Niko Springer zog die Augenbrauen hoch, als Philip Brzezinski, der Master of Cermonies, ihn am Ende eines langen Wochenendes für die Siegerehrung der Hungarian Darts Trophy ankündigte und dabei die Börse ins Hallenmikrofon schrie: „... and the Winner of 30.000 Pounds.“
30.000 Pfund, umgerechnet 34.400 Euro – so viel hatte der 25-jährige Qualifikant in seiner jungen Karriere bislang noch nie für einen Erfolg in seinem Sport erhalten. Bei seiner ersten Finalteilnahme auf der European Tour Ende Mai im niederländischen Rosmalen, hatte er 12.000 Pfund gewonnen, für die Erstrundenteilnahme bei der vergangenen WM im Dezember 2024 gab es 7500.
Nun also der erste große Triumph, verbunden mit dem ersten großen Zahltag, und die Professional Darts Corporation (PDC) sollte im Fall Springers besser penibel darauf achten, das Preisgeld auch fristgemäß und korrekt zu überweisen. Bis zum 30. Juni 2025 war der Rheinhesse als Kostenbeamter beim Landgericht Wiesbaden angestellt und damit für den rechtzeitigen, richtigen und vollständigen Ansatz der Kosten in gerichtlichen Verfahren verantwortlich. Da Springer aber auch am Dartboard immer besser vollstreckte, gab er seinen Beruf in diesem Sommer zugunsten einer Karriere im Profisport auf und folgte bei seinem wohlüberlegten Wechsel ganz seinem Motto: step by step.
Niko Springer und der falsche Pokal
Eine Laufbahn auf der Profitour hatten ihm viele schon in den vergangenen Jahren zugetraut. Konstante Erfolge auf der Development Tour, der Nachwuchsserie der PDC, ließen erahnen, dass Springer das Potenzial für mehr in sich trägt. Doch der „Meenzer Bub“ aus Siefersheim beharrte darauf, zunächst seine Ausbildung im mittleren Dienst als Justizfachwirt abzuschließen und blieb fünf Jahre im Juniorenbereich.
Entgegen öffentlicher Forderungen verzichtete er bei der Q-School konsequent auf den möglichen Sprung auf die Profitour. „Ich habe darauf geschissen und mein Ding gemacht“, erzählte Springer im Podcast „Tops Tops Tops“: „Schule und Ausbildung waren mir wichtiger.“
Er zog den Schritt erst für 2025 ins Visier und ersparte sich letztlich sogar das schwierige Qualifikationsturnier. Als Zweiter der Development Tour löste Springer vor einem Jahr vorzeitig sein Ticket auf den Proficircuit. Die erste Konsequenz: Er reduzierte seine Arbeitszeit am Landgericht auf 40 Prozent. Springer wollte sich das Leben auf der Tour erst einmal anschauen, sich reinfühlen und sicherheitshalber mit einem Bein in der alten Arbeitswelt bleiben. Er folgte damit einmal mehr seinem Naturell, blieb sich treu.
Springer ist kein Mann der lauten Töne. So imposant seine Erscheinung mit knapp zwei Metern Körpergröße auch ist, so ruhig, bedächtig und analytisch bewegt er sich am und abseits des Boards. Wer ihn im am Sonntagabend im Siegerinterview sah, erlebte einen überglücklichen, aber angesichts des erreichten Meilensteins ungewöhnlich reservierten Profi. Dass der ungarische Funktionär bei der Pokalübergabe fälschlicherweise auf ihn zuschritt, als es den zweitplatzierten Danny Noppert zu ehren galt, war eine lustige Pointe, aber eben auch der Tatsache geschuldet, dass Springer auf die typischen Jubelgesten verzichtet hatte.
„Wir werden vielleicht nie wieder so einen Lauf auf der European Tour erleben“, orakelte Kommentator Dan Dawson und fügte mit Blick auf Springers Habitus und Leistung augenzwinkernd an: „Eine ernste Sache, ein ernstes Gesicht, ein ernsthafter Dartspieler.“
Verletzung zerstört Springers Traum
Eine Karriere im Sport hatte er schon als Jugendlicher angestrebt. Der glühende Fan von Mainz 05 wollte es im Fußball weit bringen, musste sich nach einer Verletzung aber bereits als 15-Jähriger von seinem Traum verabschieden. Der Dartsport half, die Enttäuschung zu verarbeiten und seinen Ehrgeiz und seine Zielstrebigkeit neu zu kanalisieren.
Sein Nachbar nahm ihn mit in einen Dartsverein, wo er in Michael Gschwindt schnell einen Förderer fand. Um gemeinsam auf Turniere fahren zu können, musste Springer von seinen Eltern häufiger einen „Mutti-Zettel“ ausfüllen lassen, der Gschwindt die Verantwortung für den Minderjährigen übertrug. Der Entdecker ist bis heute sein Manager.
Gemeinsam mit seinem Team und seiner Familie – Freundin Laura begleitet ihn bei vielen Turnieren – fällte er im Sommer die Entscheidung, die Doppelbelastung als Teilzeitbeamter am Landgericht und semiprofessioneller Dartspieler früher als geplant zu beenden.
Oftmals war er erst spät in der Nacht von den mehrheitlich in England stattfindenden Turnieren zurückgekehrt, um dann nach zwei bis drei Stunden Schlaf am Morgen wieder pünktlich am Schreibtisch zu sitzen. Er kam der Arbeit und seinem eigenen Anspruch nicht mehr nach und zog die Konsequenz. Mit dem Austritt aus dem öffentlichen Dienst Ende Juni hat auch Springer selbst gezeigt, dass er sich nach den ersten Eindrücken auf der Tour die große Karriere zutraut.
Denn nicht erst seit dem jüngsten Erfolg stellt sich die Frage, wie weit es für Springer im Dartsport gehen kann. „Er ist einer der besten Scorer auf der Tour“, lobte der Weltranglistenerste Luke Humphries am Sonntag, eher er genau das in einem hochklassigen wie mitreißenden Match hautnah erlebte und 4:6 gegen den Deutschen unterlag.
Der „Meenzer Bub“ hat in seinen ersten acht Monaten auf der Profitour mehr erreicht als jeder andere Deutsche zu Beginn seiner Laufbahn vor ihm. In der auf der Ergebnisse der vergangenen zwei Jahre errechneten Weltrangliste steht er auf Platz 66. Streicht man die vor seinem Debüt auf der Tour erreichten Ergebnisse der anderen, ist die deutsche Nummer vier bereits auf Rang 29. – obwohl er auf der European Tour jedes Mal durch die Qualifikation musste, um überhaupt dabei zu sein und große Turniere wie das World Matchplay mangels Ergebnissen aus 2024 verpasste. Das wird sich nun ändern.
Springers herausragende Bilanz
Der Triumph von Budapest, nach Max Hopp, Ricardo Pietreczko und dreimal Martin Schindler der sechste deutsche in der Geschichte der European Tour, bedeutet für Springer einen Karriere-Turbo, der ihm zahlreiche Türen öffnet.
Ziemlich sicher wird er am 6. Oktober nun sogar zum elitären 32er-Starterfeld beim World Grand Prix gehören. Allein die Qualifikation wird mit 7500 Pfund belohnt. Auch den Grand Slam Anfang November (mindestens 5000 Pfund) hat er mit seinem Erfolg wie auch die Teilnahme an der European Darts Championship (7500 Pfund) Ende Oktober in Dortmund – als Qualifikant – perfekt gemacht. Für die Weltmeisterschaft ab dem 11. Dezember in London (15.000 Pfund) war er bereits sicher qualifiziert, und auch bei den Players Championship Finals (3000 Pfund) Ende November wäre er nach aktuellem Stand dabei.
Viel Preisgeld, das die Kasse füllt und ihn schon in seinem ersten Profijahr weiter die Ranglisten hinaufklettern lässt. Um die Tour-Karte zu verteidigen, muss er nach zwei Jahren unter den Top 64 stehen. Dort wird er bereits vor Abschluss seines ersten Jahres angekommen sein. Beeindruckende Werte, die auf konstant starken Leistungen basieren. In den bislang zehn Matches gegen die acht Premier-League-Spieler hat er eine Bilanz von 6:4. Am Wochenende schlug er mit Humphries und Rob Cross gleich zwei von ihnen, dazu bezwang er die aufstrebenden Talente Gian van Veen aus den Niederlanden und den derzeit groß aufspielenden Nordiren Josh Rock.
Auf der European Tour geht es am kommenden Wochenende in Basel weiter. Springer ist qualifiziert, wird allerdings beim Tour-Abschluss am dritten Oktoberwochenende in Hildesheim fehlen. Zumindest auf der Bühne. Mit dabei am 17. Oktober ist dann erstmals auf der European Tour Felix Springer, Nikos jüngerer Bruder.
Dem 19-Jährigen wird ebenfalls eine Profikarriere prophezeit. Felix jedoch will zunächst seine Ausbildung absolvieren – als Justizfachwirt. Er wolle Schritt für Schritt gehen ...
Wenn Lutz Wöckener nicht gerade irgendeinen Sport im Selbstversuch ausprobiert, schreibt er über Darts und Sportpolitik, manchmal aber auch Abseitiges wie Fußball.
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