Die schwarz-gelben Fahnen flatterten im Wind – ansonsten gab es zuletzt auffällig wenig Bewegung auf der Adi-Preißler-Allee, die zum Trainingszentrum von Borussia Dortmund führt. Keine Spur von Fans und Autogrammjägern, die ansonsten hier um diese Jahreszeit zur Szenerie gehören. Das Rolltor zum Allerheiligsten, dem Profileistungszentrum, blieb verschlossen – bis zu diesem Samstag. Dann erst startete der BVB mit medizinischen Leistungstests und einer ersten Einheit in die Saisonvorbereitung. So spät wie noch nie.

Während die allermeisten Bundesligisten schon seit drei bis vier Wochen trainieren, sich teilweise bereits im Trainingslager befinden, tanzen ausgerechnet die beiden Schwergewichte der Branche aus der Reihe. Doch anders war es kaum möglich: Denn für den BVB und den FC Bayern dauerte die Saison 2024/25 bis zum 5. Juli an – an diesem Tag hatten der Tabellenvierte der Bundesliga und der Deutsche Meister mit ihren Viertelfinal-Niederlagen die Klub-WM für sich beendet. Erst anschließend konnten sich die Profis ein wenig Urlaub gönnen.

Wie hoch die Rechnung dafür sein wird, wie gravierend die Folgen sind – darüber ist sich die Fachwelt genauso uneinig wie über den sportlichen Wert des neuen Mammutturniers für Vereine, das fortan einen festen Platz im Kalender des Weltfußballs einnehmen wird. Zukünftig wird die Klub-WM alle vier Jahre ausgespielt. Für die Dortmunder und die Bayern war es ein entscheidender Aspekt in ihrer Strategie der globalen Vermarktung und zudem eine ganz konkrete Zusatzeinnahme. Der BVB bekam 52,61 Millionen Euro, die Bayern kassierten 58,14 Millionen Euro.

Klopp steht mit seiner Befürchtung nicht allein da

Für manche Kritiker wie Jürgen Klopp war es dennoch die „schlechteste Idee, die jemals im Fußball umgesetzt wurde“. Durch die Ausweitung der ohnehin schon strapaziösen Belastung werde auf fahrlässige Weise mit der Gesundheit der Spitzenspieler umgegangen, hatte der Global Head of Soccer der Red Bull GmbH im Interview mit WELT AM SONNTAG dargelegt. Die betroffenen Vereine könnten in der kommenden Saison „Verletzungen erleiden, die sie noch nie hatten“.

Der frühere Coach von Mainz, Dortmund und Liverpool steht mit seiner Befürchtung nicht allein. Das vielfach verbreitete Narrativ ist: Die Funktionäre der europäischen Spitzenvereine haben sich nur von Gewinnstreben leiten lassen, als sie sich bereit erklärt hatten, trotz anfänglicher Skepsis an dem von Fifa-Präsident Gianna Infantino durchgesetzten Turnier teilzunehmen. Aber dafür werden sie einen Preis zahlen – weil ihre Klubs einen nicht unerheblichen Wettbewerbsnachteil im Hinblick auf die kommende Spielzeit erleiden dürften. Denn sie werden mit nicht ausreichend regenerierten Spielern in die neue Saison gehen. Die CEOs der Spitzenvereine haben, so die Kritiker, ihre Wettbewerbsfähigkeit torpediert.

Diese These vertritt auch Rudi Völler. Der Teamchef der deutschen Nationalelf hatte bereits im Vorfeld der Klub-WM Alarm geschlagen. Die Belastungen seien einfach „zu viel“. Man sehe doch ohnehin schon, „wie viele Klubs über verletzte Spieler klagen“, hatte er im Winter gewarnt: „Und dann noch ein zusätzliches Turnier? Wie sollen sich die Spieler denn von diesen Belastungen ohne richtigen Urlaub erholen?“

Bayern und Dortmunder sehen die Herausforderungen, die sich aus ihren knapp vierwöchigen Aufenthalten in den USA ergeben könnten. „Die Vorbereitung wird komprimierter sein, aber wir haben durch die Klub-WM auch nicht so viel Substanz verloren. Die Jungs hatten vor dem Turnier Urlaub und anschließend noch einmal drei Wochen Urlaub – mit einigen freien Tagen und einigen Tagen, an denen sie ihre Läufe gemacht haben“, sagte Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl im Gespräch mit WELT AM SONNTAG.

Natürlich werde die Saisonvorbereitung speziell sein. Denn bereits am 18. August müssen die Borussen im DFB-Pokal beim Drittligisten Rot-Weiss Essen antreten, fünf Tage darauf steht das erste Bundesligaspiel beim FC St. Pauli an. Den Bayern bleibt noch weniger Zeit: Sie starten erst am Montag in die Vorbereitung, am 16. August steht mit dem DFL-Supercup gegen den VfB Stuttgart das erste Pflichtspiel an.

Die BVB-Spieler hatten spezielle Trainingspläne bekommen

Eine derart zeitlich begrenzte Vorbereitungsphase hat es noch nie gegeben – deshalb soll sie, sofern möglich, anders gestaltet werden. „Es ist in der Kürze der Zeit gar nicht machbar, im Training Riesenumfänge zu fahren. Die Jungs müssen sich relativ schnell wieder hochfahren“, erklärt Kehl. Die Inhalte werden entsprechend neu strukturiert: Der Konditionsaufbau, der im Wesentlichen über Lauftraining stattfindet, begann bereits in der Spätphase des Urlaubs der Spieler, die entsprechende Trainingspläne bekommen hatten. Darauf soll nun Cheftrainer Niko Kovač aufbauen und dann im Trainingslager im österreichischen Saalfelden vom 4. bis 9. August Belastungsspitzen setzen können.

