Erst die Europameisterschaft, dann das große Packen: Kathrin Hendrich ist mitten drin in aufregenden Wochen. Während sich die 33-Jährige zunächst auf der Bank gedulden muss, wird im Viertelfinale ihre Chance kommen. Und am Horizont wartet schon der Wechsel in die USA.
Auf Kathrin Hendrich wartet das große Abenteuer. Zum ersten Mal wird sie bei der Fußball-Europameisterschaft in der Schweiz wohl in der Startelf des DFB stehen. Na gut, das ist für die 33-Jährige, die ihr siebtes Turnier spielt, nicht das größte Abenteuer dieses Sommers. Nach der EM zieht sie in die USA. Vom VfL Wolfsburg wechselt sie zum Chicago Red Stars FC. Nach fünf Jahren in Wolfsburg, nach noch mehr Jahren bereits zuvor für den FC Bayern, den 1. FFC Frankfurt und Bayer Leverkusen in der Bundesliga, ist dies das wahre Abenteuer.
Viertelfinals dagegen hat Hendrich schon oft gespielt. 85 Länderspiele stehen für sie zu Buche. Ihr Debüt gab sie ein Jahr nach dem letzten EM-Titel (2013), gewann seitdem Olympia-Gold (2016, als Ersatzspielerin) und -Bronze (2024), wurde Vize-Europameisterin 2022. Dieses Turnier vor drei Jahren ist es, was Hendrich auch motiviert, wenn das DFB-Team jetzt vor dem Viertelfinale gegen Frankreich (21 Uhr/ZDF, DAZN und im ntv.de-Liveticker) unter Druck steht. Denn damals ließen sich die Deutschen im Halbfinale von Frankreich nicht stoppen: "Wir haben unser Herz auf dem Platz gelassen." Die Überzeugung des Teams sei groß gewesen.
Hendrich als stabiler Anker
Diese Erfahrung von Hendrich ist auch das große Pfund, das Wück jetzt überzeugen dürfte, doch auf die älteste Feldspielerin seines Kaders zu setzen. Vor der EM und in den ersten Spielen hatte Hendrich Rebecca Knaak weichen müssen, deren linker Fuß das war, was Wücks Anforderungsprofil entsprach. Doch die Innenverteidigerin von Manchester City konnte bislang nicht vollends überzeugen, vor allem ihre Geschwindigkeitsdefizite und Probleme im Stellungsspiel waren augenscheinlich.
Und darauf dürfte es gegen die "schnellen Lokomotiven", wie Ex-DFB-Kapitänin Alexandra Popp die französischen Stürmerinnen im Podcast "Copa TS" bezeichnet, mit ankommen. Bei der 1:4-Pleite gegen Schweden zum Abschluss der Gruppenphase war Hendrich zur Halbzeit eingewechselt worden. Die Umstellung war durch die Rote Karte von Carlotta Wamser nötig geworden, Hendrich hatte die verunsicherte Defensive sichtlich stabilisieren können.
Allein schon das sei ein Zeichen, dass die Neu-Amerikanerin auch gegen Frankreich aufgeboten werden dürfte, so Popp: "Ich hätte Kathy nicht eingewechselt, wenn ich sie nicht als Backup-Spielerin für das kommende Spiel sehe." Auch Inka Grings, Ex-Nationalspielerin und heute Trainerin, sagt: "Für mich persönlich würde es mehr Sinn machen, Kathy Hendrich gegen die starken Spielerinnen im Zentrum zu bringen, um gerade da ein bisschen Geschwindigkeit zu bekommen."
Fünfter Bundestrainer für Hendrich
Dass sie bislang bei Wück nicht erste Wahl war, nahm Hendrich mit Ruhe auf. Sie weiß um ihre Qualitäten, bringt diese klar zum Ausdruck - hat aber auch schon so viel erlebt, dass sie nicht so schnell zu verunsichern ist. Wück ist bereits der fünfte Bundestrainer, den Hendrich im A-Team erlebt: Sie debütierte unter Silvia Neid, auf diese folgte Steffi Jones, dann übernahm Horst Hrubesch zum ersten Mal, übergab an Martina Voss-Tecklenburg, wieder sprang Hrubesch ein, jetzt ist Wück am Zug.
