In der ewigen Bestenliste der Speerwerfer kommt unter den Top 13 kein Name häufiger vor als der von Johannes Vetter. Siebenmal steht er dort, Weltrekordler Jan Zelezny nur fünfmal sowie einmal noch Thomas Röhler. Doch die weitesten Würfe Vetters mit dem Spitzenwert von 97,76 Metern liegen alle vier bis fünf Jahre zurück, denn der frühere Weltmeister macht seither eine lange und schmerzhafte Leidenszeit mit zwei schweren Verletzungen durch.
Die Folge: „Mir fehlen beim Werfen die Automatismen“, sagt der 32 Jahre alte Vetter. „Die vergangenen vier Jahre habe ich mich wie ein Fußballer gefühlt, der beim Elfmeter den Ball nicht richtig trifft und ihn zur Eckfahne schießt. Früher war jeder Schuss unhaltbar. So habe ich 90-Meter-Würfe in Serie rausgeballert. Mir fehlt die Selbstverständlichkeit, Dinge zu machen, die ich früher einfach gemacht habe. Das muss ich jetzt ganz mühsam neu erlernen, um den alten Jojo wieder hervorzuholen.“
Alles begann 2021, nachdem sein Lebenstraum platzte: Bei den Olympischen Spielen in Tokio verpasste er als Favorit den Titel, weil der rutschige Bodenbelag nicht zu seinem kraftvollen Wurfstil passte. Er wurde Neunter.
Danach bremste ihn mehr als zwei Jahre lang eine Schulterverletzung aus. Er arbeitete gegen eine Schulterinstabilität, um das Schulterblatt in eine andere Stellung zu bekommen. „Dadurch hatte ich dort zwar erst einmal keine Schmerzen, doch dann ging es mit dem Ellenbogen los“, sagt Vetter: „Da bin ich von einem Scheißhaufen geradewegs in den nächsten reingetreten.“
„Alles, was der Körper toleriert, wird gemacht“
So folgte Ende Juli 2024 eine Operation am rechten Ellenbogen. „Laut OP-Bericht war beim Innenband die anatomische Grundstruktur nicht mehr zu erkennen“, sagt Vetter: „Es war ausgeleiert und ausgefranst. Das wurde dann mit einer körpereigenen Sehne aus meinem linken Unterarm ersetzt. Ich bin mein eigenes Ersatzteillager.“
Seither arbeitet sich Vetter zurück – wieder einmal. Der Ellenbogen macht wegen Überlastung immer wieder mal Probleme. „Mein Motto ist halt ,all in or nothing‘“, sagt Vetter. „Alles, was der Körper toleriert, wird gemacht. War wohl auch ein Tick zu viel.“
Für Juni und Juli waren Wettkämpfe geplant. In Offenburg musste er nach zwei ungültigen Versuchen abbrechen. „Das hat mir etwas den Stecker gezogen“, sagt Vetter. „Der Körper weiß noch nicht richtig, was er zu tun hat. Das ist frustrierend.“ Das Fernziel sind jetzt die deutschen Meisterschaften ab dem 31. Juli in Dresden.
Noch ist der Ex-Weltmeister finanziell abgesichert: Er wird als Stabsunteroffizier durch die Bundeswehr gefördert. „Die Luft wird aber auch irgendwann einmal dünn“, sagt Vetter. „Der Verband entscheidet, ob ich weiter im Kader sein werde. Nur dann kann ich Sportsoldat sein. Mir wurde bereits signalisiert, dass dieses Jahr schon etwas passieren muss.“
„Ich möchte das Ehrenamt und das Vereinsleben stärken“
Für die Zukunft schaut sich Vetter nach Optionen um: Er hat bereits eine B-Lizenz als Trainer, kann sich gut vorstellen, sein Wissen weiterzugeben. Außerdem ist Vetter in der Politik aktiv. Seit 2019 sitzt er für die Freien Wähler im Gemeinderat. Für 2026 plant er den nächsten Schritt. „Ich kandidiere in der Landtagswahl in Baden-Württemberg für die CDU“, sagt Vetter. „Da stehe ich auf der Landesliste, bin Ersatzkandidat im Wahlkreis Lahr für Marion Gentges, die im Bundesland Justizministerin ist.“
Seine Motivation: „Mein Anreiz ist, die Gesamtsituation für die Menschen zu verbessern. Bei mir ist das Thema klar der Sport. Ich möchte das Ehrenamt und das Vereinsleben stärken. Wenn Menschen aus verschiedenen Schichten und mit verschiedenen politischen Ansichten in den Vereinen zusammenkommen und sich austauschen, dann stärkt das unser Demokratiebewusstsein und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wenn alle in einem Verein für ein Ziel arbeiten, ist das gelebte Demokratie.“
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.
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