Roland Virkus, Geschäftsführer von Borussia Mönchengladbach, wurde in einem auf Mallorca von Fans aufgenommen Video von Spieler Florian Neuhaus als „schlechtester Manager der Welt“ bezeichnet. Was macht das mit ihm? Virkus bleibt unbeeindruckt von persönlichen Angriffen und betont, dass Entscheidungen im Sinne des Vereins getroffen werden, wobei Neuhaus nach seiner Strafe wieder sportlich bewertet wird. In Bezug auf den Kaderwechsel und die Nachwuchsförderung hebt der 58-Jährige die Entwicklung junger Spieler wie Rocco Reitz hervor und ist für die neue Saison optimistisch.
Frage: Herr Virkus, am Ballermann auf Mallorca werden Sie in den Songs von Julian Benz und Co. neuerdings als „Don Rollo“ besungen. Ihr Musikgeschmack?
Roland Virkus: Ich kenne die Songs nicht. Aber es ist doch schön, wenn die Leute am Ballermann Spaß damit haben.
Frage: Die Songs spielen auf das Fan-Video an, in dem Florian Neuhaus sein Vier-Millionen-Euro-Gehalt ausgeplaudert und Sie vermeintlich als „schlechtesten Manager der Welt“ bezeichnet hat. Hat sich der Spieler bei Ihnen entschuldigt?
Virkus: Im Vier-Augen-Gespräch hat er sich entschuldigt, ja.
Frage: Der Verein hat Neuhaus sanktioniert, er muss eine Geldstrafe zahlen und aktuell für vier Wochen mit der zweiten Mannschaft trainieren. Haben Ihnen die Äußerungen persönlich wehgetan?
Virkus: Von persönlichen Befindlichkeiten lasse ich mich in meiner Arbeit nicht treiben. Meine Aufgabe ist es, Entscheidungen im Sinne des Klubs zu treffen. Hier hat ein Spieler gegen die Werte und Kultur des Vereins verstoßen, das haben meine Geschäftsführer-Kollegen und ich entsprechend sanktioniert. Wenn die vier Wochen vorbei sind, wird er wie alle anderen Spieler unter sportlichen Gesichtspunkten bewertet. Dann muss er performen.
Frage: Spielt Florian Neuhaus jemals wieder für Gladbach?
Virkus: Wenn er seine Qualitäten so abruft, wie er das in der Vergangenheit schon gezeigt hat, dann ist ein Spieler wie Florian Neuhaus sportlich ein Faktor. Das würde ich mir wünschen. In den letzten zwei Jahren nach seiner Vertragsverlängerung war da allerdings ordentlich Luft nach oben. Wir haben einen Anspruch an ihn – und er sicher auch an sich selbst. Daran messen wir ihn.
Frage: Wünschen Sie sich für Ihre Arbeit mehr Wertschätzung? Oder anders gefragt: Kennen die Fans überhaupt den wahren Roland Virkus?
Virkus: Den wahren Roland Virkus kennt man in der Öffentlichkeit eher nicht, den kennt vor allem meine Familie und mein Umfeld: Ein ganz normaler, bodenständiger Mensch mit Emotionen, die ich aber in der Öffentlichkeit noch nie so richtig gezeigt habe. Und zum Thema Wertschätzung: Ich weiß, dass die Menschen, die sich näher und hintergründig mit Borussia beschäftigen, sehen, welche Arbeit wir hier in den zurückliegenden Jahren zu tun hatten. Die Situation war und ist anspruchsvoll. Wir mussten im Kader einen Generationenwechsel vollziehen und Spieler ersetzen, die sportlich und menschlich sehr wertvoll waren. Natürlich war im Rückblick nicht jede Entscheidung richtig. Aber wir haben sie alle vor dem Hintergrund getroffen, was in dieser Situation das Beste für die Borussia ist.
Frage: Was war Ihre Beste?
Virkus: Bei den Neuverpflichtungen möchte ich eigentlich keinen herausheben, obwohl es schon etwas Besonderes war, mit Tim Kleindienst einen Spieler zu verpflichten, der direkt zum deutschen Nationalspieler und Goalgetter wurde. Besonders stolz bin ich darauf, wie gut sich einige der jungen Spieler, auf die wir gesetzt haben, entwickelt haben. Allen voran Rocco Reitz, er ist seit der U9 bei uns, hat unsere Tugenden von der Pike auf gelernt und bringt sie nun erfolgreich bei den Profis ein.
Frage: Reitz ist als Anführer der deutschen U21 bei der EM mit Joshua Kimmich verglichen worden. Befördern Sie ihn jetzt zum Kapitän?
