Lukas Kwasniok hat sich seinen Traum erfüllt – er hat es geschafft, Bundesligatrainer zu werden. Durch den guten Start des 1. FC Köln mit zwei Siegen steht er im Blickpunkt – vor allem aber auch, weil er sich von vielen etablierten Trainern unterscheidet. Das hat nicht nur mit seiner Kleiderwahl zu tun.
WELT AM SONNTAG: Sie sind mit dem 1. FC mit zwei Siegen in die neue Bundesligasaison gestartet. Genießen Sie Ihr Leben in vollen Zügen?
Lukas Kwasniok: Ich schnaufe ein wenig durch. Wir haben den Spielern in der Länderspielpause drei Tage freigegeben. Das hilft, etwas Frische hereinzubekommen. Aber wir stehen ja auch noch ganz am Anfang der Saison, unsere Akkus sind noch voll.
WAMS: Jetzt sind Sie der Frage, was dieser gute Start in Ihnen auslöst, aber ausgewichen.
Kwasniok: (lacht) Meine Laune – und die im ganzen Verein – ist natürlich besser, als wenn du die Spiele verloren hättest. Aber wir klopfen uns nicht gegenseitig auf die Schultern, sondern arbeiten weiter. Wir machen uns viele Gedanken, lassen die Erkenntnisse der ersten Spiele sacken und überlegen, wie wir weiterhin eine gute Mischung finden können. Natürlich kommen wir auch ein wenig zur Ruhe, aber von Montag an sind wir wieder voll fokussiert auf unser Auswärtsspiel in Wolfsburg. Genießen können wir vielleicht ein wenig in der Winterpause. Vorausgesetzt, wir haben bis dahin weiter gut gearbeitet.
WAMS: Die Fans sind durch die Auftaktsiege euphorisiert.
Kwasniok: Das wollen wir ja auch, denn davon können wir profitieren. Gerade bei den Heimspielen wollen wir die Energie nutzen, die entstehen kann, wenn wir 50.000 Fans im Rücken haben. Zu unseren Auswärtsspielen kommen auch immer sehr viele Fans, das fühlt sich dann auch wie ein Heimspiel an. Wir wollen daraus ein Zusammenspiel werden lassen zwischen der Mannschaft und den Fans. Wenn wir gute Leistungen bringen, kann ein gemeinsamer Glaube an die eigene Stärke entstehen. Der kann sich wie ein Virus ausbreiten, alle erfassen und uns gemeinsam noch stärker machen. Aber das kannst du nicht herbeireden, du kannst nur darauf hinarbeiten. Doch bitte: Wir haben gerade mal zwei Spiele gewonnen.
WAMS: Einige Fans singen schon vom Europapokal. Macht Ihnen das Angst?
Kwasniok: Man darf nicht immer alles auf die Goldwaage legen. Die Kölner singen gern, aber sie lachen auch gern und bringen dabei eine gehörige Portion Selbstironie zum Ausdruck. Hier genießt man den Moment, aber niemand wird sich darauf ausruhen. Ich sehe jetzt meine Ausgabe auch nicht darin, mit dem erhobenen Zeigefinger durch Köln zu laufen. Lassen wir die Menschen doch feiern, wenn wir gewinnen. Wichtig ist, dass wir das richtig einordnen. Und das tun wir. Es kann auch schnell wieder in die andere Richtung gehen.
WAMS: Sie haben mal gesagt, Sie handeln nach dem Motto „Leading by Walking around“ – „Führen durch Herumlaufen“. Was ist darunter zu verstehen?
Kwasniok: Wenn man nach dem Training zu den Fans geht und Autogramme schreibt, dann kann man einfach unterschreiben und weitergehen. Ich brauche aber immer viel Zeit, bis ich wieder in der Kabine bin, weil ich es genieße, ein bisschen Small Talk zu machen. Es macht mir Spaß, auch mit den Mitarbeitern des Vereins zu reden. Weil ich es wichtig finde, sich Zeit füreinander zu nehmen. Das habe ich immer so gehandhabt. Es ist wichtig, sich Wertschätzung entgegenzubringen. Ich mag es nicht, wenn die Menschen das Gefühl haben, ich arbeite hier einfach nur einen Job ab. Ich möchte, dass sie spüren, dass ich es gern mache.
WAMS: Sie waren mit den Leistungen aus den ersten beiden Spielen nicht uneingeschränkt zufrieden. Warum nicht?
