In Köln war es Samstagnachmittag sonnig. Und sehr grün. Am Rhein und durch die Innenstadt liefen zahlreiche Fußball-Fans in den Trikots der nordirischen Nationalmannschaft. Die Vorfreude auf das WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland am Sonntag (20.45 Uhr, RTL) ist unter den angereisten Anhängern groß. Sie wittern nach dem überraschenden 0:2 der Deutschen gegen die Slowakei am vergangenen Donnerstag eine Chance.
Nordirlands Trainer Michael O'Neill hält Deutschland zwar auch nach dem Fehlstart in die WM-Qualifikation für eine „Supermacht im Weltfußball“. Und doch glaubt der Coach des Außenseiters an den großen Wurf seiner jungen Mannschaft.
„Es ist nicht unmöglich. Wir sind eine kleine Nation, aber die Geschichte lehrt uns, dass es möglich ist“, sagte der 56-Jährige Samstagnachmittag auf der Pressekonferenz im Kölner Stadion. Man müssen den Spielern den Traum vom Sieg schmackhaft machen. O'Neill erinnerte auch an den bislang letzten Sieg Nordirlands gegen die Deutschen 1983 durch ein Tor von Norman Whiteside in Hamburg.
Nordirland will die Krise Deutschlands nutzen
In der Gruppe A der Qualifikation für die WM 2026 sind die Nordiren mit einem 3:1 in Luxemburg gestartet. O'Neill spekuliert weiter auf Platz zwei, der die Teilnahme an den Playoffs ermöglichen würde. Die Nordiren hatten letztmals 1986 an einer WM teilgenommen, bei der EM waren sie 2016 in Frankreich dabei und verloren im Gruppenspiel 0:1 gegen Deutschland.
Die in Deutschland ausgebrochene Diskussion um die Nationalmannschaft und Bundestrainer Julian Nagelsmann verfolge er mit Erstaunen. „Eine Krise in Deutschland ist etwas anderes als eine Krise in Nordirland“, sagte O'Neill.
Auch Julian Nagelsmann hielt Samstagnachmittag eine Pressekonferenz im Stadion ab und ließ seine Mannschaft danach in der Arena trainieren. Der Bundestrainer berichtete, dass er seit der Niederlage in der Slowakei viele Gespräche mit seinen Spielern und im Trainerteam geführt habe. „Die Mannschaft hat auch untereinander Dinge geklärt“, so Nagelsmann.
Neben ihm auf dem Podium saß Torwart Oliver Baumann. Dieser sagte auf die Frage, was besser werden muss: „Es geht um die Basics, sie mehr in den Fokus zu rücken. Energie, Leidenschaft, Zweikampfverhalten, zweite Bälle gewinnen. Die spielerischen Elemente werden von allein kommen.“
Nagelsmann verriet, dass er personelle Änderungen vornehmen werde. Welche, sagte er nicht. Nur so viel: „Wir werden inhaltlich keine komplett veränderte Mannschaft sehen. Nicht alle zehn Spieler werden rausrotieren. Wir werden personell ein bisschen was machen.“
Es gehe auch darum, dass die Spieler ihren Nebenmann „anzünden“ – und um Kommunikation. Er erwartet einen emotional spielenden Gegner. „Es kann sein, dass gegen Nordirland Spieler spielen, die bei der WM nicht von Beginn an spielen“, so Nagelsmann. Er habe generell mehr als zehn Spieler im Kader, denen er Vertrauen schenke. „Es waren Spieler auf dem Feld, die gegen die Slowakei passend waren, es Sonntag aber nicht sind.“ Das sei keine Kritik an den Spielern. Man brauche einfach Spieler, die zur Situation passen.
Die Kritik an ihm war in den vergangenen Tagen hart. Ein britischer Reporter fragte Nagelsmann auch deshalb Samstag: Haben Sie Angst, Ihren Job zu verlieren, wenn Sie gegen Nordirland erneut verlieren? „Angst zu haben ist nie gut“, antwortete Nagelsmann. „Ich bin mutig genug und will immer noch jedes Spiel gewinnen. Wir werden unser Bestes geben. Die Mannschaft ist wichtig. Nicht ich. Deswegen habe ich keine Angst. Und ich denke, wir werden ein besseres Spiel machen als das letzte.“ Es sei ein wichtiges Spiel.
„Ich bin ein Trainer, der für gewisse Dinge steht“
Er habe zuletzt nicht alles in den Medien gelesen, sagte Nagelsmann. Aber er könne sich vorstellen, was los ist. „Ich komme damit gut klar. Das ist ganz normal.“ Seine Mannschaft habe gegen die Slowakei eben sehr schlecht gespielt, da müsse man sich Kritik gefallen lassen. Er werde aber nicht alles ändern. „Ich bin ein Trainer, der für gewisse Dinge steht.“ Das bleibe so, er werde und könne die nicht ändern. Sonst wäre er ja der Trainer des Journalisten-Teams, so der Bundestrainer augenzwinkernd.
Er glaube schon, dass die zuletzt angesprochenen Punkte bei seinen Spielern abgekommen sind. „Man hat schon nach dem Spiel in der Kabine gemerkt, wie es jeden getroffen hat“, sagte Torwart Baumann zu dem 0:2 in der Slowakei. „Es hat uns sehr getroffen. Jeder war sehr frustriert und sauer. Der Blick muss jetzt nach vorn gehen. Der Fokus muss auf Nordirland und unsere Leistung gelegt werden.“
Nagelsmann sieht als einen Hauptgrund für die Niederlage in Bratislava die fehlende Aggressivität im Spiel nach vorn, im eigenen Ballbesitz. Da habe sich die Mannschaft zu wenig Power geholt für ihr Spiel. „Es wirkte wie ein Ballbesitzspiel ohne Tore“, so Nagelsmann.
Nach dem Fehlstart seiner Auswahl in die WM-Qualifikation ist die zweite Partie bislang nicht ausverkauft. Wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Samstagvormittag mitteilte, wurden bislang 40.000 Eintrittskarten abgesetzt. 5.000 Tickets waren noch verfügbar.
Vor dem Spiel in Köln ehrt der DFB Weltmeister Mats Hummels für seine Länderspielkarriere. Nach der Partie wird Florian Wirtz für seinen Sieg bei der Journalisten-Wahl zum Fußballer des Jahres ausgezeichnet.
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen. Und wird beim Spiel Deutschland gegen Nordirland in Köln am Sonntagabend im Stadion sein.
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