Wenn die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft an diesem Samstagabend (21 Uhr, im Sport-Ticker der WELT) gegen Frankreich um den Einzug ins EM-Halbfinale kämpft, weht auch der Geist von Doris Fitschen durchs Stadion in Basel. Die am 15. März im Alter von nur 56 Jahren verstorbene Frauenfußball-Legende ist auch bei den aktuellen Nationalspielerinnen unvergessen.
Neben anderen Ex-Europameisterinnen hängt auch ein Zitat von ihr im deutschen Mannschaftshotel „FIVE“ in Zürich an einer Wand. Es lautet: „Never train for second place.“ Zu Deutsch: „Trainiere nie für den zweiten Platz.“
Diese Motivation soll den DFB-Frauen gegen die starken Französinnen helfen. Stürmerin Giovanna Hoffmann von RB Leipzig sagt: „Dieses Zitat ist in der Nähe meines Zimmers zu sehen und ist mir schon am ersten Tag aufgefallen. Hier geht es darum, Spiele zu gewinnen, egal wie. Man muss auch mal mit dem Kopf durch die Wand gehen. Jetzt sind wir in der K.o.-Phase angekommen, und es ist wichtiger als zuvor.“
Bundestrainer zerbricht sich den Kopf über Umstellungen
Es ist „ein Spiel ohne doppelten Boden“, wie es Co-Trainerin Maren Meinert treffend zusammenfasst. Ein vorzeitiges Turnier-Ende wäre nach dem Vorrunden-Aus vor zwei Jahren bei der WM in Australien die nächste herbe Enttäuschung im deutschen Frauenfußball. Nach dem Schweden-Debakel (1:4) im dritten Gruppenspiel bei der EM sprachen viele Spielerinnen davon, solch eine Pleite lieber dort als in der K.o.-Runde erlebt zu haben.
Die Alarmsignale sind dennoch unüberhörbar. In den vergangenen Tagen zerbrach sich Bundestrainer Christian Wück den Kopf über mögliche taktische und personelle Umstellungen. Auch er hat verstanden: Durch eine viel zu riskante Spielweise mit weit aufgerückter Abwehr rannte seine Elf gegen Schweden ins Verderben. Seine langsame Viererkette konnte keine Gegenwehr leisten.
Das Problem: Die Französinnen sind sogar noch flinker unterwegs. Und dort setzt Wück den Hebel an. Für Rebecca Knaak wird die erfahrenere Kathy Hendrich, die bereits ihr siebtes großes Turnier absolviert, in die Innenverteidigung rücken. Und nach der Roten Karte gegen Carlotta Wamser ist auch eine zweite Umstellung in der Viererkette notwendig. So kommt Bayerns Linksverteidigerin Franziska Kett neu ins Team. Dafür rückt Sarai Linder von links nach rechts.
„Der Matchplan ist klar“, sagt Angreiferin Klara Bühl. Dieser sieht außerdem vor, mit einem kompakteren zentralen Mittelfeld (Sara Däbritz für die offensivere Laura Freigang) schnell über die Außen Bühl und Top-Scorerin Jule Brand (jeweils zwei Tore und Vorlagen bei der EM) zu kontern. Doch dafür braucht es auch ein besseres Zusammenspiel der beiden Flügelflitzerinnen mit Torjägerin Lea Schüller (zwei Turnier-Treffer).
„Es ist auch eines unserer Ziele, von außen zu kommen und sie mit Flanken und Hereingaben zu füttern“, sagt Bühl. „Das Zusammenspiel hat vielleicht noch nicht zu hundert Prozent gepasst. Es ist aber nicht so schlimm, weil wir trotzdem unsere Tore gemacht haben. Wenn wir uns für das nächste Spiel vornehmen, da noch effizienter oder genauer zu sein, ist sie auf jeden Fall eine Waffe, die wir vorne drin haben.“
Erinnerungen an Schumacher und Battiston wurden wach
Zunächst einmal heißt es aber, die technisch starken Französinnen in Schach zu halten. Der Plan: ihnen die Lust am Spiel zu nehmen. „Sie haben eine individuell sehr stark besetzte Mannschaft, die aufblühen kann, wenn sie das Gefühl hat, im Spiel zu sein“, meint Bühl: „Da gilt es, von Anfang an da zu sein, giftig in den Zweikämpfen zu sein und ihnen auf die Füße zu treten. Damit können wir sie ein bisschen ärgern.“
Obwohl Frankreich mit höherem Selbstvertrauen und qualitativ besser besetzten Einzelspielerinnen ins Spiel geht, schiebt Trainer Laurent Bonadei dem Gegner die Favoritenrolle zu: „Die Deutschen sind der Favorit, weil sie die EM achtmal gewonnen haben“. Frankreich dagegen noch nie. Etwas überraschend hat er eine 43 Jahre alte Geschichte ins Spiel gebracht: „Frankreich gegen Deutschland weckt Erinnerungen an meine Jugend, wenn auch nicht unbedingt an die guten – nämlich an 1982.“
Was er meint: das brutale Foul des damaligen deutschen Nationaltorwarts Toni Schumacher gegen Patrick Battiston im WM-Halbfinale der Männer in Sevilla. Schumacher flog nicht vom Platz und wurde im Elfmeterschießen mit zwei Paraden zum großen Helden.
Dieser etwas eigentümliche Vergleich offenbart, wie tief der Stachel bei ihm scheinbar noch sitzt – oder er weiß einfach, dass seine Spielerinnen nicht mit Druck umgehen können, und lenkt vom Wesentlichen ab. Denn: Trotz einer überragenden Bilanz der Französinnen in diesem Jahr (neun Pflichtspiele, neun Siege, 25:6 Tore) ist Deutschland der Angstgegner im Frauenfußball. Noch nie verlor das DFB-Team bei einem großen Turnier gegen den Nachbarn. Zuletzt zogen die deutschen Frauen vor drei Jahren durch ein 2:1 gegen Frankreich ins EM-Finale ein. Zumindest diese Geschichte darf sich aus deutscher Perspektive wiederholen.
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