielte er mit Kloten dort, dann aber machte seine Gesundheit nicht mehr mit. Tomlinson, der 2019 auch eine Nierentransplantation hatte, konnte und wollte nicht mehr.
In einem Interview mit der „Zeit“ gab der 55-Jährige nun Einblicke in sein Seelenleben – und schilderte Momente aus der Zeit, in der nur wenige wussten, wie es um seine Sehkraft steht.
„Ich hatte Angst, meinen Job zu verlieren“, sagt Tomlinson
Es sei eine unglaubliche Erleichterung, dass er sich nicht mehr jeden Morgen fragen müsse, „wie ich es wohl anstelle, nicht aufzufliegen. Wenn mir jemand etwas auf seinem Handy zeigt und sagt: ,Hey, guck mal!‘, dann sage ich nicht einfach ,Oh, schön.‘, sondern: ,Es tut mir leid, ich sehe nichts.‘ Wenn ich mit jemandem in ein Restaurant gehe, lasse ich mir die Speisekarte vorlesen und bestelle nicht einfach dasselbe wie mein Gegenüber.“
Seine beiden Assistenten, erzählt Tomlinson, hätten gewusst, wie schlimm es um ihn stehe. „Ich war komplett abhängig von ihnen. Im Training, bei den Spielen, auf den Reisen, aber auch im Privaten. Sie haben in meinem Kühlschrank kontrolliert, dass keine Joghurts schimmlig wurden; sie haben mit mir eingekauft“, erzählt der frühere deutsch-kanadische Eishockeyprofi in dem Interview.
Auf die Frage, wie er denn während der Spiele gecoacht habe, ohne zu sehen, was auf dem Eis passiert, antwortete er: „Ich habe Informationen aufs Ohr bekommen. Der Torwarttrainer oder der Sportchef saßen auf der Medientribüne und beschrieben, was auf dem Eis abging. Play by play habe ich das Spiel verfolgen können. Meine beiden Assistenten standen links und rechts von mir und haben meine Fragen beantwortet.“
Er habe Angst gehabt, seinen Job zu verlieren, berichtet Tomlinson. Deshalb habe er lange geschwiegen und nicht die Wahrheit erzählt. Zugleich habe er aber auch darunter gelitten, die Erblindung geheim zu halten.
„Stellen Sie sich vor, wir hätten schlecht gespielt. Da hätten sich die Medien auf uns gestürzt: Schaut, der blinde Coach, klar, dass das nicht geht! Ich hatte Angst, meinen Job zu verlieren, nie mehr als Trainer arbeiten zu können. Eishockey war mein Leben, seit ich vier Jahre alt war und in Winnipeg angefangen habe, Eishockey zu spielen. Die Vorstellung, ein Invalider zu sein, war einfach nur furchtbar. Es zu verheimlichen, war auch eine Frage des Überlebens“, sagte er im Gespräch mit der „Zeit“.
Etwas in seinem Leben, so Tomlinson weiter, würde er bereuen: „Ich kann nur Eishockey spielen. Da bin ich kein gutes Vorbild für junge Leute. Aber ich war als junger Mann so fixiert, hatte nichts anderes im Kopf. Wenn ich zurückkönnte, würde ich noch etwas Vernünftiges lernen.“
Offene – und teils auch sehr berührende – Worte. Wie in der Antwort auf die letzte Frage in dem Interview, was er gern sehen würde, wenn er sein Augenlicht noch einmal zurückbekäme? „Die Gesichter meiner Kinder.“
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