Die Schweizerinnen stehen bei ihrer Heim-Europameisterschaft erstmals in einem Viertelfinale. Entscheidend daran beteiligt: Géraldine Reuteler von Eintracht Frankfurt. Dort spielt sie womöglich aber nicht mehr lange.
Wenn die Schweiz (21 Uhr/im ntv.de-Liveticker) auf die Weltmeisterinnen aus Spanien trifft, hat Géraldine Reuteler von Eintracht Frankfurt der ehemaligen Weltfußballerin Alexia Putellas etwas voraus: Die Schweizerin ist in allen drei Vorrundenspielen als Spielerin des Spiels ausgezeichnet worden, die Spanierin schaffte das nur zweimal. Reuteler ist in der Kategorie bislang einzigartig.
Die 26-Jährige nutzt die große Bühne der Heim-Europameisterschaft und spielt sich ins Rampenlicht. Etwas, das die Offensivspielerin sonst gar nicht für sich beansprucht. Wenn sie ihre Auszeichnungen in Empfang nimmt, ist sie eher still und zurückhaltend. Und doch macht sie nachdrücklich auf sich aufmerksam: "Bei einem Heim-Turnier so zu performen, den Druck auszuhalten, das ist großartig", sagte die ehemalige Bundestrainerin des DFB, Martina Voss-Tecklenburg, dem "Blick".
Sie kennt Reuteler deren halbes Leben. Bevor sie ihre Trainerin bei der Schweizer Nati wurde, hatte sie sie bereits im Klub trainiert. Seit die Offensivspielerin als 13-Jährige ins Ausbildungszentrum Huttwil kam. Da hatte sich Reuteler bereits gegen ihre Mutter durchgesetzt, die hatte sie zum Ballett geschickt. Doch das Mädchen, das mit vier Brüdern aufwuchs, wollte lieber Fußball spielen.
Wunschspielerin für jede Trainerin
Dass dies eine erfolgreiche Idee war, zeigt sich längst. Die EM im eigenen Land ist schon Reutelers viertes Turnier - unter dem vierten Coach. 2017 nominiert Voss-Tecklenburg sie erstmals für eine EM, 2022 vertraut der Däne Nils Nielsen auf Reuteler, bei der WM 2023 ist es die Deutsche Inka Grings, nun Trainerinnen-Legende Pia Sundhage aus Schweden.
Sie setzt auf Reuteler - und ihre Variabilität. Denn während die 26-Jährige für Frankfurt meist im Sturm eingesetzt wird, spielt sie für die Schweiz häufiger im Mittelfeld. Zum EM-Auftakt gegen Norwegen (1:2) startete sie im Sturm und rückte dann im Verlauf des Spiels nach hinten. Sundhage sagt, sie habe mit Reuteler mehrfach über ihre Position gesprochen, aber sie wolle da agieren, wo sie gebraucht werde. Sundhages Urteil: "Das ist die beste Antwort, die sich eine Trainerin wünschen kann."
"Eine der wichtigsten in unserem Team"
Gegen Norwegen vergibt Reuteler in der Schlussphase eine Chance auf den Ausgleich, gegen Island trifft sie dann zum 1:0 (76.), ehe Alayah Pilgrim in der 90. Minute den 2:0-Sieg klarmacht. Im abschließenden Gruppenspiel gegen Finnland muss mindestens ein Remis her, damit die Schweizerinnen erstmals den Einzug in eine K.-o.-Runde schaffen. Finnland geht in der 79. Minute durch einen Elfmeter in Führung, aber dann zieht Reuteler in der 92. Minute ab. Extrem missraten - aber mit dem Quäntchen Glück. Denn Riola Xhemaili kommt an den Ball und trifft. Der Jubel der Schweizerinnen ist grenzenlos, das Viertelfinale gebucht.
Voss-Tecklenburg lobt: "Sie ist immer anspielbar im Mittelfeld, egal ob sie ein bisschen höher oder tiefer agiert. Sie zeigt das an, sie hat ein Spielverständnis, sie hat Lösungen für die Mannschaft. Auch gegen den Ball ist sie extrem bereit."
