Der stramme Flachschuss grub sich tief in die emotionale Befindlichkeit der deutschen Fußballerinnen ein. Gerade hatte Aitana Bonmati in der 113. Minute das 1:0 für Spanien erzielt und damit das Aus der Mannschaft von Bundestrainer Christian Wück quasi besiegelt. Geschockt vermochte seine Auswahl diesem Nackenschlag in der Verlängerung nicht mehr zu trotzen. 

Dass die bis dato bei der EM so famos auftretende Torhüterin Ann-Katrin Berger auch noch entscheidend mit einem Fehler patzte, verlieh dem letzten Auftritt des Nationalteams eine dramatische Note. Allerdings hatten die Spanierinnen im Stellungsspiel der Deutschen auch einen Schwachpunkt ausgemacht. „Wir wussten, dass sie in dieser Situation manchmal den kurzen Pfosten frei lässt“, sagte Weltfußballerin Bonmati über ihr Goldenes Tor in Zürich. 

Während Deutschland durch die Pleite im Halbfinale die Heimreise antreten musste, dürfen die Spanierinnen ihren Lauf fortsetzen. Im Finale treffen sie Sonntag (18 Uhr, ZDF und im WELT-Liveticker) in Basel auf England. Ein Duell, das es exakt so im WM-Endspiel vor zwei Jahren gab – und das Erinnerungen an einen der größten Skandale im spanischen Fußball weckt. Die Protagonisten von damals beschäftigt der Vorfall bis heute.

Rubiales Mutter trat in den Hungerstreik

Am 20. August 2023 gewann die Frauen-Auswahl Spaniens im Finale der globalen Titelkämpfe in Sydney gegen England 1:0. Olga Carmona sorgte für den Treffer des Tages und Ekstase auf dem Spielfeld – manch einer vermochte seine Gefühle nicht so recht zu beherrschen. Allen voran Luis Rubiales. Der spanische Verbandschef schulterte eine Spielerin auf dem Rasen und küsste bei der Siegerehrung Stürmerin Jennifer Hermoso auf dem Mund. Während Rubiales hinterher sagte, es habe sich um einen spontanen Ausbruch der Freude gehandelt, gab Hermoso an, alles andere als einverstanden gewesen zu sein mit dem übergriffigen Akt. Es war der Beginn einer Auseinandersetzung, die bisweilen bizarre Züge annahm und kürzlich wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rückte.

Während sich Rubiales in den Wochen nach dem fatalen Kuss keiner Schuld bewusst war, schaltete sich rasch seine Mutter in die Debatte ein. Angeles Béjar sperrte sich im südspanischen Motril in einer Kirche ein und trat in einen Hungerstreik. Es sei unmenschlich, „dass sie meinem Sohn etwas antun, was er nicht verdient“, sagte sie. Rubiales sei das Opfer einer „unmenschlichen und blutigen Jagd“. Ihren Streik werde sie „auf unbestimmte Zeit, Tag und Nacht“ fortführen, bis ihrem Sohn Gerechtigkeit widerfahren sei. 

Dieser Wunsch erfüllte sich für die inzwischen 74 Jahre alte Frau nicht – stattdessen nahm der Druck auf Rubiales täglich zu. Deshalb trat er zunächst am 10. September 2023 von seinem Posten als Chef des Verbandes RFEF zurück, dann folgte ein Gerichtsprozess, in dem sich der frühere Fußballer wegen sexueller Nötigung verantworten musste.

„Er packte mich überschwänglich am Kopf. Ich konnte nicht reagieren. Es waren Tausendstel einer Sekunde“, schilderte Hermoso den Vorfall im Februar 2025 vor dem Staatsgerichtshof von Madrid. „Ich fühlte mich völlig aus dem Kontext gerissen. Ich wusste, dass mein Chef mich küsste. Das sollte nicht passieren. Ich fühlte mich nicht respektiert. Er hat einen der glücklichsten Tage meines Lebens befleckt. Ich habe diese Tat weder gewollt noch habe ich sie erwartet.“ Der unfreiwillige Kuss habe bei ihr „Ekel und Abscheu“ ausgelöst. Zudem sei sie einem regelrechten Spießrutenlauf ausgesetzt gewesen – sogar mit Todesdrohungen.

Am 26. Juni wurde das Urteil in zweiter Instanz bestätigt

Das Gericht folgte weitgehend den Ausführungen der spanischen Rekordtorschützin. Rubiales wurde am 10. Februar 2025 zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 10.800 Euro verurteilt. Der Gerichtshof wertete das Verhalten des inzwischen 47 Jahre alten Mannes als sexuellen Übergriff. Der Angeklagte werde „zu einer 18-monatigen Geldstrafe von 20 Euro pro Tag verurteilt“. Außerdem ist ihm untersagt, sich Hermoso in einem Umkreis von 200 Metern zu nähern, und ein Jahr lang verboten, mit ihr zu kommunizieren.

Da beide Seiten gegen das Urteil Berufung einlegten, beschäftigte der Vorfall aber weiter die spanische Justiz. Am 26. Juni schließlich – sechs Tage vor dem Start der aktuellen EM in der Schweiz – wurden die Geldstrafe und das Kontaktverbot auch in zweiter Instanz bestätigt. 

Dass es nach dem Endspiel am Sonntag in Basel zu ähnlichen Übergriffen kommen kann, ist nahezu ausgeschlossen. Rubiales war schon vor dem Prozess vom Weltverband Fifa für drei Jahre von allen fußballbezogenen Aktivitäten ausgeschlossen worden.

Und Hermoso (35), die in der ersten mexikanischen Liga spielt, wurde vor dem Turnier von der Nationaltrainerin aus dem Team aussortiert. Montserrat Tomé stritt ab, dass dies etwas mit den Geschehnissen der vergangenen Jahre zu tun habe. Spielerin und viele Fans sind da aber anderer Meinung. Die Rekordtorschützin mit 57 Toren in 123 Länderspielen kommentierte ihre Ausbootung recht unmissverständlich: „Tomé sollte sich darauf konzentrieren, Spanien zum EM-Titel zu führen – auch wenn wir das vermutlich sogar besser ohne sie schaffen.“

Die Siegerehrung verfolgen sowohl Rubiales als auch Hermoso nun mit Spannung nun aus der Ferne. Wenn überhaupt. Küssen dürfte wohl eher niemand.

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