Die Tour kehrt auf die Champs-Élysées zurück, nimmt aber einen umstrittenen Umweg: Die olympiaerprobte Montmartre-Passage sorgt bei den Stars für Kritik. Und könnte für bislang ungekannte Attacken der Favoriten am Schlusstag sorgen.

Einst herrschten die Götter der modernen Kunst am Montmartre. Picasso, Braque oder Modigliani zelebrierten in ihren jungen und teils gleichzeitig letzten Jahren die Bohème in Hinterhöfen und Spelunken hoch über Paris, oft malend, öfter trinkend. Ein Jahrhundert später verrichten im Schatten von Sacré-Coeur die asketischen Meister ihr Werk, Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard oder Remco Evenepoel. Der Abschluss der Tour de France führt erstmals ausgiebig über den legendären Künstlerhügel.

Was bei Olympia faszinierte, soll nun der am Samstag beginnenden Frankreich-Rundfahrt finale Finesse verleihen. "Mit der dreimaligen Überquerung der Butte Montmartre, die letzten 6,1 Kilometer vor dem Ziel, könnte das klassische Szenario eines Massensprints auf der schönsten Avenue der Welt auf den Kopf gestellt werden", sagt Streckenchef Thierry Gouvenou.

"Montmartre macht die Tour unnötig kompliziert"

Im Normalfall gehört den Sprintern der Schlussakt auf den Champs-Élysées - im Vorjahr endete die Tour wegen der Pariser Sommerspiele ausnahmsweise in Nizza. Nun kehrt die Grande Boucle zwar wieder auf die Prachtstraße zurück - doch vor dem Sprintfinale geht es dreimal den giftigen Anstieg zum Montmartre (etwa einen Kilometer lang, rund sieben Prozent steil) hinauf. Das sorgt unter den Profis für Verstimmung. Am deutlichsten opponiert derjenige, der dort das größte Rennen seiner Karriere fuhr.

"Montmartre macht die Tour unnötig kompliziert, nach drei harten Wochen sorgt das für noch mehr Erschöpfung und Stress", sagt Remco Evenepoel. Der Belgier gewann 2024 das spektakuläre Olympia-Straßenrennen, unvergessen die Bilder, als er die Menschenmassen am Montmartre teilte und schließlich vor dem Eiffelturm sein Rad emporhob: "Bei der Tour aber nimmt das den Sprintern ihren größten Tag weg."

Jetzt sind es 150 im Positionskampf - keine gute Idee

Auch der zweimalige Tour-Sieger Jonas Vingegaard ist skeptisch: "Bei Olympia sah das schön aus. Aber da waren 50 Fahrer zusammen, jetzt sind es 150 im Positionskampf - keine gute Idee." Jahrzehntelang war die Schlussetappe eine Tour d'honneur, das Gelbe Trikot wurde nicht mehr attackiert. Was, wenn Titelverteidiger Tadej Pogacar und Herausforderer Vingegaard nun eng beieinander liegen? Gibt es dann am Montmartre Attacken?

So nachvollziehbar die Überlegung ist, die oft zähe Schlussetappe aufzupeppen, so diskutabel ist sie. Denn die 20 Etappen zuvor bieten Spektakel en gros. Die erste Rennphase mit dem Start in Lille, dem ersten Tour-Auftakt in Frankreich seit Brest 2021, verläuft noch recht gemächlich - auch wenn die ersten Tagesabschnitte nur vermeintlich flach sind und die doppelte Mur de Bretagne (7. Etappe) eine Gemeinheit ist.

Ab Mitte der zweiten Woche knallt es

Ab Mitte der zweiten Woche knallt es dann aber. Am Puy-de-Dome im Zentralmassiv (10. Etappe), in den Pyrenäen mit zwei Bergankünften und einem Bergzeitfahren (12. bis 14.), dem ersten Etappenfinale auf dem einzigartigen Mont Ventoux seit neun Jahren (16.) und an zwei einigermaßen brutalen Alpen-Tagen (18./19.).

Braucht es da noch eine letzte Zuspitzung? Schon bei Olympia sei das am Montmartre "Reizüberflutung" gewesen, sagt Frankreichs Ex-Weltmeister Julian Alaphilippe. Andererseits: Als 1989 die Rundfahrt mit einem Zeitfahren auf den Champs-Élysées endete, war die Skepsis ebenfalls groß. Heute gilt das legendäre Acht-Sekunden-Finale zwischen Greg LeMond und Laurent Fignon als größter Tour-Moment der Geschichte.

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