Er war als durchsetzungsstarker Stürmer in der Fußball-Bundesliga bekannt: Pierre-Michel Lasogga begann seine Profikarriere 2010/11 bei Hertha BSC, wo er mit 13 Toren in der Zweiten Liga maßgeblich am Aufstieg beteiligt war.
Nach einer schweren Kreuzbandverletzung und einem erneuten Aufstieg mit Hertha wechselte er 2013 zum HSV. Dort wurde er schnell zum Publikumsliebling, erzielte das entscheidende Tor im Relegationsspiel 2014 gegen Greuther Fürth und half den Hamburgern, den Klassenerhalt zu sichern. Insgesamt kommt Lasogga auf 128 Bundesliga-Spiele (34 Tore, sieben Vorlagen) und 60 Zweitligapartien (27 Tore, neun Vorlagen).
Der 33-Jährige kam nie zu einem Einsatz in der deutschen A-Nationalmannschaft, obwohl er 2014 von Bundestrainer Joachim Löw für ein Freundschaftsspiel gegen Chile eingeladen wurde. Der Grund: Er zog sich im Abschlusstraining vor dem Spiel eine Muskelverhärtung im Oberschenkel zu und fiel aus. Diese Verletzung verhinderte seinen möglichen ersten Länderspieleinsatz, der zugleich seine einzige Nominierung für die Auswahl blieb. Weitere Einladungen folgten nicht.
2017 wurde er für eine Saison an Leeds United ausgeliehen (Zehn Tore in 31 Spielen). Anschließend spielte er für die katarischen Vereine Al-Arabi und Al-Khor, bevor er 2023 zu seinem Jugendklub Schalke 04 zurückkehrte und für die U23 in der Regionalliga aktiv war. Sein letztes Profispiel absolvierte er im Mai 2025 für die Profis des FC Schalke 04.
Frage: Herr Lasogga, mit sieben Jahren hat Ihre Karriere auf Schalke begonnen, zum Ende der vergangenen Saison haben Sie mit 33 Jahren Ihr Karriere-Ende verkündet. In Ihrem letzten Spiel durften Sie erstmals für die Schalke-Profis beim 1:2 gegen Elversberg spielen, wurden in der 70. Spielminute eingewechselt – und hatten Tränen in den Augen. Was ging da in Ihnen vor?
Pierre-Michel Lasogga: Ich habe den Moment erlebt, von dem ich als kleiner Junge geträumt habe: in der Veltins-Arena für Schalke aufzulaufen. Ich habe bei anderen Vereinen meinen Weg in den Profi-Fußball gefunden. Aber gerade deshalb hat sich der Kreis für mich geschlossen. Meine drei Kinder und meine Frau haben mich hier noch einmal spielen sehen. Und irgendwie hatte ich auch in diesem Moment nach Abpfiff, als ich dort auf dem Rasen stand, das Gefühl: Das hier könnte vielleicht mein letztes Spiel gewesen sein.
Frage: Wie lange mussten Sie noch darüber nachdenken?
Lasogga: Knapp eine Woche. Dieses Gefühl hat sich mit den Tagen immer mehr vertieft. Der Gedanke, dass ich mir keinen schöneren Abschluss hätte vorstellen können als diesen Moment für meine Fußballkarriere. Ganz ehrlich: Mit dem Schritt, in die U23 zu wechseln, war das Kapitel Profi-Fußball eigentlich für mich abgehakt. Dass dieser Moment doch noch gekommen ist, ich noch einmal von 62.000 Zuschauern so empfangen wurde – ich glaube, damit kann ich in aller Seelenruhe in meinen Ruhestand als Fußballspieler gehen.
Frage: Haben Sie das Trikot aufbewahrt?
Lasogga: Natürlich! Ich hatte die große Ehre, für riesengroße Klubs zu spielen, sei es für Hertha BSC, den HSV, Leeds United und jetzt noch einmal zwei Jahre für Schalke. Von jedem Verein habe ich ein Trikot. Alle diese Schmuckstücke werden einen besonderen Platz zu Hause bekommen.
Frage: Gab es im Anschluss eine Nachricht, die Sie besonders bewegt hat?
Lasogga: Es haben mich so viele berührt. Ich glaube, dass ich in meiner Karriere auch dafür stand, entweder geliebt oder gehasst zu werden ...
Frage: Gehasst?
Lasogga: Wir könnten auch sagen, geliebt und nicht geliebt zu werden. Aber zwischen nicht geliebt und gehasst liegt, glaube ich, in der heutigen Zeit ein sehr schmaler Grat. Ich würde deshalb schon sagen, dass es bei mir nur diese beiden Optionen gab. Aber nach meinem letzten Spiel auf Schalke und der Verkündung meines Karriere-Endes hat sich das geändert.
Frage: Erzählen Sie bitte ...
Lasogga: Mich haben Fans auf Schalke angesprochen, und mir haben viele über die Social-Media-Kanäle geschrieben. Sie haben mir gesagt, dass ich sie durch meine Einstellung und meine Mentalität inspiriert hätte. Das hat mich sehr berührt. Ich kann nur Danke sagen an all diese Leute, die mich unterstützt haben und denen ich in den knapp 15 Jahren durch das Fußballspielen ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte.
Frage: Können Sie sich erklären, warum Sie, wie Sie sagen, gehasst wurden?
Lasogga: Ich bin ein Spielertyp gewesen, der eher polarisiert hat. Es war einfach meine Art und Weise, wie ich Fußball gespielt und geliebt habe. Irgendwann habe ich aber gemerkt: Ich bin den Leuten damit auf den Sack gegangen! Weil ich mich aufgerieben habe, weil ich Duelle mit Gegenspielern hatte, die nicht immer nur nett waren. Das kam bei den gegnerischen Fans eben nicht so gut an. Dann hatte ich meinen Stempel weg.
Frage: Hat Sie das gestört?
Lasogga: Ich habe gelernt, damit umzugehen, und ich habe es für mich akzeptiert. Alles Positive, was ich seit dem Karriere-Ende erfahren habe, hat alles, was früher vielleicht negativ gemacht war, wettgemacht. Jedem, der mal ein böses Wort über mich gesagt hat, sei verziehen. (schmunzelt)
Frage: Lag es an Ihrer Position als klassischer Neuner?
Lasogga: Das war in meiner Zeit nicht immer die gefragteste Position, und jetzt wird sie doch wieder gesucht. Der Fußball ist ein wenig wie ein Kleidungsstil: Die Mode kommt auch immer wieder zurück. Mal hat keiner Lust auf eine klassische 9, dann wird sie doch wieder gebraucht. Aber ich glaube nicht, dass das der ausschlaggebende Grund war, warum Leute mich gemocht oder nicht gemocht haben.
Frage: Sondern?
Lasogga: Ich glaube, dass ich vielleicht die Generation „Typ“ war. Ich habe mir nicht immer nur alles gefallen lassen. Das hat mich vielleicht auch etwas abgehoben von anderen Spielern. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich jemand war, der den Menschen in Erinnerung geblieben ist.
Frage: Zum Karriere-Ende haben alle, egal ob „Bild“ oder „Spiegel“, geschrieben: Kult-Stürmer beendet Karriere.
Lasogga: Was soll ich sagen? (lacht) Medial war ich bei meinen Vereinen meist ein guter Aufhänger. Ich denke, man muss eine gewisse Leistung gebracht haben, damit das passiert. Es war sicher nicht immer alles rosig. Aber ich glaube, dass man mir immer angemerkt hat – egal, wie schwer die Zeit war –, dass ich mich reingehauen habe und immer für meine Mannschaft geopfert habe. Dass ich mich mit jedem meiner Vereine voll identifiziert und diesen Verein gelebt habe. Ich glaube, das haben viele Menschen wertgeschätzt.
Frage: Beim letzten Spiel auf Schalke waren Sie der einzige Spieler, der von den Fans gefeiert wurde.
Lasogga: Ich glaube, dass Spieler, die für einen Traditionsklub spielen, verstehen müssen, dass die Fans gewisse Erwartungen haben. Und das ist nicht immer der schönste Fußball, sondern sein Herz auf dem Platz zu lassen für diesen Klub. Ich kann jedem Spieler nur raten, alles für den Verein zu geben. Man bekommt es hundertfach von den Fans zurück.
Frage: Was war der Moment, in dem Sie am glücklichsten auf dem Platz waren?
Lasogga: Eine ganze Karriere in einen Moment zu fassen, ist unfassbar schwer. Es sind so viele. Gefühlt jedes Tor, das ich geschossen habe. Diese Art von Adrenalinschub zu spüren, wenn 50.000 bis 70.000 Menschen in Ekstase versetzt werden. Das macht süchtig. Ich glaube, deshalb fallen auch einige Spieler nach dem Karriere-Ende in ein Loch, wenn sie dieses Gefühl nicht mehr erleben können. Deshalb bin ich froh, dass ich mir diese Erinnerungen in meinen Kopf zurückrufen kann. Oder mit meinen Kindern Videos von meinen Spielen anschauen kann.
Frage: Wie oft schauen Sie Videos?
Lasogga: Nicht übermäßig oft. Aber manchmal sagt mein Sohn: „Daddy, du hast mir doch erzählt, dass du immer Tore geschossen hast. Und ich habe das gar nicht gesehen.“ Dann muss ich natürlich auch mal ein paar Requisiten rauskramen. (lacht)
Frage: Gibt es eine Kabinen-Ansprache, die Sie nie vergessen werden?
Lasogga: Ich hatte sehr viele Trainer, bestimmt 16 oder 17, darunter sehr viele Legenden ...
Frage: Stimmt, 22 Trainer mit mindestens fünf Spielen. Darunter Winfried Schäfer, Otto Rehhagel, Bruno Labbadia ...
