Welchen Stellenwert Max Verstappen bei Red Bull hat, wird am Flugplan von Chalerm Yoovidhya sichtbar. Noch bevor der Energydrink-Konzern seinen Formel-1-Teamchef und CEO Christian Horner feuerte, besuchte der 74 Jahre alte Mehrheitseigner den viermaligen Weltmeister in dessen Wahlheimat Monaco. Offiziell wollte sich Yoovidhya Verstappens im Mai geborene Tochter Lily angucken.
Dass das Red-Bull-Oberhaupt dabei aber auch abfragte, wie es um die Zukunft des 27 Jahre alten Holländers steht, gilt als sicher. Verstappen hat zwar noch bis Ende 2028 einen Vertrag bei Red Bull, allerdings kann er den Rennstall bereits Ende dieses Jahres per Ausstiegsklausel verlassen. Bedingung: Er gehört Ende Juli nicht zu den Top-3-Fahrern in der WM. Aktuell liegt er auf Platz drei, hat aber nur 18 Punkte Vorsprung auf George Russell (Mercedes) auf Rang vier. Bei noch zwei zu fahrenden Rennen bis zur Sommerpause könnte die Flucht-Option schnell Realität werden.
Ein Szenario, das die Red-Bull-Bosse um jeden Preis verhindern wollen. Zu wichtig ist Verstappen. Nicht nur für das Team, sondern für den gesamten Konzern. Der Niederländer ist längst das weltweite Aushängeschild und nach der Freistellung von Horner der wichtigste und mächtigste Mitarbeiter des österreichischen Rennstalls.
Red Bull feuerte Horner auch, um Verstappen vom Verbleib zu überzeugen
Eine Situation, die an die Zeit von Michael Schumacher bei Ferrari erinnert. Der Deutsche raste in elf Jahren (1996 bis 2006) zu fünf WM-Erfolgen für die Scuderia. Sportlich war der 56-Jährige unersetzbar. Gleiches gilt für Verstappen. Der fährt seine neunte Saison als RB-Pilot, krönte sich viermal zum Champion. Beide erarbeiteten sich in ihrem Rennstall einen Status, der über den des Fahrers weit hinausgeht.
Der Unterschied: Während Ferrari Schumachers damaligen Teamchef Jean Todt Ende der 90er-Jahre trotz drei Saisons ohne WM-Titel auf Drängen des Deutschen im Amt ließ, feuerte Red Bull den 51 Jahre alten Horner auch, um Verstappen von einem Verbleib zu überzeugen.
Der Ausnahme-Fahrer, der sich diese Saison unbedingt zum fünften Mal in Folge zum Weltmeister krönen wollte – bisher schaffte das nur Schumacher –, verlangte Veränderung, um den anhaltenden Negativ-Trend zu stoppen. Einen konkreten Rauswurf von Horner forderte er intern aber nicht.
Es wäre gegen das Naturell Verstappens gewesen. Vielmehr setzte der Ausnahmepilot die Verantwortlichen damit unter Druck, dass er plötzlich bestimmte Dinge nicht mehr sagte. Nachdem er sich zu Saisonbeginn noch klar zu Red Bull für 2026 bekannt hatte, vermied er zuletzt mehrfach ein öffentliches Bekenntnis.
Verstappen ist zwar loyal und dankbar gegenüber Red Bull, das ihm 2015 den direkten Sprung von der Formel 3 in die Formel 1 ermöglichte, doch Siege und Titel stehen bei ihm über allem. Hat der Weltmeister nicht das Gefühl, dass Red Bull zurück in die Erfolgsspur findet, wird er von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch machen und den Rennstall verlassen.
Kein Geheimnis: Mercedes hat konkretes Interesse, ist mit Manager Raymond Vermeulen und Verstappen-Vater Jos in Kontakt. Mit dem Horner-Rauswurf hat sich Red Bull aber etwas Zeit erkauft. Verstappen & Co. wissen, dass Veränderungen in der Formel 1 nicht über Nacht kommen. Insbesondere, weil sich der neue Teamchef Laurent Mekies erst einarbeiten muss. Bis der Franzose, der vom Schwester-Team Racing Bulls befördert wurde, erste Akzente setzen kann, wird es Monate dauern.
Zeit, in der einer wieder so mächtig ist, wie seit Jahren nicht mehr: Motorsport-Boss Dr. Helmut Marko. Der Verstappen-Vertraute stand seit Oktober 2022 im Schatten von Horner. Der Brite hatte ihm nach dem Tod von Konzern-Gründer Dietrich Mateschitz (†78) immer mehr Befugnisse genommen. Jetzt hat Marko wieder das Sagen – und damit auch Verstappen. Denn für den Österreicher ist klar, dass er das Team verlässt, wenn sein Ausnahmepilot Red Bull den Rücken zukehrt.
Doch das scheint nach dem Besuch von Yoovidhya in Monaco und dem Aus von Horner weitaus unwahrscheinlicher.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.
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