Kapitänin Lia Wälti spielt schon lange mit Reuteler zusammen. "Für mich war von Anfang an klar, dass Geri eine große Karriere machen wird", sagt die 32-Jährige vom FC Arsenal. "Sie ist eine komplette Spielerin und eine der wichtigsten in unserem Team." Auf 80 Länderspiele kommt Reuteler inzwischen.
Sie hat sich auch nach einem schweren Rückschlag im Jahr 2021 zurückgekämpft. Fast ein Jahr lang war sie außer Gefecht gesetzt. Nach einem Kreuzbandriss gab es weitere Komplikationen, mehrere Operationen waren nötig. "Das war nicht schön, weil sich die Heilung verzögerte", sagte sie der "NZZ" rückblickend, "ich hatte Probleme mit der Streckung und ständig Schmerzen. Da waren Vernarbungen verklebt, die in einem zweiten Eingriff entfernt wurden."
Klub, "der größer ist als Eintracht Frankfurt"
Smilla Vallotto war damals noch nicht ihre Teamkollegin, hat das Drama nicht miterlebt. Sie sieht aber, wie Reuteler jetzt brilliert - und sendet eine Botschaft, die bei der Eintracht für Aufmerksamkeit sorgen dürfte: "Ich hoffe für sie, dass in diesem Sommer ein Großklub sie kauft. Einer, der größer ist als Eintracht Frankfurt." Als dritte Kraft hinter dem Double-Sieger FC Bayern und dem VfL Wolfsburg muss Frankfurt erneut die Champions-League-Qualifikation bestehen, um international zu spielen.
Seit sieben Jahren steht Reuteler inzwischen in Frankfurt unter Vertrag, seit sie 2018 vom FC Luzern nach Hessen wechselte. Sie bezeichnet Frankfurt als ihr "zweites Zuhause". Ein Abschied scheint dennoch nicht ausgeschlossen, Reutelers Vertrag läuft bis zum kommenden Sommer. Sollte die Eintracht eine Ablöse haben wollen, muss sie jetzt wechseln. Da der Verein gerade einen Umbruch erlebt - die Spielerinnen gehen, der Vertrag von Trainer Niko Arnautis wird dagegen bis 2028 verlängert - scheint ein Transfer nicht ausgeschlossen.
Auch, weil Reuteler Kritik am Klub äußert. Die Bedingungen der Frauen unterscheiden sich von denen der Männer. Während Wältis Arsenal genauso wie das Männerteam alle Heimspiele im großen Emirates Stadium austrägt, gibt es bei der Eintracht einen großen Unterschied: Die Männer spielen im Deutsche Bank Park mit 58.000 Plätzen, die Frauen - außer bei seltenen Highlightspielen - im Stadion am Brentanobad. Kapazität: ein Zehntel vom großen Waldstadion. Reutelers Aussage "Die Männer im Stadion, wir neben dem Stadion" bezieht sich auch auf die weitere Infrastruktur.
DFB-Legende sieht Schweizer Chance
Frankfurt aber ist gerade weit weg für Reuteler. Die Schweizerinnen haben ihr Teamquartier in Thun, müssen ausgerechnet vor dem historischen Viertelfinale mit Erkältungen kämpfen, sagten sogar ein Teamtraining komplett ab. Im Berner Wankdorfstadion wird die Stimmung beim Duell mit den Weltmeisterinnen aus Spanien dennoch großartig sein. Auch wenn der Favorit übermächtig erscheint, die Gastgeberinnen reden sich stark. Die langjährige deutsche Nationaltorhüterin Nadine Angerer, die als Torwarttrainerin der Nati arbeitet, sagt der ARD: Die Schweizerinnen haben "Teamspirit. Wenn wir im Training sehen, wie viel Leidenschaft, Herz und Engagement die Mannschaft auf den Platz legt, wird es auch für Spanien schwierig. Das ist kein Zweckoptimismus. Die Mannschaft hat den Glauben, da wirklich auch zu gewinnen."
Als tragende Stütze mit dabei: Reuteler. Und sollte ihr Team tatsächlich ins Halbfinale einziehen, wird sich Frankfurt vermutlich spätestens dann mit Angeboten für ihre Spielerin beschäftigen müssen.
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