Am 18. August erscheint das Buch „Mensch Fußballstar“ (18 Euro, 264 Seiten, Meyer&Meyer Verlag) von Andreas Böni (Chefredakteur beim Schweizer TV-Sender Blue und früher u.a. „Sport Bild“-Reporter). Darin sprechen Fußball-Größen wie Babak Rafati, Ottmar Hitzfeld, Marcel Reif, Gianni Infantino und Lothar Matthäus über Tod, Depressionen und Suizid.
WELT zeigt vorab Auszüge. Heute: Marcus Urban, der sich 2007 in einem Interview mit WELT AM SONNTAG als erster deutscher Fußballer zu seiner Homosexualität bekannt hat, über schwule Bundesliga-Stars.
„Ja, ich war der erste schwule Fußballer in Deutschland, der sich damals geoutet hat. Man dachte beim Outing von Thomas Hitzlsperger, dass es ein Wendepunkt sein könnte. War es nicht so richtig. Thomas scheint mir auch überrascht, dass sich tatsächlich keiner weiter outet, auch die nach der Karriere nicht. Es gibt gar keinen Grund mehr, sich zu verstecken.
Paradoxerweise ist lesbisch zu sein im Frauenfußball meistens kaum noch ein Problem, im Gegensatz zum Männerfußball. Viele Frauen rollen mit den Augen und langweilen sich bei dem Thema. Die gleiche Langeweile wollen wir bei den Männern erreichen. Dass jeder sagen kann: ,Das hier ist mein Partner. Das ist unser Kind.'
„Viele sind einsame Wölfe“
Viele schwule Fußballer haben sich in der Zwischenzeit im Hintergrund organisiert. In Gruppen zwischen 20 und 40 Leuten. Es ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Viele sind einsame Wölfe, machen ihr eigenes Ding, und von vielen wissen wir noch gar nicht.
Denn ja, auch heute schlägt noch zu oft die Angst den Mut. Die Angst resultiert daraus, den Job zu verlieren, den Ruf zu verlieren. Die Leute um die Spieler herum, die ihnen einreden, sie sollten sich nicht outen, sie sollten nicht frei leben, damit sie weiter Geld verdienen.
Diese Berater und Beraterinnen – und damit meine ich nicht alle generell – beraten nur bedingt die Spieler als Persönlichkeiten, sondern pflegen vielleicht eher ihre eigenen Vorteile, die sie aus den Tätigkeiten der Spieler ziehen, Geld, Status, Job. Sie raten den Spielern, sich weiter zu verstecken, unter dem Deckmantel der Fürsorglichkeit und Sorge.
Die Spieler, sie werden immer wieder ausgebremst in ihrem Drang nach Freiheit. Es gab ja einige, die sich outen wollten.
Wir planten ja zum Beispiel am 17. Mai 2024 einen Tag des Outings. Am Ende traute sich aber keiner. Es gibt in ihrem Umfeld noch zu viele Menschen, die ihnen davon abgeraten haben. Medienanwälte, Berater:innen, Familie – Leute, die in ihrem Geld und ihren Ruhm baden und falsch verstandene Pseudo-Fürsorge sowie eigene Ängste projizierend auf die Spieler übertragen.
Manipuliert durch vermeintlich religiöse Aktivisten
Und ja, dann gibt es innerhalb der Kabine auch andere Gruppen, die das nicht akzeptieren, weil sie durch vermeintlich religiöse Aktivisten manipuliert werden. Sobald Menschenfeindlichkeiten kommuniziert werden, hat das ganze nichts mehr mit Glauben zu tun, ganz einfach, in keiner Glaubensrichtung ist Menschenfeindlichkeit die Basis des Glaubens. (...) Wenn das innerhalb des Teams zum Problem wird, verstecken sich die vielen queeren Spieler dann erst recht – selbst gestandene Nationalspieler. Die müssten doch eigentlich vor Stolz und Selbstvertrauen auf sich platzen.
Früher hieß es immer, dass Medien und Fans dran schuld seien, dass sich niemand outet. Ich glaube heute sind es nur noch die Ängste der Spieler und die Leute um sie herum, zumindest hier, wo wir uns befinden, mitten in Europa. Ich glaube, fast alle Medien würden es unterstützen. Ich glaube auch ganz ehrlich, dass die Fans nicht mehr das Problem wären. Die Klubs auch kaum. Es geht heute mehr um das Binnenklima.
Und dann gibt es innerhalb der organisierten schwulen Fußballer auch wieder Geschäftszweige. Es werden Schein-Freundinnen organisiert, Schein-Ehen arrangiert. Gleichzeitig gibt es Agenturen, die Sex-Treffen auf die Beine stellen. Sie verdienen auch wieder gutes Geld damit. Aber auch die Berater der Spieler organisieren das zum Teil für ihre Klienten und haben die Spieler dann in der Hand. Es gibt auch schwule Paare in der Bundesliga, und zwar sehr nette, sehr hübsche. Und vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem sie sich outen.
Ein Problem ist auch, dass die schwulen Spieler in der Bundesliga sich immer wieder auch gegenseitig negativ beeinflussen, weil sie sich natürlich selbst in ihrem Versteckspiel bestätigen. Gibt es ein Beispiel wie mit Kevin Behrens, der sagt, er unterschreibe die ,schwule Scheiße‘ nicht, als er eine Regenbogen-Binde sieht, fühlen sie sich bestätigt, sich weiter zu verstecken.“
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