Vor 35 Jahren musste der FC Bayern München eine derbe Pokalpleite in der ersten Runde beim damaligen Oberligisten FV 09 Weinheim hinnehmen. Die Truppe, gespickt mit Weltmeistern und hoffnungsvollen Talenten, ergab sich fast komplett ohne Gegenwehr. Sehr zur Verwunderung aller Beteiligter.
"Das ging ins Auge", schrieb der "Kicker" am Montag nach der Pokalblamage beim Oberligisten FV 09 Weinheim und zeigte daneben einen denkbar ungünstigen Schnappschuss vom damaligen Bayern-Manager: "Uli Hoeneß traut seinen Augen nicht: Die Bayern-Stars sind draußen!" Der 04. August 1990 ist in die Geschichte des DFB-Pokals eingegangen, weil damals vor 35 Jahren der deutsche Rekordmeister das erste Mal in seiner Historie in der ersten Runde aus dem Pokal flog. Und das ausgerechnet bei den Feierabend-Kickern aus Baden-Württemberg.
Dabei war die Sache vor der Partie eigentlich ganz klar. Die Bayern reisten mit einer Truppe von frisch gekürten Weltmeistern und hoffnungsvollen Talenten an. Klaus Augenthaler, Jürgen Kohler, Stefan Reuter, Hansi Pflüger und dazu langjährige Meisterspieler wie Raimond Aumann, Roland Wohlfarth und Wiggerl Kögel und die vielsprechenden Neuzugänge Stefan Effenberg und Brian Laudrup. Und auf der anderen Seite standen ein "29-jähriger Feinblechner und ein 26-jähriger Bankkaufmann", wie der "Kicker" süffisant am Montag nach der Partie schrieb.
Ligaspiel "hat absolute Priorität"
Kurzum: An diesem frühen Augusttag des Jahres 1990 sollte normalerweise nichts anbrennen - wie auch Hans-Peter Makan, der Libero mit Bundesligaerfahrung des FV 09 Weinheim völlig emotionslos eine Stunde vor der Begegnung, entspannt vor der eigenen Kabine sitzend, in einem Gespräch mit einem TV-Reporter anmerkte: "Das DFB-Pokal-Los haben wir zugelost bekommen und da war an und für sich klar, dass wir keine Chance haben gegen die Bayern. Eine Woche später spielen wir gegen den VfR Mannheim zu Hause das erste Oberliga-Spiel und das hat absolute Priorität."
Und auch die Zuschauer im Sepp-Herberger-Stadion waren mehrheitlich wegen des großen Gegners und dem Event an sich gekommen. Ihrem heimischen Klub trauten sie - wie diese Dame mittleren Alters - ganz im Stile des Weltmeistertrainers von 1954 und Stadionnamensgeber argumentierend eher weniger zu: "Ich glaube nicht, dass sie eine Chance haben. Der Ball ist rund, es geht über 90 Minuten, aber trotzdem."
"Zwei Strafen auf einmal"
Denn was an diesem Tag noch erschwerend hinzukam: Es war furchtbar heiß in Weinheim. Doch als ein Reporter dies quasi als Entschuldigung schon vor der Partie geltend machen wollte und Hans-Peter Makan fragte, ob es denn keine Strafe sei, bei diesen hohen Temperaturen ("40 bis 50 Grad auf dem Platz") gegen die Bayern zu spielen, sagte dieser, wieder völlig entspannt: "Zum einen ist natürlich die Hitze für uns eine Strafe - wobei man sagen muss, die Bayern müssen da auch spielen -, aber zum anderen kommt natürlich auch der übermächtige Gegner hinzu. Das sind zwei Strafen auf einmal, kann man sagen." Und dann lachte Hans-Peter Makan - froh bei diesen extremen Temperaturen solch schöne Sätze für die Ewigkeit gesprochen zu haben.
