Es ist eines der denkwürdigsten Spiele der deutschen WM-Historie. Das Achtelfinale 1990 gegen die Niederlande lebt von der besonderen Rivalität - und einem "Blackout" von Frank Rijkaard. Doch sein Spucken gegen Rudi Völler endet überraschend nicht nur für ihn selbst mit einem Platzverweis.
"Die beste Tat des Argentiniers war sein überzeugender Schlusspfiff", schrieb der langjährige TV-Mann Harry Valérien in seinem Buch "Fußball WM 1990" über den Schiedsrichter des Achtelfinalspiels zwischen den Niederlanden und Deutschland. Juan C. Loustau hatte eine "erbärmliche Leistung" ("SportBild") gezeigt und war in der ARD-Livereportage aus Mailand dementsprechend hart vom Kommentatoren-Duo Heribert Faßbender und Karl-Heinz Rummenigge angegangen worden. Faßbender: "Den Schiedsrichter, den sollte man zurück in die Pampa schicken!" Später rief Karl-Heinz Rummenigge: "Ich hoffe, wir sehen diesen Schiedsrichter nicht mehr bei dieser WM." Und Heribert Faßbender setzte noch einen obendrauf: "Höchstens als Kartenabreißer."
Doch auch dieses Schicksal blieb Loustau nach diesem denkwürdigen Spiel am 24. Juni 1990 erspart. Vordergründig aus logistischen Gründen - doch auch die FIFA wusste, was dieser völlig überforderte Schiedsrichter den beiden Teams und ihren Fans an diesem unvergesslichen Abend im Sommer vor 35 Jahren angetan hatte. Höhepunkt seiner Fehlleistung war der Platzverweis des deutschen Stürmers Rudi Völler. