Bayer 04 Leverkusen muss einen XXL-Umbruch stemmen und merkt schnell: Derjenige, der alles zu einem funktionierenden Gebilde zusammenfügen soll, ist der falsche Mann dafür. Der Fußball-Bundesligist reagiert schnell und schmerzhaft. Nettigkeiten spart man sich.
Der FC Bayern München, man muss es so sagen, erlebt einen Transfersommer aus der Hölle: Der angehende Fußball-Gott Florian Wirtz umdribbelt den Rekordmeister in Richtung Liverpool ebenso wie Flügelrakete Nico Williams, der einfach bei Athletic Bilbao bleibt. Der VfB Stuttgart führt den nationalen Krösus mit dem Köder Nick Woltemade wochenlang vor. Der FC Chelsea will Christopher Nkunku nur verkaufen und nicht nach München verleihen und dann sorgt die Verletzung eines Teamkollegen auf den letzten Metern auch noch dafür, dass Notnagel Nicolas Jackson in London in der Wand steckenbleibt, anstatt in München die Träume von größeren Titeln zusammenzuhalten.
Aber bei Bayer Leverkusen ist alles noch viel schlimmer. Denn erst ist ihnen eine nahezu komplette Generation von Meisterhelden abhandengekommen und dann wird ihnen nach zwei Bundesligaspielen klar, dass sie vor ein paar Wochen den falschen Trainer geholt haben. Es ist ein Albtraum.
Erik ten Hag ist bei Bayer 04 Leverkusen schon wieder Geschichte, nach einem (gewonnenen) Pokalspiel und zwei Bundesligaspieltagen, an denen der Vizemeister nur einen Punkt holte. Schneller ist in der langen Geschichte der Bundesliga noch nie ein Trainer geflogen, der erst im Sommer geholt worden war. Sportlich ist ten Hags Bilanz wenig berauschend angesichts der Ambitionen unter dem Bayer-Kreuz, ein komplettes Desaster ist sie nun auf den ersten Blick aber auch nicht.
Kein Desaster - es ist schlimmer
Gerade angesichts des sich gerade noch sortierenden Kaders, dem mit Wirtz der beste Spieler und mit Granit Xhaka (nach Sunderland) der Anführer abhandengekommen ist. Seit dem sich abzeichnenden Ende von Xabi Alonso in Leverkusen hatten noch viele weitere Meisterhelden die Flucht ergriffen. Alles erweckte den Anschein: Sie waren nicht wegen Bayern, sondern wegen Alonso dort gewesen. Die Verpflichtung von ten Hag, dessen Ruf nach seiner Zeit bei Manchester United zumindest schwer beschädigt war, konnte die Fluchtbewegungen nicht bremsen. Das Gegenteil schien der Fall zu sein.
Sportchef Simon Rolfes muss sich das Personaldesaster ankreiden lassen, dem Vernehmen nach hat der ehemalige Nationalspieler ten Hag gegen die Skepsis von Boss Fernando Carro durchgedrückt. Nun gebührt ihm allerdings auch Respekt, den Fehler schnell und schmerzhaft korrigiert zu haben. Dass man sich vor der Saison ausgerechnet für Erik ten Hag entschieden hatte, der das einst große Manchester United zuvor in zwei Jahren ein gehöriges Stück weiter in Richtung Abgrund navigiert hatte, war offensichtlich ein Fehler. Euphorie hatte die Verpflichtung ten Hags nie ausgelöst, aber welcher Trainer wäre nach dem Abschied des übergroßen Meistermachers Xabi Alonso auch bejubelt worden? Doch dem 55-Jährigen ist es offensichtlich in Rekordzeit gelungen, den Verein quer durch die komplette Struktur gegen sich aufzubringen.
Keine Nettigkeiten zum Abschied
"Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen. Niemand hat sich diesen Schritt gewünscht. Doch die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass der Aufbau einer neuen und erfolgreichen Mannschaft in dieser Besetzung nicht zielführend gestaltet werden kann", sagte Rolfes: "Wir glauben fest an die Qualität unseres Teams und werden nun alles daransetzen, in neuer Konstellation die nächsten Schritte in der Entwicklung zu gehen." Es sind vergleichsweise deutliche Worte in Richtung ten Hag, der wiederholt vehement Neuzugänge eingefordert und damit für Verstimmung im Management gesorgt hatte.
Dabei haben sie ja wahnsinnig viel Geld in die Hand genommen. Für Malik Tillman (von der PSV Eindhoven) und Jarrel Quansah (FC liverpool) gingen jeweils (!) 35 Millionen Euro über den Tisch, Eliesse Ben Seghir (32 Millionen Euro), Loic Bade (25), Ibrahim Maza (12) und Ernest Poku (11) sind allesamt ebenfalls wahnsinnig teuer - und sogar für Torwart Mark Flekken zahlte man einen zweistelligen Millionenbetrag Ablöse. Kickendes Kapital, das man nicht länger in den Händen ten Hags wissen wollte.
"Eine Trennung zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison ist schmerzhaft, aber sie war aus unserer Sicht notwendig", verkündete CEO Carro. Unser Anspruch ist es nach wie vor, die gesteckten Saisonziele zu erreichen – dafür braucht es die bestmöglichen Bedingungen, auf allen Ebenen und im gesamten Lizenzbereich. Jetzt geht es darum, diese Bedingungen wieder vollumfänglich einzusetzen und zu nutzen." Die obligatorischen Nettigkeiten und Floskeln in Richtung des Geschassten, wonach "es in dieser Konstellation nicht gepasst hat", man aber "dennoch von den sportlichen und menschlichen Qualitäten von XY überzeugt sei", fehlen in der dürren Mitteilung des Klubs.
"Ich muss Geduld haben"
Die Spieler vermissten offenbar schon früh eine ordnende Hand, von der Mannschaft schien der Niederländer noch (oder schon) meilenweit entfernt gewesen zu sein: "Der Trainer ist der, der oben steht. Er muss natürlich von ganz oben am meisten Ruhe reinkriegen, aber am Ende sind wir die, die auf dem Platz stehen", hatte Kapitän Robert Andrich nach dem jüngsten 3:3 gegen Werder Bremen nur halb selbstkritisch durchblicken lassen. Zuvor hatte sein Team in Überzahl eine 3:1-Führung verspielt. Nach dem 1:3 zum Start zuhause gegen die TSG Hoffenheim hatte es erste Zweifel an der Qualität der Spielvorbereitung ten Hags gegeben.
"Das war auf unserer eigenen Seite einfach nicht gut genug. Natürlich müssen wir daran arbeiten und wir werden alles geben dafür, um das besser zu tun und uns besser aufzustellen", verkündete ten Hag da noch. "Aber letztendlich braucht es Zeit. Aber ich kann nicht sagen, wie viel Geduld ich haben muss." Nun hat er so schnell so viel zertrümmert, dass die Geduld seines Arbeitgebers in Rekordzeit aufgebraucht war. Und Bayer Leverkusen muss nun schnell dafür sorgen, dass der Albtraum endet und man in einer neuen Realität wieder aufwacht. Denn die Trümmer liegen jetzt erstmal noch unterm Bayer-Kreuz. Wer den Wiederaufbau übernimmt, ist noch nicht klar.
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