Der Sport in der ARD durchlebt einen Wandel. Mit dem 40 Jahre alten Alex Schlüter gibt es einen neuen Sportschau-Moderator. Der Sender muss härter um Übertragungsrechte kämpfen, die Etats gehen zurück, Rechte wie die Handball-Weltmeisterschaften gingen verloren. Axel Balkausky ist ARD-Sportkoordinator.
Frage: In der ARD gibt es einen Generationswechsel. Mit Alex Schlüter hat Ihr Sender einen neuen Sportschau-Moderator. Was hat Sie an ihm überzeugt?
Axel Balkausky: Mit seinem Gesamtauftritt passt er gut zu uns, weil er unterhaltsam, aber trotzdem sehr seriös ist – gleichzeitig ist er auch affin für alles, was man in der digitalen Welt braucht. Die hohe Kompetenz ist sowieso Voraussetzung, und er ist ein Mannschaftsspieler.
Frage: Alexander Bommes verabschiedet sich aus dem Live-Sport der ARD, macht mehr in Unterhaltung und Information. Wie oft wird er noch die Sportschau moderieren?
Balkausky: Die Verteilung besprechen wir jeweils vor der Halbserie. Da alle aus dem Quartett noch andere Einsatzgebiete wie Unterhaltung bei Esther Sedlaczek und Wintersport bei Lea Wagner haben, schauen wir gemeinsam auf die Terminpläne. Alex Bommes wird zwischen zwei- und fünfmal die Sportschau moderieren.
Frage: Wie überrascht waren Sie von seinem Abschied aus dem Live-Sport?
Balkausky: Ich kenne ihn schon seit seiner Zeit als Volontär beim NDR. Daher reden wir sehr intensiv. Das eine ist das Berufliche, aber es ist auch immer wichtig zu wissen, was die Menschen machen möchten und wie es ihnen geht. Wir schauen gemeinsam, macht jemand zu viel, zu wenig? Insofern ist die Entscheidung nicht völlig überraschend gekommen. Ich habe mitbekommen, dass es für ihn natürlich eine schwierige Entscheidung war, weil er Dinge abgibt, wie den Handball, den er liebt und über viele Jahre begleitet hat.
Frage: Bei jeder Ausschreibung der Bundesliga-Rechte wird die Existenz der Sportschau durch Pay-Sender infrage gestellt. Diesmal wurde ein Alternativ-Szenario fürs Internet angeboten. Warum ist die Sportschau noch zeitgemäß?
Balkausky: Aus der Bundesliga schallt uns weiterhin entgegen: Es ist gut, dass ihr dabei seid und dafür sorgt, dass die Bundesliga allen zugänglich ist.
Frage: Die Sportschau hatte 2024/25 im Schnitt 3,8 Millionen Zuschauer. Die Tendenz ist fallend.
Balkausky: Machen wir uns nichts vor: Der Anteil des linearen Fernsehens nimmt ab, aber die Sportschau ist nach wie vor die meistgesehene Serien-Sendung des Sports. Mit der Sendung am Sonntag ab 19.15 Uhr, in der es die Zweite Liga gibt, haben wir die Marktanteile sogar deutlich erhöht.
Frage: Mit Experte Bastian Schweinsteiger wurde bis 2027 verlängert. Wie bewerten Sie seine Entwicklung?
Balkausky: Er ist sehr ehrgeizig, auch in diesem Job. Daher bereitet er sich sehr akribisch vor, hört sehr gut zu und ist bereit, Kritik anzunehmen. Auch in diesen Expertenjob muss man erst mal reinkommen. Oliver Kahn wurde am Anfang zerrissen und später sehr gelobt. Ich finde, dass sich Bastian herausragend entwickelt hat. Er kann jedes Fußballspiel lesen wie kaum ein Zweiter. Ich habe mal eine Partie mit ihm geschaut, und alles trat so ein, wie er es vorhergesagt hatte. Fürchterlich! (lacht) Kritisch wird er, wenn es das Spiel auf dem Platz hergibt.
Frage: Wie ist die weitere Experten-Planung?
Balkausky: Almuth Schult ist gesetzt, bei Frauen- und Männerspielen. Damit sind wir gut aufgestellt, weil wir in der Regel nur rund zehn Live-Spiele pro Saison haben. Für Turniere schauen wir dann, ob wir uns verstärken – wie in der Vergangenheit durch Thomas Hitzlsperger oder Thomas Broich.
Frage: Haben Sie bei Thomas Müller angeklopft, als noch nicht klar war, ob er weitermacht?
Balkausky: Natürlich werden das viele Sender tun, aber für uns war es aktuell kein Thema, weil wir da aufgestellt sind.
Frage: Auch bei den Kommentatoren gibt es mit Christina Graf und zuletzt Philipp Sohmer zwei Neue, die auf Steffen Simon und Gerd Gottlob folgten. Wie fiel die Wahl auf Sohmer?
