Am Sonntagnachmittag ging es für Jamal Musiala in die Heimat. In einem Ambulanzflieger wurde der Star des FC Bayern nach Deutschland gebracht. Im Viertelfinale der Klub-WM gegen Paris Saint-Germain (0:2) am vergangenen Samstagabend hatte der Nationalspieler einen Wadenbeinbruch erlitten und sich infolge einer Sprunggelenksluxation wohl auch Schäden an den Bändern zugezogen.
Musiala wird dem deutschen Rekordmeister und der deutschen Nationalelf monatelang fehlen und nun in der Unfallklinik Murnau operiert, rund 70 Kilometer von München entfernt. Dort wurde auch Manuel Neuer nach seiner Bein-Fraktur infolge eines Ski-Unfalls vor drei Jahren operiert.
Die Verletzung und ihr Zustandekommen lassen Musialas Mitspieler enorm emotional reagieren. Wie sehr, schilderte nun ihr einstiger Kollege Rafinha. Der Brasilianer spielte als Verteidiger von 2011 bis 2019 für die Bayern. Er berichtete in der brasilianischen TV-Sendung „Troca de Passes“ Folgendes: Die Bayern-Spieler seien am Samstag in die Pariser Kabine gelaufen und hätten Paris-Torwart Gianluigi Donnarumma zur Rede gestellt. Rafinha beruft sich auf Gespräche mit Beteiligten.
Der 39-Jährige sprach von „hitzigen Diskussionen“ und „harten Worten“ in der PSG-Kabine. Laut Rafinha hätten einige Bayern-Spieler den 26-jährigen Donnarumma dazu aufgefordert, sich bei Musiala zu entschuldigen. Rafinha sprach in diesem Zusammenhang von einem „ethischen Kodex“, wenngleich Donnarumma aus seiner Sicht unter dem Strich „keine Schuld an der Verletzung“ trage.
Als Manuel Neuer Higuaín im WM-Finale erwischte
Der französische Radiosender „RMC“ berichtet, dass der italienische Torwart anschließend in die Bayern-Kabine gegangen sei. Er habe Musiala aber dort nicht mehr antreffen können, weil dieser bereits in Atlanta in ein Krankenhaus eingeliefert worden war. Donnarumma habe Musiala dann kontaktiert, sich entschuldigt und dem Bayern-Star eine baldige Genesung gewünscht. Auf Instagram schrieb Donnarumma: „Alle meine Gebete und guten Wünsche sind bei dir, Jamal Musiala.“
Der „Gazzetta dello Sport“ sagte Donnarumma zudem: „Ich bin sehr schockiert über das, was passiert ist. Es war sicherlich nicht meine Absicht, Musiala zu verletzen.“ Donnarummas Agent Vincenzo Raiola sagte: „Es geht um eine Zehntelsekunde.“ Raiola verglich die Szene mit einer aus dem WM-Finale 2014, als Deutschlands Torwart Manuel Neuer den argentinischen Stürmer Gonzalo Higuaín gerammt hatte.
Sein Klient „war als Erster am Ball und konnte dem Zweikampf nicht mehr ausweichen. Es ist unfair zu glauben, dass er Musiala verletzen wollte“, so Raiola. Donnarumma sei „sehr besorgt und traurig“ gewesen: „Gigio ist ein sehr sensibler Junge.“
Über Donnarummas Aktion gegen Musiala wird seit Tagen diskutiert. Bayerns Offensivprofi Michael Olise hatte kurz vor der Halbzeitpause gegen Paris einen Pass in den Strafraum von PSG gespielt, halbrechts vor dem Tor Donnarummas. Musiala umlief den verteidigenden Willian Pacho, Keeper Donnarumma stürzte aus dem Tor und traf Musiala.
Donnarumma weinte auf dem Rasen
Donnarumma vergoss anschließend sogar Tränen auf dem Rasen, als er feststellte, dass Musiala sich im Zweikampf offensichtlich schwer verletzt hatte. Der Torhüter wird dennoch heftig kritisiert. Besonders Bayerns Torwart Manuel Neuer echauffierte sich über den italienischen Nationalspieler.
„Das ist eine Situation, wo man nicht so reingehen muss. Das ist risikofreudig. Er nimmt die Verletzung seines Gegenspielers in Kauf“, sagte Neuer nach der für die Bayern so bitteren Partie in den USA. „Ich bin zu ihm und habe gesagt: ‚Willst du nicht mal zu unserem Spieler hingehen?‘ Das gehört sich aus Respekt, da auch mal hinzugehen und dem Jungen alles Gute zu wünschen. Hat er dann auch noch gemacht. Es gehört immer Fairness dazu. Ich hätte anders reagiert“, so Neuer.
Donnarummas Agent Raiola sagte, eigentlich „verstehe ich Neuer.“ Der Bayern-Torwart verteidige nun mal seinen Mitspieler Musiala, wenn er moniere, dass Donnarumma sich nicht sofort entschuldigt habe. „Das stimmt, aber wir sind alle verschieden – und jeder verhält sich, wie er kann.“
Der Schlussmann soll laut „RMC“ nach dem Vorfall mit Joaquin Valdes, dem Mannschaftspsychologen von PSG, gesprochen haben. Zuspruch erhielt Donnarumma von Real Madrids Torhüter Thibaut Courtois, der Neuers Kritik nicht teilt.
„Donnarumma die Schuld an der Verletzung zu geben, finde ich komplett übertrieben“, so der Belgier: „Torhüter gehen konsequent zum Ball. Die Angreifer ziehen auch nicht zurück, wenn unser Kopf im Weg ist. Es war einfach Pech und wird ihn tief verletzen.“
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über weitere Fußball- und Fitness-Themen.
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