Recht turbulent gestaltet sich der Saisonverlauf für die SG Flensburg-Handewitt. Viele Experten haben in dem Handball-Team aus dem hohen Norden den Top-Favoriten auf den Gewinn der deutschen Meisterschaft ausgemacht. Doch nach dem 31:36 am vergangenen Sonntag bei den Füchsen Berlin liegt die Mannschaft mit 28:12 Zählern nur noch auf Rang fünf der Tabelle.

Wollen sie bei der SG nicht schon früh die Saisonziele korrigieren, muss im Duell mit dem um sechs Punkte besser liegenden Spitzenreiter Melsungen am Samstag (19 Uhr, Dyn) unbedingt ein Sieg her. Im Interview spricht der neue Trainer Ales Pajovic über das große Potenzial seiner Mannschaft, Risse innerhalb des Kaders und das Ende seiner Doppelfunktion.

Frage: Herr Pajovic, Flensburgs Sportchef Ljubomir Vranjes soll mit mehreren Kandidaten gesprochen haben, entschied sich am Ende aber für Sie. Fühlen Sie sich als dritte Wahl?

Ales Pajovic (46): Ich habe die sozialen Medien auch verfolgt. Auf Instagram gab es immer Gerüchte, dass dieser oder jener Trainer kommen soll. Das war interessant zu sehen. Aber das ist normal. Wenn man einer von mehreren Kandidaten ist, dann muss der Verein die Entscheidung treffen und schauen, was genau passt. Das ist ein Prozess, das dauert ein bisschen. Ich habe meine Aufgabe gemacht.

Frage: Und was ist die Hauptaufgabe in Flensburg?

Pajovic: Das wichtigste Ziel ist die Qualifikation für die Champions League. Es sind noch 14 Spiele, und wir sind nur vier Punkte hinter einem Qualifikationsplatz. Alles ist möglich. Dazu wollen wir in der European League möglichst weit kommen.#

Frage: Was war ausschlaggebend, eine tägliche Aufgabe anzunehmen und gegen den etwas ruhigeren Job des Nationaltrainers in Österreich einzutauschen?

Pajovic: Ich hatte super sechs Jahre. Aber ich bin es gewohnt im Leben, jeden Tag in der Halle zu sein, ein System zu entwickeln, Ideen zu verbessern und weiterzugehen. Du brauchst jede Woche Spiele. Mit der Nationalmannschaft hat es sechs Jahre gedauert. Wir haben es geschafft, richtig etwas aufzubauen. Aber es war immer mein Wunsch, einen Top-Verein zu coachen und etwas zu gewinnen. Das war mit Österreich schwer. Natürlich hatten wir Erfolg mit dem achten Platz bei der EM. Aber im Verein kann ich meine Trainer-Philosophie weiterentwickeln.

Frage: Bis zum Sommer bleiben Sie noch Nationaltrainer in Österreich. Ist die Doppelbelastung ein Problem?

Pajovic: Nein, das denke ich nicht. Wir haben noch ein Ziel, und das ist die EM-Quali. Die müssen wir schaffen. Da sind zwei Spiele gegen Deutschland. Da wird es schwer, die Punkte zu holen. Aber wir probieren alles. Mein letztes Spiel ist dann wohl das entscheidende – in Graz gegen die Schweiz. Das müssen wir gewinnen, und dann fahren wir zur EM.

Frage: Vor der Niederlage in Berlin waren Sie mit Flensburg in sechs Spielen ungeschlagen. Was hat der Mannschaft vorher gefehlt?

Pajovic: Die ganze Handball-Welt hat sich ein bisschen gewundert, wenn sie auf den Kader von Flensburg geschaut hat. Die Mannschaft war nicht Erster oder Zweiter, obwohl sie Top-Favorit auf die Meisterschaft war. Die Qualität ist da, aber irgendwas hat nicht funktioniert. Das hat man gemerkt. Ich habe viele Spiele analysiert. Die Mannschaft hat nicht ihr volles Potenzial ausgeschöpft. Wir haben richtig Qualität. Wir haben sieben Weltmeister im Training. Ich weiß, wir können noch mehr machen. Daran müssen wir und die Jungs auch glauben.

Frage: Das Aus Ihres dänischen Vorgängers Nicolej Krickau soll vor allem bei der sehr großen Dänen-Fraktion im Team für Unverständnis gesorgt haben. Gibt es Risse innerhalb des Kaders?

Pajovic: Ich habe viel gehört. Handball und Sport sind oft Kopfsache. Es gibt Dinge, die einem durch den Kopf gehen, die dann richtig stören. Das hat man gemerkt – es hat nicht optimal funktioniert. Aber ich kann nicht ändern, was war. Jetzt liegt der Fokus auf der Zukunft.

Frage: Noch einmal nachgefragt: Haben Sie das Gefühl, dass es Risse zwischen der dänischen Fraktion und den anderen Spielern gibt?

Pajovic: Im Training und in den Gesprächen habe ich nicht gemerkt, dass es ein solches Problem gibt. Die Jungs sind motiviert – sind bereit zu arbeiten. Es wird ein paar neue Sachen von mir geben. Aber man kann Spieler auch nicht über Nacht ändern. Das ist ein Prozess. Ich freue mich auf diese Aufgabe.

Frage: Welche ist die Kabinensprache bei Ihnen?

Pajovic: Wenn wir alle zusammen sind, dann wird Deutsch gesprochen. Das ist für mich wichtig.

Frage: Sie waren als Spieler in der Bundesliga unter anderem in Kiel und Magdeburg. Hat Sie einer von diesen Klubs mal schief angeschaut und gefragt, warum Sie jetzt ausgerechnet in Flensburg anfangen?

Pajovic: Ich war nur drei Monate in Kiel, das war 2007. Jetzt bin ich Flensburger. Dieses Nord-Derby ist immer cool. Ich arbeite jetzt für Flensburg und weiß, dass ich das Spiel gegen Kiel gewinnen muss.

Frage: Wie wichtig ist das Spiel am Samstag gegen Spitzenreiter Melsungen für Ihre Ziele, für die Meisterschaft?

Pajovic: Jedes Spiel ist wichtig. Wir müssen aufpassen, sonst macht man Fehler, so wie es Kiel in Wetzlar gemacht hat. Wir dürfen nicht einfach Punkte liegen lassen gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellenbereich. In den Top-Spielen, wie gegen Melsungen, müssen wir alles geben, um zu gewinnen.

Frage: Wer wird Deutscher Meister?

Pajovic: Melsungen ist auf einem guten Weg, sie machen es sehr konstant. Aber es ist immer schwer, diese Konstanz zu halten. Wir sehen ja, wie verrückt die Liga in dieser Saison ist. Meine Mannschaft und ich versuchen alles, um im Kampf um die vorderen Plätze noch ein Wörtchen mitzusprechen.

Frage: Ihre Stars Lukas Jørgensen und Simon Pytlick wechseln angeblich nach Ungarn bzw. Berlin – die Gerüchteküche rund um Flensburg hat zurzeit Höchsttemperaturen. Inwieweit beeinflusst das Ihre tägliche Arbeit?

Pajovic: Ich probiere, mich da ein bisschen zu isolieren. Im Moment bin ich sehr fokussiert auf die nächsten Monate. Die Gerüchte müssen wir ausblenden und uns auf den Handball fokussieren.

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

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