Bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gibt es in der Kimmich-Frage wieder eine Wendung. Warum der Bundestrainer sich nicht selbst widerspricht, erklärt er im RTL-Interview.
Bei manchen Themen muss man als Bundestrainer genau aufpassen, was man sagt. Denn vor drei Monaten schien die Lage noch klar: Der Platz von Kapitän Joshua Kimmich befindet sich in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auf der Rechtsverteidigerposition - und nicht im Mittelfeldzentrum. "Generell haben wir auf der Sechs in Deutschland weniger Probleme als rechts hinten. Es gibt keinen besseren Rechtsverteidiger als Joshua Kimmich in Deutschland. Wenn sich der noch findet, sind wir bereit über Dinge nachzudenken, aber den haben wir nicht, das ist Fakt", sagte Julian Nagelsmann Anfang Juni am RTL-Mikrofon.
Die Frage, wo Kimmich spielt, begleitet den 30-Jährigen seit jeher im DFB-Team. Ihn verfolgt das Philipp-Lahm-Problem: Beide sind (oder waren, im Fall von Lahm) auf ihren Positionen Weltklasse. Das stellt die jeweiligen Bundestrainer vor die Wahl: Wo sollen sie denn nun spielen? Es hilft dabei nicht, dass es im Land der 83,5 Millionen Bundestrainerinnen und Bundestrainer mindestens genauso viele Meinungen gibt.
Viele Talente, kaum Rechtsverteidiger
Nach einer anfänglichen Experimentierphase hat sich Nagelsmann im Winter 2024 festgelegt: Kimmich gehört auf die Rechtsverteidigerposition. Das hatte ganz praktische Gründe. Mit der Rückkehr von Mittelfeldregisseur Toni Kroos war im Zentrum kein Platz mehr. Zudem produziert das Fußballland Deutschland zwar eine Menge Talente, aber kaum begeisternde Rechtsverteidiger. Die Schlussfolgerung: Seit der Vorbereitung zur Heim-EM spielt Kapitän Kimmich hinten rechts - und zeigte, dass man das Spiel auch von dort entscheidend beeinflussen kann.
Bis jetzt eben. Nagelsmann kündigte aus dem Nichts die Umstellung an: Kimmich wandert für die WM-Saison doch ins Zentrum. Aber halt! Hatte Nagelsmann diese Idee im Juni nicht selbst noch abgeschmettert? Ist ihm auf wundersame Weise ein besserer Rechtsverteidiger erschienen? Konnte Nagelsmann vielleicht sogar Lahm überzeugen, sich noch einmal das DFB-Trikot überzustreifen? Aber im Ernst: Ist das nicht ein gewaltiger Widerspruch?
Nicht unbedingt. Nagelsmann erklärte den Sinneswandel vor dem WM-Qualispiel gegen die Slowakei (20.45 Uhr/ARD und im Liveticker bei ntv.de) exklusiv am RTL-Mikrofon. "In der Interpretation, wie wir es auch in der Nations League hatten, war Joshua außergewöhnlich gut und da halte ich auch daran fest, dass er der Beste ist", sagte Nagelsmann. "Aber wenn du die Position ein bisschen anders interpretierst, was wir jetzt machen, dann gibt es auch andere Kandidaten, die das gut spielen können."
Denn es ist so: Der Bundestrainer hatte sich nach dem enttäuschenden Nations-League-Endspurt samt Pleiten gegen Portugal (1:2) und Frankreich (0:2) mit seinem Trainerteam auf eine Hütte im Allgäu zurückgezogen. Dort, das erklärte er vergangene Woche, habe man das kleine Turnier noch einmal genaustens analysiert. Unter anderem sei dabei aufgefallen, dass die DFB-Elf zu viele Großchancen zulasse. Die Außenverteidiger spielten im Nagelsmann-System immer eine sehr offensive Rolle, davon hatte auch Kimmich profitiert.
Für die WM-Saison will der Bundestrainer das ändern. Die Außenverteidiger werden künftig defensiver spielen. Nagelsmann erinnerte an den WM-Titel 2014. Im Auftaktspiel bestand die Viererkette des DFB-Teams aus vier Innenverteidigern: Jerome Boateng, Per Mertesacker, Mats Hummels und Benedikt Höwedes. Bundestrainer Joachim Löw glich so den chronischen deutschen Außenverteidiger-Mangel aus.
Kimmich ist "geteilter Meinung"
Ob das für das aktuelle DFB-Team der Königsweg ist, ließ Nagelsmann offen. Mit Nnamdi Collins hat er einen jungen Außenverteidiger nominiert, der diese defensivere Rolle spielen könnte. Bei Eintracht Frankfurt wird er als Innenverteidiger eingesetzt, bei der U21-EM trat er auf der Außenbahn auf. Auch Dortmunds Pascal Groß könnte diese Lücke füllen.
Hinzu kommt: Aus der Paarung im zentralen Mittelfeld, die sich Nagelsmann eigentlich vorgestellt hatte, wird wohl nichts werden. Ursprünglich war die Idee, dass dort Angelo Stiller und Aleksander Pavlovic dort gemeinsam schalten. Doch beide sind aktuell noch vom Verletzungspech verfolgt. Beide fehlen auch bei diesem Lehrgang. Das heißt, dass mittlerweile auch Leon Goretzka plötzlich wieder eine Option geworden ist, obwohl er eigentlich schon aussortiert war.
Im Laufe des nächsten Jahres wird sich zeigen, wer an der Seite von Kimmich spielen wird. Aber was sagt der Kapitän eigentlich dazu? "Ich bin da geteilter Meinung", sagte er am RTL-Mikro. Einerseits helfe es, "wenn man auf einer Position fest spielt". Andererseits sei es aber auch interessant und förderlich für die Entwicklung, "wenn man auf zwei Position eingesetzt wird". Es klingt nach einer sehr diplomatischen Antwort, als würde er genau aufpassen, was er sagt.
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