Der 52-Jährige sei ein Trainer, der dem Team "viel Spielraum für Kreativität und eigene Entscheidungen" lasse, sagt Hendrich ntv.de beim DFB-Mediaday vor der EM. In Videoanalysen und Besprechungen werde den Spielerinnen "deutlich gezeigt, was gut und was schlecht war", ansonsten sei Wück "ein bisschen ruhiger, zurückhaltender".
Auch ihre Mitspielerinnen wechselten, bei ihrem Debüt beim Algarve-Cup im März 2014 spielte sie mit Frauen wie den Legenden Annike Krahn und Torhüterin Nadine Angerer zusammen. Heute ist sie diejenige, bei der die Jüngeren nach Tipps und Meinungen fragen: "Diese Rolle macht mir sehr viel Spaß", so Hendrich zu ntv.de. "Vor allen Dingen, weil ich sehe, dass die ganzen jungen Spielerinnen sehr talentiert, aber auch wirklich gewillt sind, hart zu arbeiten."
Jetzt aber ist Hendrich nicht mehr nur im Teamquartier gefragt, sondern auch auf dem Platz. Denn dass Hendrich spielen wird, scheint klar - auch wenn sich das Team bedeckt hält. Doch wo, das ist die Frage. Denn während ihre angestammte Position in der Innenverteidigung ist, hat sie auch schon als Rechtsverteidigerin agiert. Beides ist in verschiedenen Konstellationen für die Abwehr möglich, wahrscheinlicher aber rückt sie für Knaak in die Innenverteidigung, an ihrer Seite bleibt die neue Kapitänin Janina Minge. Sarai Linder könnte von links nach rechts rücken und ihr Backup Franziska Kett käme zum EM-Debüt. Wahlweise bliebe Linder auf links und Sophia Kleinherne besetzt die vakante rechte Seite, auch eine Dreierkette ist nicht ausgeschlossen.
"Da fehlt ein Auslandsaufenthalt"
Egal, wo sie gebraucht wird, Hendrich ist gewarnt: "Uns ist bewusst, dass jede kleine Nachlässigkeit zu Gegentoren führen kann. Wir haben viele erfahrene Spielerinnen dabei und spielen nicht erst seit gestern Fußball." Das gilt allen voran für Hendrich selbst, die neben den DFB-Erfolgen viermal den DFB-Pokal gewann, sowie die Meisterschaft und auch die Champions League.
In Deutschland hat sie alles gewonnen, hat bei den Topklubs gespielt. Da durfte jetzt eine Veränderung her. Dass es nun der Schritt in die USA wurde, hatte sie dabei nicht lange geplant. "Es ist nicht so, dass ich von klein auf gesagt habe 'mein Traum ist es mal in Amerika zu spielen'", sagt sie ntv.de. Noch vor einem Jahr sei ihr als "extremem Familienmensch" der Weg zu weit gewesen, da habe sie Angebote abgelehnt. Doch inzwischen ist "mir natürlich bewusst geworden, dass ich jetzt trotzdem schon älter bin und nicht mehr ewig Fußball spielen kann". Die Feststellung: "Da fehlt einfach ein Auslandsaufenthalt." Das professionelle Fußballspielen mit dem "Abenteuer außerhalb des Fußballs" zu kombinieren, gab schließlich den Ausschlag.
Für Hendrich wird es zusätzlich die Aufgabe geben, sich mitten in der Saison in das Team einzufügen. Die US-Liga ist in vollem Gange. Für die Chicago Red Stars läuft es bislang alles andere als gut, aus 13 Spielen holten sie lediglich sechs Punkte. Nur zehn eigene Treffer, aber 27 Tore kassiert - eine gute Abwehrspielerin hat das Team augenscheinlich dringend nötig.
Noch aber sind die USA ganz weit weg. Nach dem Ende der EM hat Hendrich sieben freie Tage, ehe sie in den Flieger steigt. Erst einmal geht es bei der EM um den Einzug ins Halbfinale. Kathy Hendrich will nicht nur einmal in der Startelf bei diesem Turnier stehen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke