Mainz 05 hat eine überragende Saison hinter sich, die den Klub zum ersten Mal seit neun Jahren wieder nach Europa führt. Doch zum Start des neuen Spieljahres gibt es Ärger bei den Rheinhessen: Ausgerechnet einer, der schon immer da ist, stresst den Klub.
Stellen Sie sich vor, Sie stürmen für Deutschland, erzielen im Finale der Europameisterschaft ein wunderschönes Kopfballtor, während Ihr Sturmpartner leer ausgeht. Klar, Ihr Kollege ist ein paar Zentimeter größer, hat auch in der Bundesliga schon ein paar Tore mehr geschossen, aber im Finale, im größten Spiel Ihrer bisherigen Laufbahn, haben Sie getroffen.
Und dann müssen Sie mit ansehen, wie Ihr im Endspiel glückloser Nebenmann zum gefragtesten Fußballer der Bundesliga wird. Wie der FC Bayern mit zittrigen Fingern und wachsender Verzweiflung ein irres Angebot nach dem nächsten nach Stuttgart kabelt. Und der VfB selbst bei weit über 50 Millionen Euro gähnend abwinkt. So ist es Nelson Weiper in den vergangenen Wochen ergangen. Und vielleicht hat das was mit dem U21-Nationalstürmer des FSV Mainz 05 gemacht. Jedenfalls hat der 20-Jährige seinen Klub, für den er seit der F-Jugend spielt, im Würgegriff. Der wehrt sich radikal - und so könnte eine romantische Geschichte unschön enden.
"Verein steht an erster Stelle"
Als der Bundesligist am vergangenen Montag in Dresden in die Saison startete, fehlte Nelson Weiper im Aufgebot. "Wir müssen uns auf die Spieler fokussieren, die zu 100 Prozent Mainz 05 wollen", hatte Trainer Bo Henriksen nach dem hart erkämpften Sieg im DFB-Pokal gesagt. Weiper gehört nicht dazu und deshalb saß der Stürmer auch nicht im Flieger, der am Mittwoch gen Trondheim zum Hinspiel der Playoffs zur Conference League abhob (heute 18 Uhr/ sportschau.de, swr.de und im Liveticker auf ntv.de). Der Klub verbannte ihn aus dem Profitross, er trainiert bei der U23.
Es ist eine gnadenlose Entscheidung, die irritiert. Vor allem in Mainz, wo sie komplizierte Vertragsgeschichten in der Regel diskret und zielführend regeln. So verlängerte Torjäger Jonathan Burkardt im Winter 2024 seinen Vertrag langfristig bis 2027 - um dann nun, nachdem er seinen Klub mit 18 Treffern nach Europa und sich in die Nationalmannschaft geschossen hat, für vergleichsweise günstige gut 20 Millionen Euro in die Champions League zu Eintracht Frankfurt zu wechseln.
Leandro Barreiro, der sich vor zwei Jahren aus dem eigenen Nachwuchs ins Blickfeld größerer Klubs spielte, verlängerte nicht und wurde ohne Nebengeräusche ablösefrei zu Benfica Lissabon verabschiedet. Nun zieht man die Daumenschrauben an. "Wir haben die Verantwortung und ziehen die Konsequenzen für den ganzen Verein. Alle anderen haben einen neuen Vertrag unterschrieben. Es müssen alle verstehen: Der Verein steht an erster Stelle", sagte Henriksen noch. Den Umgang mit Weiper habe man mit der Mannschaft besprochen.
Wie die "Bild" berichtet, liegt der Klub seit Längerem mit Weiper-Berater Alexander Schütt über Kreuz. Auslöser soll eine Kontroverse über die Behandlung einer Knieverletzung gewesen sein, in dessen Folge der junge Stürmer 2023 über Monate ausfiel - was nach Ansicht des Klubs vermeidbar gewesen wäre. "Nelson ist ein super, super Junge. Ich will überhaupt nichts Schlechtes über ihn sagen. Da spielen ganz andere Dinge eine Rolle", versicherte Mainz-Boss Christian Heidel jüngst auf Sky.