Kwasniok: Was mir richtig gut gefallen hat, war, dass wir als Team aufgetreten sind. Und das ist das, was eingefordert worden ist – von den Verantwortlichen, von Fans, von mir. Eines können die Menschen immer von uns immer verlangen: dass wir leidenschaftlich verteidigen. Wir haben in Mainz wenig zugelassen, wir haben gegen Freiburg wenig zugelassen. Was aber noch nicht so flüssig war: Wenn wir die Möglichkeit hatten, ins letzte Drittel zu kommen, haben wir uns schwergetan. Das hat erst funktioniert, nachdem es einen Platzverweis gegen die Mainzer gegeben und es gegen Freiburg 3:0 gestanden hat.
WAMS: Nach dem Ende der vergangenen Saison hatten Sie mehrere Angebote. Sie haben gesagt, sie hätten sich aus einem Impuls heraus für den 1. FC Köln entschieden. War es aber nicht auch wichtig, dass der Verein bereit war, in die Mannschaft zu investieren?
Kwasniok: In den Verhandlungen wurde relativ schnell deutlich, dass es ein, zwei Abgänge geben wird – und dass das Geld, das so hereinkommt, in neue Spieler investiert werden soll. Das war für mich schon ein wichtiger Teilaspekt in der Entscheidungsfindung. Denn durch die Transfersperre ...
WAMS: ... der FC durfte im Winter 2023/24 und im Sommer 2024 keine neuen Spieler unter Vertrag nehmen ...
Kwasniok: ... fehlte ein wenig frisches Blut. Durch den Aufstieg war es dann möglich, Veränderungen vorzunehmen. Die waren auch wichtig. Unser Ansatz war es, die Quantität zu reduzieren und die Qualität zu erhöhen. Wir haben aktuell 22 Spieler, das ist eine ganz gute Zahl. Es ist ja so: Etwa 16 bis 18 Feldspieler kommen über eine Saison auf relativ viel Einsatzzeit. Wenn du die hast, gibt es einen guten Konkurrenzkampf. Die, die neu gekommen sind, drängen in die Mannschaft – die, die schon länger hier sind, wollen ihre Plätze behaupten. Doch weil alle eine reelle Chance haben, regelmäßig zu spielen, freuen sie sich auch miteinander über Erfolge. Und das ist ja gerade in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit mehr.
WAMS: Warum nicht?
Kwasniok: Weil einzelne Spieler heute viel stärker bewertet werden. Da fällen die Medien ein Urteil, da sagt der Berater etwas. Das kann dann dazu führen, dass der eine oder andere vergisst, dass Fußball ein Mannschaftssport ist. Und dazu gehört es eben auch, mal nicht zu spielen. Dann solltest du trotzdem sagen: „Okay, diesmal war ich nicht erste Wahl, aber mein Kollege hat es super gemacht. Ich freue mich mit ihm – und werde trotzdem versuchen, ihn in der nächsten Woche im Training herauszufordern, um selbst wieder zu spielen.“ So sollte das sein.
WAMS: Sie hatten Marius Bülter, der das Siegtor in Mainz geschossen hatte, vor dem Spiel gegen Freiburg gesagt, dass Sie überlegen, ihn nicht aufzustellen. Wollten Sie ihn kitzeln?
Kwasniok: Ich habe die Verantwortung für die Mannschaft. Und wenn ich einen Spieler auf den Platz schicke, dann kann ich das nur tun, wenn ich das Gefühl habe: Okay, der kann bestmöglich performen. Wenn ich aber das Gefühl habe, er ist nicht so frisch, vielleicht angeschlagen – dann kann ich ihn nicht einfach aufstellen, nur weil die Erwartungshaltung vielleicht so ist. Und das habe ich Marius dann auch gesagt. Er hat das verstanden.
WAMS: Sie haben ihn dann aber doch spielen lassen – und Bülter hat ein Tor gemacht und ein weiteres vorbereitet.
Kwasniok: Gott sei Dank, ich klopfe auf Holz. Ich hoffe, dass ich auch in Zukunft dieses Gespür haben werde, eine richtige Entscheidung zu treffen.
WAMS: Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil der Trainerarbeit. Für Sie vielleicht ein noch wichtigerer?
Kwasniok: Ja. Ich würde mich aktuell schwertun, beispielsweise in England zu arbeiten. Mein Englisch ist nicht gut genug. Da hätte ich die Befürchtung, dass mir etwas fehlen würde. Die Sprache kann sehr mächtig sein. Genauso wie Bilder sehr mächtig sein können.
WAMS: Dass Sie bei den Spielen im FC-Spielertrikot gecoacht haben, hat für viel Aufsehen gesorgt. Waren Sie sich dessen bewusst, als Sie sich dazu entschieden haben?