Balkausky: In diesem Prozess konnte jede Landesrundfunkanstalt Vorschläge machen, die im Kreise der Sportchef ausgewertet wurden. Da hörten wir uns die Kommentare und Argumente an. Dann haben wir gemeinschaftlich entschieden, wen wir vorne sehen. Anhand unserer Kriterien hat Philipp Sohmer dann am besten abgeschnitten.
Frage: Wie sieht die Planung bei den Experten für die Wintersport-Saison aus?
Balkausky: Ich gehe davon aus, dass wir weiterhin mit Felix Neureuther, Sven Hannawald, Arnd Peiffer und Erik Lesser aufgestellt sein werden. Da werden noch letzte Gespräche geführt. Aber alle haben natürlich das Ziel Olympische Spiele.
Frage: Die Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina sind über Norditalien verteilt und eine logistische Herausforderung. Wie werden ARD und ZDF produzieren?
Balkausky: Natürlich werden wir vor Ort Leute haben, aber es wird auch wieder in Deutschland beim ZDF in Mainz ein Sendezentrum geben. Dort werden dann unsere federführenden Sender BR und MDR hinziehen. Das hat sich bewährt. In Italien ist alles sehr dezentral. Bei den Finals haben wir uns auch die Produktion geteilt. Da war die Zentrale beim WDR in Köln.
Frage: Die ARD verliert ab 2027 die Handball-WM-Rechte an ProSiebenSat.1, die Fußball-WM 2026 holte sich die Telekom – eine Sublizenz ist noch möglich. Warum wird es für die ARD immer schwieriger, sich Sportrechte zu sichern?
Balkausky: Unser Sportrechte-Etat ist gedeckelt und wird voraussichtlich für die Periode 2025 bis 2028 sogar um über fünf Prozent sinken. ProSieben und RTL haben sich in den vergangenen Jahren wieder deutlich mehr engagiert. Dazu kommen die Pay-TV-Sender. Jetzt ist jeder in der Situation, wo man sich gewisse Rechte an Land ziehen muss, aber auf der anderen Seite das Geld knapper wird. Das geht den Privaten mit deutlich sinkenden Werbeerlösen und auch den abofinanzierten Plattformen nicht anders. Wir haben die finanzielle Unsicherheit, wie es mit dem Rundfunkbeitrag weitergeht.
Frage: Dort steht ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Beschwerden von ARD und ZDF gegen die nicht durchgeführte Erhöhung aus.
Balkausky: Das sind alles Komponenten, die nicht förderlich sind, dass alle ihre Summen erhöhen können. Es wird darauf hinauslaufen, dass sich mehrere Sender Rechte teilen werden, und Exklusivitäten immer mehr abnehmen. Es wird keine Explosion der Rechtekosten mehr geben. Ich hoffe, dass überall Vernunft einkehrt – bei Verbänden und Sendern. Natürlich spielt das Geld eine Rolle, aber es ist auch wichtig, Sportarten in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu stellen. Da sind wir einer der wichtigsten Anbieter, die es gibt. Die Spiele der Frauen-EM hatten bei ARD und ZDF höhere Zuschauerzahlen als zum Beispiel die Klub-WM.
Frage: Welches Feedback bekommen Sie von den Verbänden?
Balkausky: Unsere Stärke ist, dass wir Magazine zu traditionellen Sendeplätzen bieten und so die Leute binden können. Linear erreichen wir weiterhin die meisten Menschen. Es sind dort auch weiterhin junge Leute dabei, die sonst gar nicht mehr oder wenig linear gucken. Das Feedback von den Verbänden ist: „Wir brauchen euch, weil wir diese Verbreitung ohne die Öffentlich-Rechtlichen so nicht hinbekommen.“ Natürlich bieten wir auch digitale Ausspielwege und kooperieren mit Streaming-Plattformen wie Dyn und DAZN. Wir wollen gar nicht alles exklusiv haben. Denn wir werden nie alles digital oder im klassischen TV abbilden können – auch wenn es digital inzwischen sehr viel ist und wie bei der Frauen-EM die Zahlen durch die Decke gehen. Bei der Tour de France senden wir parallel zu Eurosport, haben aber bei den Quoten trotzdem zugelegt. Da spielte uns natürlich Florian Lipowitz in die Karten. Das Wintersport-Angebot bleibt auch konstant auf einem extrem hohen Niveau.
Frage: Wieso haben ARD und ZDF die Handball-WM-Rechte verloren?
Balkausky: Es gibt im Markt ein größeres Interesse an diesen Rechten. Auch die Basketball-EM ist mit RTL an einen Privatsender gegangen. Wir können gar nicht alles machen, sind schon sehr breit aufgestellt. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir bezahlen können. Daher werden wir auch Rechte verlieren, so wie es leider bei der Handball-WM passiert ist. Wir bedauern das sehr. Wenn sich ein Konkurrent wie ProSieben so anstrengt, kommt irgendwann der Punkt, an dem wir sagen müssen: Nein, das können wir nicht mitgehen.
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.
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