Die Bayern verzichten sogar gänzlich auf ein Trainingslager. Während der Klub-WM hätten die Spieler lange genug aufeinander gehockt, so der Gedanke. Wichtig sei vordergründig, „dass die Jungs mal abschalten und Kraft sammeln können, damit wir in der neuen Saison den nächsten Schritt machen“, sagte Trainer Vincent Kompany.

Doch die Zeit dazu ist extrem begrenzt – und das Bedürfnis nach Regeneration ist nicht nur wegen der zusätzlichen Belastung durch die Klub-WM groß. Denn bereits über die vergangenen Jahre sind die Anforderungen extrem gestiegen – was nicht ohne Folgen geblieben ist. Im „Howdens Men’s European Football Injury Index“, einer datenbasierten Erhebung über die Verletzungen von Spielern in den fünf großen europäischen Ligen, finden sich Zahlen, die das Ausmaß belegen.

Von der Saison 2020/21 bis zum Ende der Spielzeit 2023/24 haben die Verletzungen in der englischen Premier League, der spanischen La Liga, der Bundesliga, der italienischen Serie A und der französischen Ligue1 deutlich zugenommen – pro Mannschaft um durchschnittlich 38,7 Prozent pro Spielzeit. Die Bundesligisten toppen diesen Wert sogar noch: mit 66 Prozent mehr Verletzungen pro Klub im Schnitt innerhalb von vier Jahren.

Noch etwas zeigt der Report, den die angloamerikanische Versicherungsgesellschaft, die u.a. auf Risikomanagement im Sport spezialisiert ist, erstellt hat: Vor allem beim BVB und den Bayern haben in diesen vier Jahren die Verletzungen dramatisch zugenommen. In der Saison 2020/21 waren es noch 51 (BVB) und 67 (FCB), im Spieljahr 2023/24 dagegen 91 (BVB) und 96 (FCB). Eine eindeutige Folge der vielen Pflichtspiele – vor allem auch wegen der Länderspiele. In diesen Zeitraum fielen zwei Europameisterschaften (2021 und 2024) sowie eine WM (2022). Bei den Bayern hat sich Topstar Jamal Musiala nun bereits während der Klub-WM verletzt und fällt lange aus.

Lässt sich die Schraube zurückdrehen?

Es ist aber nicht die Anzahl der Spiele allein, es sind vor allem die Folgen der zunehmenden Globalisierung, die Tribut zu fordern scheinen: Die Flugreisen zu internationalen Spielen verkürzen die Regenerationszeiten erheblich. So hat es BVB-Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer in den vergangenen zwölf Monaten auf 54.000 Flugkilometer gebracht – so viel, als hätte er 1,36 Mal die Welt umrundet. Bayerns Joshua Kimmich bringt es auf fast den gleichen Wert (52.000). Hinzu kamen bei der Klub-WM die klimatischen Bedingungen und die unterschiedlichen Zeitzonen.

Es gibt keine zwei Meinungen darüber, warum die Belastung am Anschlag ist. Die Frage ist nur: Ist der Status quo noch beherrschbar? Und: Falls nicht, ließe sich die Schraube überhaupt zurückdrehen?

Die Antworten fallen unterschiedlich aus. So ergeben sich beispielsweise aus der Klub-WM auch positive Effekte. Dadurch, dass die Mannschaften der Bayern und der Dortmunder einen Monat zusammen waren, konnten Inhalte der Saisonvorbereitung vorweggenommen und mit dem kompletten Kader trainiert werden. Die Reise ließ auch Teambuilding-Maßnahmen zu. Das war in dieser Form im vergangenen Jahr kaum möglich gewesen. Da hatte es in Dortmund und München zwar deutlich längere Saisonvorbereitungen gegeben – doch weite Strecken mussten ohne die Nationalspieler absolviert werden, da diese nach der EM Sonderurlaub hatten.

„Der Vorteil ist, dass wir gemeinsam anfangen können“, sagt Kehl. Er will es nicht in Abrede stellen, dass die Klub-WM Auswirkungen auf die Physis haben kann. Ein gutes Monitoring der Spieler werde wichtig sein: „Das Turnier hat in dieser Form zum ersten Mal stattgefunden, entsprechend werden wir auch diese Erfahrungen zum ersten Mal machen. Es gibt keine Blaupausen! Aber wir nehmen das auf keinen Fall als Problem wahr, hinter dem wir uns verstecken.“

Es gibt also keinen Automatismus, dass es so kommen wird, wie es Rudi Völler vor einem halben Jahr prophezeite. Da habe ihm Fernando Carro, Klubchef von Bayer Leverkusen, gebeichtet, dass er mit seinem Verein auch gern in den USA dabei gewesen wäre, hatte Völler verraten. Er habe ihm geantwortet: „‚Fernando, sieh es mit einem weinenden und einem lachenden Auge.‘ Denn die Leverkusener, Leipziger und Frankfurter werden nach der Klub-WM gefühlt mit fünf Punkten Vorsprung in die nächste Saison gehen.“ So massiv, glaubt Völler, werden die Fitness-Nachteile der Bayern und der Dortmunder sein.

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