Der ewige Bayer Thomas Müller findet in Vancouver eine neue Heimat. Die Whitecaps sind der "SC Freiburg der MLS", sagt der deutsche Vorstandsvorsitzende Axel Schuster. Einen Titel in der nordamerikanischen Liga gab es aber noch nicht - Müller könnte da zur rechten Zeit kommen.
Auch wenn viel Zeit war, es wird schwer werden, sich daran zu gewöhnen: Thomas Müller trägt ab sofort ein neues Trikot. Nicht mehr das des FC Bayern, nicht das des DFB-Teams. Sondern das des Vancouver Whitecaps FC. Für Müller und all seine Fans ungewohnt. "Ich komme aber trotzdem sehr gut damit zurecht, weil die bayerische Flagge ja auch weiß und blau beinhaltet. Dementsprechend gibt es da keine Anpassungsschwierigkeiten", sagt er in seiner typischen Flapsigkeit direkt mal.
Nach 756 Pflichtspielen für den FC Bayern wechselt er zum ersten Mal in seiner Karriere den Klub. 33 Titel hat er mit den Münchnern gewonnen, darunter 13 Meisterschaften, sechs DFB-Pokalsiege sowie zwei Champions-League-Triumphe. Er allein hat damit weit mehr Pokale und Medaillen im Trophäenschrank, als die Whitecaps insgesamt vorweisen können. Für den kanadischen Klub, der in der nordamerikanischen Major League Soccer (MLS) spielt, ist sein Transfer ein echter Coup. Müller sei "ein geborener Anführer, dessen Leidenschaft für das Spiel ansteckend ist", sagte der Whitecaps-Vorstandsvorsitzende Axel Schuster laut Mitteilung. "Dies ist eine bedeutende Verpflichtung unseres Vereins und unserer Eigentümer - ein transformativer Moment für unseren Verein und unsere Stadt."
Vancouver besiegte einst Beckenbauer
Denn Müller wechselt zu einem Klub, der weit weniger prominent und erfolgreich ist als er selbst. Wer sind die Vancouver Whitecaps eigentlich? Der Klub wurde 1974 gegründet und spielte in der North American Soccer League. In dieser konnte der Verein 1979 sogar den Titel gewinnen, damals war Alan Ball, einer der englischen Weltmeister von 1966 mit dabei. Im Halbfinale hatten die Whitecaps die New York Cosmos mit Franz Beckenbauer bezwungen. Beckenbauers Team war damals immerhin das bekannteste der Liga.
Nachdem die NASL 1984 aufgelöst wurde, musste sich das Team aus Vancouver umorientieren. Eine Umstrukturierung erfolgte - unter neuem Namen ging es als Vancouver 86ers in der Canadian Soccer League weiter. Mit großem Erfolg: Zwischen 1988 und 1991 gewann der Klub vier Titel in Folge. 46 Spiele ohne Niederlage sind dabei eine Rekordserie. Im Jahr 2000 folgte die Rolle rückwärts, seitdem heißt der Klub wieder Whitecaps.
2011 schloss sich der Klub dann als zweites Team aus Kanada nach Toronto der MLS an, spielt dort in der Western Conference. Den MLS-Titel konnten die Whitecaps noch nie gewinnen. Das Erreichen des Playoff-Viertelfinales war bislang der größte Erfolg. 2024 landete das Team auf Platz acht der Western Conference und schied in der ersten Playoff-Runde aus. Zusätzlich spielten die Whitecaps in diesem Jahr erstmals im Endspiel des Champions Cups, das Pendant zur UEFA Champions League. Gegen den mexikanischen Klub Cruz Azul gab es eine 0:5-Pleite, doch der Einzug ins Finale war allein schon ein großer Erfolg.