Virkus: Mich freut es, dass Borussia Mönchengladbach durch Rocco im Fokus stand, gerade im Finale gegen England. Rocco war ein großer Teil der Erfolgsgeschichte des DFB bei dieser EM. Neben Woltemade war er der Auffälligste. Um Kapitän zu sein, gehört sehr viel dazu, in der Kabine und im Umfeld. Rocco ist noch jung und kann noch einiges lernen, er ist aber gerade dabei auch diese Verantwortung zu übernehmen. Der Trainer wird eine gute Entscheidung treffen, dabei spielt Rocco sicherlich eine Rolle.
Frage: Ein Kandidat ist auch Tim Kleindienst, der noch bis Oktober wegen seiner Knieverletzung fehlt. Gefährdet sein Ausfall die Ziele des Klubs?
Virkus: Nein, und wir werden auch nicht klagen. Fakt ist aber: Der Kleindienst-Ausfall trifft uns. Tim fehlt nicht nur als Fußballer, sondern auch als Mensch und als Kommunikator. Den Ausfall muss die Mannschaft gemeinsam auffangen, die neue Verantwortung kann einigen Spielern aber auch in ihrer Entwicklung helfen.
Frage: Sie haben als Sturm-Ersatz Haris Tabakovic aus Hoffenheim ausgeliehen, für viel mehr fehlt das Geld. Der FC Bayern arbeitet dagegen an einem 80-Millionen-Transfer für Díaz, Liverpool hat in diesem Sommer bereits über 308 Millionen ausgegeben. Bei der Klub-WM haben die Teilnehmer in Summe eine Milliarde US-Dollar eingenommen. Wie lange können Traditionsvereine wie Gladbach noch mithalten?
Virkus: Wir haben bei der Borussia einen anderen Weg zu gehen. Deswegen mache ich mir keine Gedanken, was in München oder Liverpool passiert. Unabhängig davon stehen doch alle Klubs vor denselben Fragen, egal, ob sie viel Geld haben oder weniger: Passen die Profile der Spieler zusammen? Stimmt die Teamchemie? Ziehen im Umfeld alle an einem Strang? Wir als Borussia gehen mit Überzeugung den wirtschaftlichen Weg der Unabhängigkeit und sportlich den Weg mit der Entwicklung von jungen Spielern. Wir haben spannende neue Jungs dabei, die uns sportlich, aber auch menschlich weiterbringen werden. Wir haben einige Spieler mit viel Entwicklungspotenzial im Kader. Das frische Auftreten unserer vielen jungen Spieler freut mich enorm, auch die positive Energie in der Mannschaft und im Staff.
Frage: Paradebeispiel ist Marc-André ter Stegen, der 2014 für zwölf Millionen Euro nach Barcelona gewechselt ist. Dort ist er jetzt zur Nummer drei degradiert und vom Training ausgeschlossen worden. Ein unwürdiges Vorgehen? Sie stehen eng mit ihm im Kontakt.
Virkus: Aus der Entfernung betrachtet ist der Umgang mit Marc-André in Barcelona wirklich nicht gut. Jede Phase im Fußball ist einmal zu Ende. Wenn ein Spieler aber solch eine Ära geprägt hat, dann hat er einen offenen und respektvollen Umgang verdient. Ich hoffe, dass er nach seiner Rücken-OP schnell wieder zurückkommt und man ihm mit diesem Umgang nicht das große WM-Turnier verbaut, für das er so hart arbeitet, und auch weiterhin verdient hat zu spielen.
Frage: Matthias Sammer hat den deutschen Fußball zerlegt. Er vermisst klar erkennbare Werte und Persönlichkeit. Hat er Recht?
Virkus: Ich finde es gut, dass er diese Themen benennt. Viele Dinge, die er angesprochen hat, stören mich auch. Beispiel: Wir erheben zahllose Sportdaten, überinterpretieren sie aber manchmal. Natürlich ist die Datenlage im Scouting wichtig, sie sagt aber wenig über den Charakter oder die Spielintelligenz eines Spielers aus. Und auch bei der sogenannten Belastungssteuerung sind Daten zwar sehr wichtig, aber nur ein Teilaspekt. Bei der Bewertung bedarf es wieder mehr Fußball-Sachverstand, Persönlichkeit und Erfahrung. Mir ist es wie Matthias auch sehr wichtig, dass wir klare Werte vertreten. Borussia hat eine große Strahlkraft und steht für Leidenschaft. Ich erwarte von unseren Spielern in der kommenden Saison, dass sie in jeder Phase des Spiels auch physisch dagegenhalten, Widerstände überwinden und ihr Herz auf dem Platz lassen. Das sind die Tugenden, die den deutschen Fußball bei großen Turnieren immer ausgezeichnet haben und die für unsere Gegner schwer zu greifen waren. Diese Tugenden sind die Grundlage für Siege. Wenn unsere Mannschaft diese auf den Platz bringt, wird unser Weg auch erfolgreich sein.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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