In dieser Saison ist der Fußball-Experte Dietmar Hamann bei Kritik an Transfers und ihren Begleitumständen bisher vornehmlich dadurch aufgefallen, sich die Zugänge oder verfehlten Absichten des FC Bayern vorzuknöpfen. Nun aber hat er auch an einem Einkauf des großen Ligarivalen Borussia Dortmund Anstoß genommen: den von Jobe Bellingham. Der war im Sommer für 30,5 Millionen Euro vom AFC Sunderland zum BVB gekommen. Es war der Dortmunder Königstransfer, nach Ansicht von Hamann aber zu einem überhöhten Preis.
„Ich habe mit Leuten in Großbritannien gesprochen, und die meinten, Dortmund hätte viel zu viel Geld für ihn bezahlt“, erzählte Hamann, der in England einst für den FC Liverpool und Manchester City spielte, im Interview mit dem Internetportal „CoinPoker“. Ob der Offensivspieler die Summe tatsächlich wert sei, werde „natürlich die Zeit zeigen“, sagte Hamann, „aber im Moment hat er es wirklich schwer. Wir sollten aber nicht vergessen, dass er erst 19 Jahre alt ist“.
Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl hatte selbst skizziert, dass der Markt überhitzt sei und die Engländer aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten „schmerzbefreit sind“, was die Verpflichtung des jungen Bellingham erschwert haben könnte. Zudem trieb Ligakonkurrent Eintracht Frankfurt im Poker die Ablöse nach oben, indem die Bosse Bellingham einfliegen ließen. Für Jobe Bellingham wird zudem zum Problem, dass er stets auch an seinem älteren Bruder Jude (22) gemessen wird, einst auch Spieler des BVB und seit Sommer 2023 Star des Ensembles von Real Madrid.
„Die Leute vergleichen ihn mit seinem Bruder“, skizzierte Hammann, „die Erwartungen sind hoch, sehr hoch, wahrscheinlich zu hoch. Im Moment versucht er es wahrscheinlich etwas zu sehr mit der Brechstange.“
Bellinghams Hypothek beim BVB durch den Katakomben-Krach
Jude Bellingham kam in seinen ersten beiden Spielen 2020/21 im Alter von 18 Jahren auf 126 Einsatzminuten, drei Torschussbeteiligungen und eine Vorlage für die Borussen. Er lief 31,8 km/h und sprintete mehr als doppelt so oft (26-mal). Bei Pässen (85,2 Prozent) und Zweikämpfen (52,8 Prozent) schnitt er damals dagegen schlechter als sein Bruder ab.
Jobe Bellingham traf prompt im ersten Startelf-Spiel bei der Klub-WM gegen die Mamelodi Sundowns (4:3), blieb beim Ligastart aber weit hinter den Erwartungen zurück. Offensiv fand er noch gar nicht statt: Er war in 116 Minuten an keinem Torschuss beteiligt, lief nie schneller als 28,7 km/h und zog nur zwölf Sprints an – das sind unterdurchschnittliche Werte.
Aber: Mit seiner Passquote (90,3 Prozent angekommen) und seiner Zweikampfbilanz (62,5 Prozent gewonnen) ist er deutlich besser als die anderen Dortmunder Zentrumsspieler. Neue Hoffnung macht zudem: Bellingham traf als englischer U21-Kapitän diese Woche per Kopf beim 2:0 in Kasachstan.
Dennoch geht er fürs Erste mit einer Hypothek in die weitere Saison. Nach dem 3:3 beim Bundesliga-Auftakt auf St. Pauli hatte Vater Mark die Innenräume gestürmt und gegenüber Sportdirektor Kehl die frühe Auswechselung seines Sohnes kritisiert. Nach Informationen der „Bild“ ist das Thema zwar ausgestanden, auch weil Bellingham Senior sich bei Kehl entschuldigt haben und versprochen haben soll, dass ein solches Verhalten nicht mehr vorkommen werde. Aber: Der Vorfall dürfte Bellingham unter zusätzlichen Leistungsdruck gesetzt haben.
Dortmunds Trainer Niko Trainer Niko Kovac misst jedoch äußeren Einflüsse wie den Katakomben-Knall nicht übermäßig Bedeutung bei. Er weiß, dass Bellingham noch Abläufe und Positionierung verbessern muss, will ihm dazu weiter Spielpraxis geben. Die BVB-Führung schätzt seine Qualitäten als Balleroberer, Pressing-Spieler und Anführer, belastete ihn aber bewusst nicht mit einem Amt im Mannschaftsrat. Bellingham bekommt Zeit, darf Fehler machen.
Mit Bellingham, Marcel Sabitzer, Felix Nmecha, Pascal Groß, Julan Brandt, Carney Chukwuemeka, Salih Özcan und Maximilian Beier kämpfen acht Stars um maximal vier Mittelfeld-Positionen. Laut Bericht der „Bild“ sei „zuletzt auch über Bellinghams Positionswechsel diskutiert worden. Seine Stärken kann er als Achter und Sechser besser ausspielen als in der Rolle als Spielmacher“.
Der BVB muss am Samstag (15.30 Uhr, im Sport-Ticker der WELT) beim in dieser Saison mit zwei Niederlagen gestarteten 1. FC Heidenheim antreten. Dortmund hat seinen Lauf aus der vergangenen Spielzeit mit in die aktuelle genommen und ist saisonübergreifend seit zehn Spielen ungeschlagen. In diesem Zeitraum gab es acht Siege und zwei Remis.
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