Lasogga: Ich bin stolz, dass ich so viele Trainer in meiner Karriere hatte. In Hamburg hat Bruno Labbadia noch mal einen neuen Impuls gesetzt, und wir haben uns in Karlsruhe gerettet. Aber speziell zu sagen, das war eine Ansprache, die mich richtig zerrissen hat? Wenn ich ehrlich bin: Wenn ich als Spieler in ein Bundesliga- oder Zweitliga-Stadion eingelaufen bin, brauchte ich irgendwann keine bestimmte Ansprache mehr. Mehr Motivation geht nicht, als in solchen Stadien spielen zu dürfen.
Frage: Über die Karriere haben Sie einige Spitznamen verpasst bekommen, wie Lasagne bei Hertha und Lasso beim HSV. Was denken Sie heute darüber?
Lasogga: (lacht) Ich habe diese Spitznamen einfach über mich ergehen lassen. Lasagne war witzig, weil ich vielleicht ein wenig Speck mit mir herumgetragen habe, vor allem im Gesicht. Lasso nennen mich tatsächlich bis heute viele. Die meisten nennen mich bei meinem Kürzel: PML.
Frage: Haben Sie das Gefühl, dass Sie wirklich alles aus Ihrem Talent herausgeholt haben? Oder hätten Sie dann Nationalspieler sein müssen?
Lasogga: Das ist eine schwere Frage. Man kann sie sich stellen, weil man oft denkt, es hätte immer mehr sein können – aber ich kann vielleicht auch einfach mit dem zufrieden sein, was ich in meinem Leben erreicht habe. Da bin ich mit mir sehr, sehr im Reinen. Am Ende habe ich es in eine der Top-Ligen Europas geschafft und durfte dort über viele Jahre spielen. Und das bei großartigen Vereinen. Wie viele Menschen träumen davon, über so einen langen Zeitraum für den HSV zu spielen? Für mich ist das etwas Außergewöhnliches. Und ich glaube, darauf darf ich auch stolz sein.
Frage: Welche Note würden Sie Ihrer Karriere geben?
Lasogga: Für mich ist es am Ende eine 1. Weil es einfach eine richtig schöne Karriere bei großartigen Vereinen war, mit der ich sehr zufrieden bin.
Frage: Jetzt können Sie es ja verraten: Welcher Verein wollte Sie haben, aber es kam nie zu einem Wechsel?
Lasogga: Leider hat sich nie Bayern München, Real Madrid oder der FC Chelsea gemeldet. Aber das macht absolut nichts. Bei den Vereinen, bei denen ich gespielt habe, war es wunderschön.
Frage: Würden Sie im Nachhinein auch erneut nach Katar gehen? 2019 sind Sie vom HSV zu Al-Arabi SC gewechselt. Viele haben den Schritt als rein finanziell abgetan. Und im Anschluss hat Sie kein Profiteam mehr verpflichtet.
Lasogga: Natürlich hat der Wechsel auch eine finanzielle Rolle gespielt. Das darf man nicht verschleiern. Aber darüber hinaus habe ich auch viel Neues gelernt und Freundschaften geschlossen. Für mich war es definitiv der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt.
Frage: Was trauen Sie Schalke, Hertha und dem HSV für die neue Saison zu?
Lasogga: Es wird aus meiner Sicht ein spannendes Jahr. Die vergangenen Jahre auf Schalke sind nicht so gelaufen, wie es sich alle gewünscht hätten. Ich hoffe, dass mit dem neuen Trainer ein Aufschwung kommt. Eine ruhigere Saison würde dem gesamten Verein guttun. Das alles kann ich genauso der Hertha weitergeben. Ich wünsche beiden Klubs, dass sie irgendwann wieder dort hinkommen, wo sie hingehören.
Frage: Der HSV startet nach sieben Jahren wieder in der Bundesliga.
Lasogga: Ich glaube, dass es eine riesige Umstellung nach sieben Jahren Zweite Liga und sehr viel Arbeit sein wird. Plötzlich ist der HSV nicht mehr das offensive Team, das die Gegner hinten reindrückt. Ich hoffe, dass es der HSV schafft, sich in der Liga zu halten, um sich dann zu einer stabilen Bundesliga-Mannschaft zu entwickeln.
Frage: Sie sind jetzt im Trainerstab von Schalkes U23. Sehen wir Sie irgendwann als Profi-Trainer?
Lasogga: Ich bin sehr froh, dass ich auf Schalke in der U23 die Möglichkeit habe, die ersten Schritte zu gehen. Hier in der Knappenschmiede kenne ich das Umfeld, was vieles erleichtert. Und: Ich möchte immer das Maximum aus dem herausholen, was ich mache. Damit ist Ihre Frage eigentlich beantwortet. Es macht mir in jedem Fall unglaublich viel Spaß, jetzt auf der anderen Seite zu stehen.
Frage: Welche Überschrift würden Sie gerne über den Trainer Lasogga lesen?
Lasogga: Der Typ hat es auch als Trainer geschafft!
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild“ veröffentlicht.
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