Noch nie so gut platziert wie aktuell
Und womöglich kommt Thomas Müller zur rechten Zeit. Noch nie waren die Whitecaps so gut platziert wie aktuell. Sie sind Tabellenzweiter, liegen nach 24 von 34 Spieltagen klar auf Playoff-Kurs. "Ich freue mich darauf, nach Vancouver zu kommen und diesem Team zu helfen, die Meisterschaft zu gewinnen", sagt Müller entsprechend selbstbewusst. Und hat richtig Lust auf ein Detail, das er aus der Bundesliga nicht kennt: die Playoffs. "In Europa gibt es das nicht, nur in der Champions League oder den Pokalwettbewerben, daher ist es auch für Spieler, die lange in Europa gespielt haben, interessant."
Austauschen konnte sich der 35-Jährige über die Whitecaps mit seinem nun ehemaligen Bayern-Teamkollegen Alphonso Davies. Der Kanadier spielte dort im Nachwuchsbereich, feierte dort sein Profidebüt und wurde 2019 zum Rekordverkauf der Franchise. Müllers neue Mitspieler sind dagegen in Europa weitgehend unbekannt. Kapitän ist der Schotte Ryan Gauld, der seit 2021 zum Team gehört. Top-Torjäger ist Brian White, der mit 71 Toren zugleich der Rekordtorschütze des Klubs ist. Von Sebastian Berhalter dürfte zumindest der Nachname bekannt sein, der 24-Jährige ist der Sohn von Gregg Berhalter. Der US-Amerikaner spielte insgesamt sieben Jahre bei Energie Cottbus und 1860 München und trainierte schon die Nationalmannschaft der USA.
Wichtig als Spieler, nicht als Marketinginstrument
Müllers neuer Trainer ist der Däne Jesper Sörensen. Er überzeugte das Bayern-Urgestein in einem ausführlichen Telefonat von einem Wechsel nach Vancouver, heißt es Medienberichten zufolge. Der ehemalige Bröndby-Trainer konnte Müller mit Taktik, Trainingsphilosophie und einem klaren sportlichen Konzept neugierig machen. Zudem soll er bereit sein, das 4-3-3-System so anzupassen, dass Müllers Qualitäten zum Tragen kommen. Nach dem Telefonat soll Müller sein Beraterteam angewiesen haben, die Verhandlungen voranzutreiben.
Dass die Bundesliga-Legende nach Vancouver wechselt, ist nämlich nur aufgrund eines Deals möglich. Whitecaps' Ligarivale FC Cincinnati hatte sich die Discovery Rights für Müller gesichert, so etwas wie das Erstverhandlungsrecht bei der MLS. Müller wollte jedoch nicht nach Ohio, Berichten zufolge wäre er dort ein reines Marketinginstrument gewesen und hätte die große deutsche Community ansprechen sollen. Vom Interesse Vancouvers war Müller dagegen überzeugt. Sörensen und Schuster hätten ihm "aufgezeigt, wo es in den nächsten ein, zwei Jahren hingehen soll - und da geht es ganz klar in Richtung Titel. Ich bin heiß darauf, Titel zu gewinnen. Dieses Jahr kann etwas Besonderes werden".
Vancouver muss Rechte für Müller abkaufen
Doch sein neuer Klub muss die Rechte für ihn abkaufen. Laut Transfermarkt.de handelt es sich dabei um 350.000 Euro. Dafür ist Müller ansonsten ablösefrei, sein Vertrag beim FC Bayern war nach fast 25 Jahren beim Klub bekanntlich nicht verlängert worden. Weil Müller aber noch nicht aufhören wollte zu kicken, musste ein neuer Klub her. Monatelang wurde über einen Wechsel zum Los Angeles FC spekuliert, der eine Partnerschaft mit dem FC Bayern unterhält. Doch dort erhielt Tottenham-Legende Heung-Min Son den Vorzug. Für 26 Millionen Euro Ablöse kommt der 33-Jährige - es ist die höchste Ablöse der MLS-Geschichte. Ein Grund: Der Südkoreaner, der auch schon für den HSV spielte, ist für L.A. und Sponsor Adidas mit Blick auf den asiatischen Fußballmarkt relevanter, schreibt die "Süddeutsche Zeitung".
