Die Schwachstelle des DFB-Teams braucht bei der Fußball-EM schon wieder ein neues Antlitz: Bundestrainer Christian Wück muss nach der Roten Karte für Carlotta Wamser die Abwehrkette erneut umbauen. Welche Optionen er hat.
Giulia Gwinn sitzt zwar beim EM-Spiel der Deutschen gegen Schweden (1:4) auf der Bank, aber die Schiene um ihr linkes Knie ist nicht über Nacht verschwunden. Die verletzte Kapitänin besucht nur ihr Team. Sie wird auch im Viertelfinale am kommenden Sonntag gegen den Sieger der Hammergruppe D - vermutlich Frankreich, möglich auch noch England oder die Niederlande - nicht spielen können. Und sie wird nicht mehr die einzige sein.
Zum Zuschauen verdammt sein wird auch Carlotta Wamser. Ausgerechnet die 21-Jährige, die Gwinn als Rechtsverteidigerin vertrat. Nach nur 31 Minuten gegen Schweden ist für Wamser Schluss, sie disqualifiziert sich mit ihrer Roten Karte, die sie für ihre Torverhinderung per Hand erhalten hatte.
Was bedeutet, dass Bundestrainer Christian Wück seine Defensive wieder einmal umbauen muss. Ausgerechnet der Teil, der ohnehin fragil ist, zerbricht weiter. Und das ist mit mehr Ungewissheit verbunden. Denn Wamser war nach Gwinns Innenbandverletzung die Backup-Version. Eine dritte Rechtsverteidigerin gibt es im Kader nicht. "Es ist natürlich hart, gerade auf der Position, auf der wir jetzt schon nachbesetzen mussten", so Laura Freigang.
Brand und Bühl als Schienenspielerinnen
Nach Wamsers Platzverweis stellte Wück in der zweiten Halbzeit auf eine Dreierkette um. Die glücklose und mit Geschwindigkeitsdefiziten belastete Innenverteidigerin Rebecca Knaak blieb zur Pause draußen, die erfahrene Kathrin Hendrich durfte ran. Die 32-Jährige, die nach der EM zu den Chicago Stars in die USA wechselt, spielte mit Sarai Linder und Janina Minge um sich herum. "Wir haben mit den Außenspielerinnen Jule Brand und Klara Bühl zwei schnelle Spielerinnen, die auch in der Defensive sehr viel mitarbeiten sollten. Und wir wollten mit Syd Lohmann eine körperliche Spielerin ins Mittelfeld bringen", so Wück über den Plan des Trainerteams.
Diese Dreierkette ist auch im Viertelfinale eine Option, bestätigt Wück: "Sonst hätten wir sie ja nicht gespielt." Im ZDF sagt er allerdings auch, dass er sich dahingehend noch "überhaupt keine Gedanken gemacht" hat. "Wir wollten dieses Spiel gut zu Ende bringen und wir hatten schon noch die Fantasie, in der zweiten Hälfte mit der Systemumstellung hinten stabil zu stehen und vorne vielleicht mit unseren schnellen Außenspielerinnen nochmal zum Abschluss zu kommen." In der Tat gaben vor allem Bühl und Brand nicht auf, eine echte Chance ergab sich aber nicht.
"Schon viel in der Kette probiert"
Die Dreierkette ist also eine Möglichkeit, eine andere: Wück ersetzt erneut die Rechtsverteidiger-Position. Wer könnte dort als Drittes nach Gwinn und Wamser spielen? Für die Abwehr nominiert, aber im Turnier noch nicht im Einsatz: Sophia Kleinherne und Franziska Kett. Die Frankfurterin Kleinherne ist eigentlich Innenverteidigerin, die Münchnerin Kett wurde als Ersatz für die linke Seite nominiert.
Kleinherne ist flexibel einsetzbar, könnte auch auf rechts agieren. Sollte Kett spielen dürfen, würde vermutlich Linder auf die rechte Seite rücken, das hatte sie gegen Schweden nach der Roten Karte gegen Wamser bis zur Halbzeit auch schon getan. Freigang gibt sich optimistisch: "Das Gute ist, dass wir in der Vergangenheit auch in der Kette schon viel probiert haben. Da sind viele Spielerinnen dabei, die die Position schon kennen. Sarai hat schon rechts gespielt, Soffe (Kleinherne, Anm.d.Red.) hat schon rechts gespielt, Kathy auch. Also wir haben genug Leute hinten und ich mache mir keine Sorgen."
Zusätzlich zum Umbau in der Abwehrkette ist auch das Mittelfeld in der Pflicht. Schon dort kamen die Schwedinnen viel zu leicht durch. In der Schlussphase hatte Wück die routinierte Sara Däbritz gebracht, um das Mittelfeld zu stabilisieren. Dass mit Sjoeke Nüsken ein Teil der Doppel-Sechs mit Gelb vorbelastet ist und auch Linder verwarnt wurde, dürfte Wück dagegen egal sein. Schon bei Knaak, die gegen Dänemark Gelb gesehen hatte, nahm er dahingehend keine Rücksicht. "Soll sie dann bis zum Finale nicht mehr spielen?", hatte er auf eine entsprechende Frage geantwortet: "Das spielt für mich keine Rolle." Bevor sich Wück Gedanken um eine Aufstellung fürs Halbfinale machen kann, muss sein Team erst einmal das Viertelfinale überstehen.
Wück will nicht nur zerstören
Ob Wück neben der Defensive auch die Taktik ändert? "Jeder weiß mittlerweile, dass wir riskant spielen und auch nicht allzu tief stehen", sagt Kapitänin Janina Minge über die offensive Spielweise ihres Teams. In Verbindung mit gedanklicher und läuferischer Langsamkeit macht dies das DFB-Team anfällig für Konter - wie Schweden bestens bewies. "Ich glaube, es ist jetzt falsch, wenn wir sagen, wir wollen jetzt nur reagieren und wollen nur zerstören", macht Wück deutlich. "Ich glaube, das liegt uns auch nicht, dass wir eine Mannschaft sind, die sich hinten reinstellt und versucht, die Null zu halten und nach vorne gar nichts zu tun. Dafür haben wir auch die falschen Spielerinnen."
Die sind trotz der Ernüchterung weiter optimistisch. "Selbstvertrauen ist nicht nur ein Gefühl, sondern eine innere Überzeugung", sagt Giovanna Hoffmann. Und Kapitänin Minge sagt: "Wir wissen, dass wir jeden schlagen können." Eine Woche hat das DFB-Team jetzt Zeit, sich von der höchsten EM-Niederlage der Geschichte erholen zu können. Das klingt machbar. Und eine Woche, eine neue Defensive einzuspielen. Das dürfte schon schwerer werden.
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