Was sich dann auf dem Platz abspielte, war für viele Beobachter einfach unerklärlich. Die Bayern versuchten locker zum Erfolg zu kommen und mussten Stück für Stück einsehen, dass diese Taktik an diesem Tag nicht zum gewünschten Ziel führen würde. Schlimmer noch: Als die Spieler des FV 09 Weinheim bemerkten, dass die Bayern aus ihrem arroganten Trott nicht mehr herausfanden, wurden sie selbst mutiger. Und als dann auf dem linken Flügel einer der Ihren lässig durch die Bayern-Reihen dribbelte und urplötzlich im Strafraum stand, entschloss sich Weltmeister Jürgen Kohler zu einer Tat, die für noch mehr Verwunderung im Stadion sorgte, wie ein Weinheimer Offizieller später erzählte: "Die Attacke auf Baumann musste alleine schon deshalb bestraft werden, weil einem Weltklassespieler wie dem Jürgen Kohler so eine Dummheit nie passieren darf."
Den nach Kohlers unnötiger Grätsche fälligen Elfmeter verwandelte ein gewisser Thomas Schwechheimer ohne Probleme gegen FCB-Keeper Raimond Aumann zum späteren 1:0-Endstand. Und das als ausgewiesener Bayern-Fan. Mehr Probleme hatte Schwechheimer nach dem Spiel, als er verzweifelt versuchte, eine Einladung ins "Aktuelle Sportstudio" zu umgehen: "Die können mich mal. Ich gehe heute mit meinen Kumpels einen trinken!" Letztendlich musste er aber dann doch nach Mainz und begeisterte dort die Zuschauer mit seiner entspannten Art.
Weinheim will "den Sieg nicht überbewerten"
Noch lange nach der Partie saßen sie vor Ort in Weinheim zusammen und kratzten sich immer noch verwundert über die Bayern, die wie "begossene Pudel rausgeschlichen" seien, am Kopf. Weinheims Coach hatte wenigstens den Ansatz einer Erklärung für die desolate Leistung des Rekordmeisters: "Die Umstellung für Reuter und Co. war wohl etwas krass. Eben waren sie noch im Olympiastadion von Rom, nun mussten sie in Weinheim ran." Doch ein anderer Offizieller des Oberligisten richtete den Blick schon wieder nach vorne: "Ich hatte gedacht, in der zweiten Halbzeit gibt es ein wenig mehr Feuer, aber da ist eigentlich gar nichts gekommen. Ich will den Sieg allerdings nicht überbewerten. Nächste Woche geht es weiter gegen den VfR Mannheim." Richtig, das hatte ja auch schon Hans-Peter Makan vor der Partie mit ernstem Gesicht angemerkt.
Doch am Tag nach dem Triumph stand auch in Weinheim die Welt erst einmal völlig verdient still. Zwar hatte man ein "Auslauftraining" angesetzt, doch da "nicht alle Spieler aufzufinden" waren, verschob man kurzerhand das Training auf den folgenden Tag. Und dort sollte dann ganz nach Sepp-Herberger-Art in einer 'Blauen Stunde' versucht werden, "in ruhigen Gesprächen die Leute wieder auf den Teppich zu holen."
Das gelang im Rückblick zwar nur so halbwegs gut (das Heimspiel gegen den VfR Mannheim endetet 0:0 und im Pokal flog man in der nächsten Runde mit 1:3 gegen Rot-Weiss Essen raus), aber dafür hält der Ruhm dieses 04. August 1990 bis heute an. Denn die Mutter aller Pokal-Blamagen war für den FC Bayern nur der Auftakt zu einer Zeit vieler Probleme und Misserfolge. Unter anderem sollten vier lange Jahre ohne Meisterschaft folgen. Und am Ende sogar noch einmal eine weitere Erstrunden-Niederlage im DFB-Pokal. Im August 1994 gegen den TSV Vestenbergsgreuth. Doch das ist eine andere Geschichte.
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