Bleibt für Müller also der Wechsel nach Kanada, das im kommenden Jahr gemeinsam mit den USA und Mexiko die WM ausrichten wird. Auch im Stadion in Vancouver wird gespielt werden. Transfermarkt.de zufolge ist der Vertrag des Münchner Rekordspielers in zwei Teile geteilt. Bis zum Saisonende im Dezember hat Müller einen TAM-Vertrag (Targeted Allocation Money), der ihm maximal 600.000 Euro einbringt. Es handelt sich dabei um Geld, das den MLS-Klubs zur Verfügung gestellt wird, um Gehälter über dem Salary Cap zu bezahlen, ohne dabei einen Platz für einen dieser drei Designated Player aufzugeben. Für das Jahr 2025 hatten die Whitecaps nämlich bereits Andres Cubas und Gauld als Designated Player gemeldet und sich für ein Gehaltsmodell entschieden, das auf einen dritten Designated Player verzichtet. Diesen Platz nimmt dann Müller ab 2026 ein, dann soll er weitere 6 Millionen Euro Gehalt für das Jahr bekommen. Für das Geld ist Müller also nicht gewechselt, das hätte er mit Sicherheit eher in Saudi-Arabien oder Katar machen können. Bei den Bayern kassierte er zuletzt rund 20,5 Millionen Euro.
Mit dem Vorstandsvorsitzenden Schuster trifft Müller dabei in Vancouver auf einen Landsmann. Der 53-jährige Deutsche war bereits Sportdirektor in der Bundesliga. Er arbeitete einst mit Jürgen Klopp und Thomas Tuchel beim 1. FSV Mainz 05, ehe er 2016 Christian Heidel zum FC Schalke 04 folgte. "Thomas ist ein Weltklasse-Spieler - der ultimative Raumdeuter - bekannt für seine herausragende Chancenverwertung, sein unübertroffenes Raumverständnis und seine unermüdlichen Bewegungen ohne Ball", sagt Schuster über seinen Transfercoup.
Der Deutsche vergleicht seinen Klub, für den er seit 2019 tätig ist, mit dem SC Freiburg. "Wir sind ein kleiner Klub, den jeder gern hat, der aber auch jederzeit jede andere Mannschaft schlagen kann. Der Unterschied ist vielleicht: Freiburg wird wohl nie Deutscher Meister. Unser Ziel ist es jedoch schon, die MLS zu gewinnen. Bisher ist uns das noch nicht gelungen."
Besitzer bieten Klub zum Verkauf an
Klingt sympathisch, alles super also in Vancouver? Nun, der sportliche Höhenflug steht auf durchaus wackligen Beinen. Denn hinter den Kulissen läuft nicht alles rund. MLS-Boss Don Garber hadert vor allem mit dem BC Place Stadium - denn das hat Kunstrasen. Die vier Eigentümer der Whitecaps, zu denen auch Ex-NBA-Superstar und Nowitzki-Kumpel Steve Nash gehört, sind deshalb ebenfalls unzufrieden. Sie wollen gern ein eigenes fußballtaugliches Stadion, doch sie warten bisher vergeblich auf den Bau. Und so zogen Nash und Co. ihre Konsequenzen und bieten den Klub seit Dezember zum Verkauf an.
Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Whitecaps in eine andere Stadt umziehen, wenn sich in Vancouver nichts ändert. Das allerdings ist Zukunftsmusik, Müller wird erst einmal am kommenden Mittwoch in Vancouver erwartet. Müllers erstes Spiel wird voraussichtlich am 17. August stattfinden, dann trifft Vancouver zu Hause in der MLS auf Houston Dynamo FC. "Radio Müller" hat für seine deutschen Fans eine Anweisung in petto: "In Deutschland um drei Uhr nachts am 18. August. Also Wecker stellen und dabei sein."
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