Kwasniok: Nein. Es sollte in allererster Linie ein Zeichen an die Mannschaft sein. Als das Trikot bei einem Sponsorenabend vorgestellt wurde, dieses rot-weiß gestreifte Trikot, da wurde ich sehr emotional. Da hatte ich die Überlegung, das beim ersten Bundesligaspiel anzuziehen. Vor allem, um den Jungs zu zeigen: Hey, es ist Matchday – und ich bin einer von euch. Natürlich kann ich nicht dasselbe Trikot tragen wie die Jungs. Deshalb habe ich gegen Freiburg das schwarze getragen. Doch dass es solche Wellen schlägt – daran merkt man halt, dass man in Köln ist. Denn ich bin ja nicht der erste Trainer, der das gemacht hat. Ich wollte nur diesen Stolz ausdrücken, den ich empfinde, Trainer des 1. FC Köln zu sein. Dann hat sich das Ganze ein bisschen verselbstständigt – und jetzt komme ich aus der Nummer nicht mehr raus. Jetzt muss ich die Trikots tragen, bis sie kaputtgehen. (lacht)
WAMS: Wenn Ihnen ein konservativer Mensch sagen würde „So sollte sich ein Bundesligatrainer aber nicht aufführen“ – könnten Sie das nachvollziehen?
Kwasniok: Es würde mich nicht interessieren. Es wird immer Menschen geben, die das, was du machst, nicht gut finden. Doch alles, was ich tue, ist einzig und allein dem Ziel untergeordnet, mit der Mannschaft für den Verein erfolgreich zu sein. Und wenn ich das Gefühl habe: Das ist das Richtige, dann mache ich es auch. Egal, was andere denken.
WAMS: Manche Trainer glauben, sie müssten sich in bestimmten Situationen auch mal verstellen.
Kwasniok: Ich muss authentisch sein, das geht auch gar nicht anders – selbst wenn nicht alles, was ich sage oder mache, so im Knigge für Fußballtrainer steht. Auch wenn ich mir damit mal den Mund verbrennen sollte. Das passiert. Wenn ich nicht mehr so sein kann, wie ich bin – in diesem Moment werde ich dieses Business verlassen. Wenn ich mich nur noch so verhalten müsste, wie andere mich haben wollen, dann hätte es keinen Sinn mehr.
WAMS: Im Zweifel also mit dem Kopf durch die Wand?
Kwasniok: Das habe ich nicht gesagt. Natürlich agiere ich immer ein wenig angepasst an die Situation, das ist doch klar. Es braucht auch eine gewisse Flexibilität. Ich möchte ein wertetreues Chamäleon sein: Die Situation so annehmen, wie man es tun muss – ohne aber die eigenen Werte dabei zu verkaufen. Das versuche ich genau so zu leben. Und das kann ich, deshalb bin ich glücklich. Das war schon immer so.
WAMS: Sie haben schon früh als Trainer gearbeitet. 2007 wurden Sie Cheftrainer beim sächsischen Landesligisten OSV Rastatt, da waren Sie 27. Haben Sie sich seither wesentlich verändert?
Kwasniok: Ich hoffe stark, dass ich mich als Trainer weiterentwickelt habe, mich verbessert habe. Aber ich hoffe auch, dass ich mich als Mensch nicht verändert habe.
WAMS: Welche Vision haben Sie für den 1. FC Köln?
Kwasniok: Ich würde gern jeden Verein, bei dem ich arbeite, mit einem Punkteschnitt von 1,5 pro Spiel verlassen. Die Klubs, bei denen ich bisher gearbeitet habe, sind immer Underdogs gewesen: Jena in der Regionalliga und in der Dritten Liga, Saarbrücken nach unserem Aufstieg in der Dritten Liga und auch in Paderborn in der Zweiten Liga. Das will ich hier mit dem 1. FC Köln auch schaffen. Aber bitte nicht missverstehen: Ich möchte einen Schnitt von 1,5 Punkten in meiner gesamten Vertragslaufzeit anstreben. Das ist nicht die Zielsetzung für diese Saison.
WAMS: Mit diesem Punkteschnitt könnte es sogar mit einer Qualifikation für den Europapokal klappen. Dann müssten Sie an der Seitenauslinie Anzug tragen.
Kwasniok: (lacht schallend) Vielleicht kann man ja ein Sakko übers Trikot ziehen.
WAMS: Ob die Uefa das durchgehen lassen würde?
Kwasniok: (lacht immer noch) Lassen Sie uns darüber doch vielleicht besser zu einem späteren Zeitpunkt sprechen.
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