Gina Lückenkemper reißt sich "Tag für Tag den Hintern auf" für den einen großen Traum: das WM-Finale in Tokio. Vor der Deutschen Meisterschaft räumt die Sprint-Königin jegliche Hindernisse aus dem Weg. Sei es Ablenkung durch Donald Trump oder Hass-Kommentare.

Gina Lückenkemper liebt die Geschwindigkeit. Den Rausch des Tempos, er gibt ihr ein Gefühl der Freiheit. Die Flinkheit ihrer Beine sowie ihrer Lippen begeistern Deutschland seit 2018, als sie bei der Berliner Europameisterschaft in die Herzen der Massen sprintete. Aber die schnellste Frau Deutschlands will mehr. Sie will die wahren Früchte dieser Freiheit ernten, will endlich den großen WM-Fluch besiegen - und auf dem Weg dorthin räumt sie jegliches Hindernis konsequent aus dem Weg.

Selbst Donald Trump kann Lückenkemper nicht erschüttern. 2019 wechselte sie in eine Elite-Trainingsgruppe in den USA und lebt den Hauptteil des Jahres in Florida. Der Zoll-Krieg des US-Präsidenten, brutale Massenabschiebungen, Trumps Kampf gegen Wissenschaft, Medien oder Diversität? "Ich bewege mich nur in meiner Trainingsgruppe und kriege davon nicht viel mit", sagt Lückenkemper bezüglich der jüngsten politischen Entwicklungen gegenüber ntv.de. Im Training mit Mitgliedern aus vielen Nationen spreche man zwar manchmal über Politik und sie lese auch die Nachrichten über Trump, aber "das ist einfach nicht mein Hauptaugenmerk. Ich habe eine WM anstehen."

Natürlich möchte Lückenkemper zunächst die Deutsche Meisterschaft bei den Finals in Dresden am Abend (19.10 Uhr/ARD) gewinnen, es wäre die vierte in Serie. Aber am Horizont wartet das eigentliche Ziel. Lauert förmlich wie eine sich aufbäumende Gefahr, die die Sprint-Königin endlich bezwingen will: die Weltmeisterschaft in Tokio (13. bis 21. September).

Für Lückenkemper ist Wettkampf nur Genuss

Denn die Doppel-Europameisterin von 2022 und Staffeldritte von Paris hat "die Nase gestrichen voll". Sie möchte endlich "in so einem WM-Finale stehen". Das sagte Lückenkemper vor der WM 2023, nachdem sie bei den Weltmeisterschaften 2017, 2019 und 2022 jeweils im Halbfinale gescheitert. Es wurde damals wieder nichts.

Wie gerne würde Lückenkemper nun in Tokio all ihren Speed auf die Strecke knallen. So wie auf der berühmten blauen Laufbahn im Berliner Olympiastadion, ihrem "absoluten Lieblingsstadion", beim Istaf 2024. 10,93 Sekunden. Wahnsinn. Persönliche Bestzeit und die magischen 11 Sekunden locker geknackt. Es war die schnellste Zeit einer deutschen 100-Meter-Läuferin seit mehr als 30 Jahren. Sie hätte für das Finale bei den Olympischen Spielen in Paris, das Lückenkemper "nur" mit der Staffel erreichte, gelangt.

Für die Sprint-Queen kommt es vor allem darauf an, den Speed "zu fühlen", wie sie in Berlin vor dem Istaf erklärt. Wird etwa der Körper steif und der Druck zu hoch, wenn es um das langersehnte WM-Finale geht? "Für mich macht es keinen großen Unterschied, wo ich starte, weil ich noch nie der grundnervöse Typ gewesen bin", erklärt eine stets selbstbewusste Lückenkemper gegenüber ntv.de "Ich bin da um das zu tun, wofür ich mir Tag für Tag den Hintern aufreiße. Der Wettkampf ist für mich Genuss. Das ist der spaßige Teil meines Jobs."

"Ich habe auch Online-Hass erlebt, klar"

Beim diesjährigen Istaf, vor einer Woche, kann die 28-Jährige mit einer Zeit von 11,05 Sekunden zufrieden sein. Zwar reicht es nur für den zweiten Platz, aber sie läuft Saisonbestleistung. Lückenkemper strahlt wie so oft über beide Ohren, bekundet immer wieder ihre Liebe zu diesem Event, diesem Stadion und dieser Stadt, winkt ins Publikum. Die knapp 30.000 Fans feiern sie lautstark, schießen anschließend Fotos mit ihr.

Schnell ja, aber schnell genug? "Wir haben in Dessau gesehen, was noch in diesen Beinen schlummert", sagt Lückenkemper mit Blick auf Tokio. "Ich habe schon öfter gezeigt, dass ich auch im September noch schnell rennen kann." Beim Meeting in Dessau war sie kürzlich wieder 10,93 gelaufen - aber mit etwas zu viel Rückenwind.

Japan. WM. Der große Traum. Nicht nur Trumps Gebaren lässt Lückenkemper deshalb nicht an sich heran. Hass-Nachrichten, von denen Spitzensportlerinnen etwa im Tennis oder Fußball zuletzt vermehrt berichteten, genauso wenig. "Ich habe auch Online-Hass erlebt, klar", sagt Lückenkemper. "Es ist da aber ruhiger geworden, weil ich mittlerweile etwa auf Instagram verschiedene Schutzmechanismen nutze." Die Sprinterin hat sich eine "Blacklist" angelegt, mit Wörtern, mit denen man nicht mehr kommentieren oder eine Nachricht an sie schicken darf. "Die Hass-Nachrichten werden mir also gar nicht mehr angezeigt, nicht mal mehr im Spam-Ordner."

Konsequent merzt Lückenkemper mittlerweile alles aus, was sie auf dem Weg zum Sprint-Thron hindern und Energie rauben könnte: "Wer sich auf meinen sozialen Kanälen nicht benimmt, der fliegt raus. Da bin ich rigoros. Dafür ist mir mein Leben viel zu lieb. Kein Platz für Bullshit."

Auch flapsig kann's Lückenkemper noch

Dennoch macht sich die Sprint-Königin Gedanken. "Ich verstehe nicht, was in den Köpfen von Leuten los ist, die Hass-Kommentare verfassen. Das stelle ich mir so unfassbar frustrierend vor", sagt Lückenkemper. Sie weise schon seit Jahren daraufhin, dass "in Deutschland leider oft mit dem Finger auf andere gezeigt wird, wenn es bei denen nicht gut läuft. Es wird lieber noch mal nachgetreten, anstatt die Leute aufzubauen, wenn sie am Boden liegen, damit sie stärker zurückkommen können."

Die 28-Jährige ist seit ihrem Wechsel in die USA stetig fokussierter, abgeklärter und gradliniger geworden. Mit dieser Einstellung soll das WM-Finale von Tokio erreicht und der kleine Fluch besiegt werden. Endlich. Aber Gina Lückenkemper wäre nicht Gina Lückenkemper, wenn sie bei all der Professionalität nicht doch noch schnell einen der flapsigen Sprüche auf Lager hätte, für die ihre Fans sie lieben. "Das Training läuft nicht nur gut, es rennt sogar", sagt sie mit einem Zwinkern. Die Deutsche Meisterschaft und die Weltmeisterschaft können kommen. Mit großer Geschwindigkeit.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke