Vor zwei Jahren erlebt die deutsche Leichtathletik die schlechteste WM ihrer Geschichte. In Tokio läuft es diesmal deutlich besser, nicht nur dank fünf Medaillen. In einer wichtigen Statistik steht Deutschland so gut wie da lange nicht. Und die Aussichten auf mehr scheinen gut.

Zehnkampf-Weltmeister Leo Neugebauer freute sich über ein "gutes Bier", die Staffel-Frauen brachte ein Karaoke-Versprechen zum Lachen. Nach Gold und Bronze im mitreißenden Finish der WM gratulierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einer "grandiosen Leistung" und die deutsche Mannschaft freute sich zwei Jahre nach dem Tiefpunkt über ein wichtiges Signal. "Die deutsche Leichtathletik lebt, sie ist nicht tot. So wie uns viele ja totgesagt haben nach dieser Weltmeisterschaft in Budapest", sagte Staffel-Schlussläuferin Lückenkemper.

Budapest war der historische Tiefpunkt. Erstmals in der vier Jahrzehnte langen Weltmeisterschafts-Geschichte hatten deutsche Sportler keine Medaillen gewonnen. Zwei Jahre danach gab es Gold durch Zehnkampf-König Neugebauer und insgesamt fünf Medaillen. "Die Gesamttendenz ist positiv. Es rücken einige junge Leute ins Team", sagte die zweimalige Olympiasiegerin Heike Drechsler, die in der Heimat am Fernseher mitgefiebert hatte.

Nach den Olympischen Spielen in Paris mit vier Medaillen weckt die WM in Japan weiteren Mut. "Diese Weltmeisterschaft hier in Tokio hat gezeigt, was in der deutschen Leichtathletik möglich ist. Ich bin gespannt darauf, wo die Reise weiter hingeht", sagte Lückenkemper.

Leo Neugebauer ist der König der Athleten und der deutschen Leichtathletik

Der Reiseplan ist jedenfalls festgelegt. Über Olympia in Los Angeles 2028 bis zu Brisbane 2032 will der Deutsche Leichtathletik-Verband in der Nationenwertung wieder fest zu den Top 5 der Welt gehören. In diesem Klassement, in dem nicht nur die Medaillen, sondern alle Finalplätze gewertet werden, glückte das sogar auf dem geteilten Rang vier. Bei Weltmeisterschaften war der Verband zuletzt in Peking 2015 zuletzt so gut in der Länderwertung platziert. Dort findet in zwei Jahren die nächste WM statt.

Diese Momentaufnahme reicht dem DLV aber noch nicht. Längst nicht alle Pläne gingen in der japanischen Metropole auf, allen voran nicht der von Goldfavorit Julian Weber im Speerwurf. "Rückschläge sind Teil des Sports und erinnern daran, wie hart der Weg an die Weltspitze ist", sagte Leistungssport-Vorstand Jörg Bügner. In manchen erfolgreichen Disziplinen vergangener Jahre war der Verband nicht einmal vertreten - wie im Kugelstoßen der Männer im Stabhochsprung oder im Speerwurf der Frauen.

Zehnkämpfer Neugebauer ist mit 25 Jahren noch so jung, dass er eine Ära prägen kann. Olympia-Zweiter, deutscher Rekordhalter, jetzt Weltmeister. Ein Limit scheint es für den in den USA lebenden Modellathleten nicht zu geben. "Ich habe keine Ahnung, erstmal feiern", sagte "Leo the German", der mit der Familie noch ein paar Tage in Tokio bleibt. Sein aufopferungsvoller Kampf auf den letzten Schritten des 1500-Meter-Laufs begeisterte.

Mit jeweils Bronze bei der WM 2022 in Eugene, bei Olympia in Paris und eben jetzt zementierten Lückenkemper, Sina Mayer, Rebekka Haase und Sophia Junk ihre Zugehörigkeit zur Weltspitze über 4x100 Meter. Nach dem nächtlichen Empfang zusammen mit Neugebauer im Hotel freuten sie sich, dass Ersatzläuferin Jolina Ernst ihnen einen Karaoke-Song nach Wahl versprochen hatte. Die WM zeige, "dass man uns auf jeden Fall mit auf dem Zettel haben muss für zukünftige Meisterschaften", sagte Lückenkemper zur Gesamtmannschaft.

Merlin Hummel und die jungen Wilden

"Das Team ist jung und dynamisch, die Stimmung untereinander war mega-gut", sagte Kugelstoß-Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye, die sich diesmal mit Rang sechs glücklich gab. Neben Routiniers wie Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo (31) und Marathon-Held Amanal Petros (30) könnte Hammerwerfer Merlin Hummel (23) eines der Gesichter der neuen Generation werden. Alle drei gewannen im Nationalstadion Silber.

"Den deutschen Rekord hole ich mir nächstes Jahr", sagte Hummel über die Bestmarke von 1988. Das Herangehen mit hohen Zielen muss der Maßstab sein. Dazu helfen Wettkampfhärte durch ständige Vergleiche mit der internationalen Konkurrenz. "Ich würde mich freuen, wenn bei den internationalen Meetings wie etwa in der Diamond League mehr deutsche Sportlerinnen und Sportler an den Start gehen würden. Man braucht internationale Wettkämpfe, um sich mit anderen zu messen", sagte Drechsler. Wichtig sei der Blick auf die Basis, denn man brauche gute Trainerinnen und Trainer, die die jungen Menschen unterstützen und fördern.

Der Unterbau ist da. Das bewies die historisch starke U23-EM in diesem Jahr in Norwegen mit 26 Medaillen. Diese "glorreiche" EM zeige das Potenzial, sagte Mihambo. "Es geht immer um die Fragen, welche Stellschrauben muss man drehen, um erfolgreich zu sein, wie verteilt man Fördergelder am besten, wie kann man privatwirtschaftliche Unterstützung gewinnen."

Bügner wies auf richtungsweisende Zeiträume junger Menschen auf dem Weg in die Weltklasse hin. Zum einen im frühen Teenager-Alter, zum anderen von 20 bis 23 Jahren. "Da müssen wir einen Fokus hinsetzen", sagte er. "Wir müssen die Talente entdecken und für unseren Sport begeistern." Die U23-Sportler von heute werden ein Gros der Olympia-Teilnehmer für 2028 und 2032 stellen. "Natürlich wird es nicht jeder bis zur Medaille schaffen, aber es ist ein sehr guter Indikator, wenn wir im U23-Bereich erfolgreich sind", sagte Bügner.

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