Gerd Niebaum stand 18 Jahre bis 2004 an der Spitze des BVB. Der Verein wurde einmal Pokalsieger, dreimal Deutscher Meister, Champions-League-Sieger und Weltpokalsieger. Aber der BVB häufte unter Niebaum auch Schulden über 120 Mio. Euro an.
Nach seinem Ende beim BVB zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück. Jetzt hat der Jurist mit 76 Jahren seinen ersten Roman veröffentlicht.
Frage: Herr Niebaum, Sie haben in 18 Jahren als Präsident von Borussia Dortmund den Verein von der Relegation zu u. a. drei Meisterschaften, dem Champions-League- sowie Weltpokalsieg geführt. Aber auch 120 Mio. Schulden aufgebaut und sind nach Ihrem Abschied aus der Öffentlichkeit abgetaucht. Im Juni haben Sie nun Ihren ersten Polit-Thriller „White House not for Sale“ veröffentlicht. Wie kam es zu der Idee?
Gerd Niebaum: Ich habe mich bewusst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und ein reines Privatleben geführt. Dabei habe ich, wie viele andere auch, über Jahre genau die Entwicklung in den USA beobachtet. Und mich gefragt: Was kann alles in solch einer Demokratie passieren? Wie brüchig, wie widerstandsfähig ist sie? Meine Fantasie wurde angeregt, und ich habe begonnen, in meinem Kopf eine Story zu spinnen.
Frage: Wovon handelt sie?
Niebaum: In meinem Buch trägt ein Vizepräsident ein Geheimnis mit sich herum, das über 30 Jahre zurückliegt. Es geht um Machtspiele, Kryptopläne, Korruption und Verbrechen, um eine Verschwörung auf höchster Ebene. Aber: Ich habe zu Beginn nie daran geglaubt, dass ich in der Lage bin, ein Buch zu schreiben und einen Leser mit meiner Geschichte fesseln kann. Ich bin ja Rechtsanwalt und Notar gewesen. Da diktieren Sie nüchterne Verträge. Wie soll man da Spannung erzeugen?
Frage: Warum haben Sie dennoch angefangen zu schreiben?
Niebaum: Der Plot ist schon sechs, sieben Jahre alt. Geholfen hat mir, dass ich selbst viele Thriller lese. Mein Lieblingsschriftsteller ist John Grisham. Vor anderthalb Jahren habe ich dann losgelegt. Einen ganzen Thriller zu schreiben, ist vergleichbar mit einem Marathonlauf. Auch beim Schreiben muss man sich überwinden, kämpfen und beißen, um zum Ziel zu kommen. Die ersten Reaktionen waren positiv, sodass der Roman veröffentlicht werden konnte.
Frage: Macht, Politik und Intrigen: Wie viele Ihrer eigenen Erfahrungen in der Fußballbranche haben Sie in dem Buch verarbeitet?
Niebaum: Bewusst gar keine. Es ist eine rein fiktive Handlung. Aber natürlich hatte ich ein interessantes, bewegtes Leben im Fußball, mit allen Höhen und allen Tiefen. Und natürlich hat mich das geprägt. Ich hatte regelmäßig Umgang mit Politikern, mit mächtigen Wirtschaftsbossen. Das erweitert sicherlich die Perspektive.
Frage: Lernt man im Fußballgeschäft, wie Machtspiele funktionieren?
Niebaum: Ja, das lernen Sie. 1986 bin ich durch Zufall als Fan Präsident des BVB geworden. Das war für mich eine völlig andere Welt, die ich erst einmal begreifen musste. Sie finden hier alles – wie unter einem Brennglas –, was Sie in unserer normalen Gesellschaft auch finden: Machtspiele und Intrigen. Daran musste ich mich damals erst gewöhnen.
Frage: Können Sie ein Beispiel nennen?
Niebaum: Es geht viel um Egoismus und den Status. Und natürlich spielt das Geld eine ganz entscheidende Rolle. Wir haben 1997 die Champions League gewonnen, 2002 erneut die Meisterschaft. Hinter den Kulissen tut sich dann einiges. Zum Schluss meiner Amtszeit war das dann natürlich nicht mehr schön …
Frage: … weil herauskam, wie hoch verschuldet und am Rande der Insolvenz der Verein ist.
Niebaum: Es ist schade, dass eine so lange Zeit von 18 Jahren im Nachhinein so stark geprägt wird durch den Abschluss. Aber ich muss klar sagen: Ich habe eine Menge gemacht in den 18 Jahren. Und wenn Sie eine Menge machen, dann machen Sie manches richtig und manches falsch.
Frage: Was werfen Sie sich vor?
Wir haben zum Schluss einfach zu viel gewollt: Mit der Meisterschaft 2002 wollten wir gleichzeitig eine ganz starke Mannschaft stellen und das Stadion ohne öffentliche Zuschüsse weiter ausbauen, auch für die WM 2006. Das alles zusammen war zu viel.
Frage: Was sagen Sie Kritikern, die behaupten, Sie hätten den BVB gegen die Wand gefahren?
Niebaum: Wenn man die Fakten sieht, dann bin ich 2004 freiwillig ausgeschieden, weil ein Neustart in anderer Besetzung besser für den Verein war. Die Partner und die Gläubiger schöpfen eher Vertrauen in neue Leute. Der Verein ist im Anschluss nicht in die Abstiegszone gerutscht, sondern hat in den Jahren 2005, 2006 und 2007 immer einen Platz im oberen Bereich der Tabelle belegt. Die Gläubiger konnten bezahlt werden. Meine Nachfolger haben die Chance zur Sanierung ausgezeichnet genutzt. Aber ich kann verstehen, dass man in der damaligen Zeit die Angst und die Sorge hatte, dass Schlimmeres passieren könnte.
Frage: Gehen Sie noch ins Stadion?
Niebaum: Ich war einige Male im Stadion, aber als ganz normaler Fan und nicht auf der Ehrentribüne. Im TV schaue ich jedes Spiel. Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich die gelbe Wand sehe, die wir gegen gewaltige Widerstände als reine Stehtribüne durchgesetzt haben. Sie ist mit den 25 000 Fans die Verkörperung eines Wir-Gefühls. Dafür steht Borussia Dortmund.
Frage: Haben Sie noch Kontakt zu Weggefährten – und gab es nach der Veröffentlichung Ihres Thrillers Reaktionen von ihnen?
Niebaum: Ich habe noch zu einigen engen Kontakt, zum Beispiel zu meinem Freund und damaligen Mitarbeiter Michael Meier, zu den Trainern Horst Köppel und Ottmar Hitzfeld sowie zu Spielern wie Andy Möller, Heiko Herrlich oder Miki Stevic. Aber Reaktionen bisher nicht, das Buch ist ja auch ganz frisch auf dem Markt.
Frage: Sie haben ein bewegtes Leben hinter sich. War Ihnen nach dem Ende Ihrer Tätigkeit beim BVB schon klar: Jetzt möchte ich etwas ganz anderes machen – wie etwa ein Buch schreiben?
Niebaum: Nein, sicher nicht. Dass ich jetzt einen Thriller geschrieben habe und er sogar veröffentlicht wird, ist mehr ein Zufall. Was das Leben angeht, so haben Sie recht. Es war ein Auf und Ab. Wichtig ist, dass man sich nicht aufgibt und an sich glaubt, aber immer auch bereit sein muss, eigene Fehler zu erkennen. Meine Familie und meine Freunde haben mir geholfen. Dafür bin ich dankbar.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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