Besonders laut ist der Knall, weil die Geschichte so schön gewesen wäre: Die Lücke, die der vielbeweinte Abschied von Jonny Burkardt in Kader und Herzen gerissen hat, sollte von Nelson "Nelly" Weiper geschlossen werden, der Mainz 05 vor zwei Jahren zur A-Jugend-Meisterschaft geschossen hatte. Doch die Romantik stirbt zugunsten des Pragmatismus.
"Kann 15 Tore machen"
Weiper, so verlangt es der Verein, soll seinen nach der anstehenden Saison auslaufenden Vertrag schleunigst verlängern. Die Seite des Spielers dagegen will erst einmal schauen, wie sich die Dinge für den wertvollen Klienten bei seinem Heimverein so entwickeln. Anders als bei Woltemade, der durch den Hype und die überaus öffentlich transportierte fieberhafte Hatz des FC Bayern längst in den Rang eines Wunderfußballers erhoben wurde, ist die Situation bei Weiper, der in 37 Bundesligaspielen fünfmal getroffen hat, eine ganz andere: Es ist alles andere als ausgemachte Sache, dass der U21-Nationalstürmer zum Fixstern bei den Rheinhessen aufsteigt.
Für Angreifer Benedikt Hollerbach überwies der Klub vor der Saison zehn Millionen Euro an Union Berlin. Ein Investment, das in den Sphären von Mainz 05 einer Stammplatzgarantie nahekommt. Dass Mittelstürmer Weiper den abgewanderten Torjäger Burkardt ersetzen soll, ist für die sportliche Leitung keineswegs ausgemachte Sache - was dem ehrgeizigen Stürmer aufstößt. In der vergangenen Saison hatte Henriksen für Weiper nicht mal 700 Minuten Verwendung. Erst im April hatte Henriksen dem jungen Stürmer eine mangelnde Einstellung vorgeworfen. In der Sommerpause versicherte der Däne nun: "Wenn er kämpft wie bei der U21, dann spielt er auch bei uns" und machte deutlich, was er dem 1,92-Meter-Mann schon kurzfristig zutraut: "Wir glauben an ihn. Ich weiß, dass er 15 Tore machen kann. Vielleicht sogar noch mehr."
Zeitspiel auf Kosten des Klubs?
Die Unterstellung des Klubs ist nun: Weiper und sein Berater spielen auf Zeit - auf Kosten des Klubs, dessen Position nach dem Ablauf der Transferphase am 1. September dramatisch schlechter wird. Von einer Deadline bis zum Pokalspiel war die Rede, die Reaktion ist nun offensichtlich - und hart für alle Beteiligten. Platzt die Verlängerung, wird Weiper, dessen Marktwert derzeit auf 10 Millionen Euro taxiert wird, den Verein nach der nächsten Saison ablösefrei verlassen.
Der Klub ist damit in einer Zwickmühle: Einen ablösefreien Abgang des U21-Nationalstürmers im kommenden Sommer kann er sich kaum leisten, gleichzeitig würde ein vorzeitiger Abgang Weipers ein großes Loch in den Kader reißen, der immerhin möglichst lange auf drei Hochzeiten tanzen soll. Es ist keine gute Situation für den Klub, der nach dem Höhenflug aus dem Vorjahr vor einer herausfordernden Saison steht - und jede Menge Breite und Qualität im Kader braucht. Höchstens zehn Tage hat man noch Zeit, das Dilemma aufzulösen.
Wie es heißt, wird die Situation in Mainz auch ein paar Kilometer südlich aufmerksam beobachtet: Ausgerechnet der VfB Stuttgart soll sich für Weipers Ideen interessieren. Will der FSV Mainz 05 sein renitentes Eigengewächs noch schnell zu Geld machen wollen, könnte der große U21-Sturm bald wieder vereint sein. Dann würde Weiper wieder mit Woltemade stürmen. Wie im EM-Finale, als Weiper traf und Woltemade nicht.
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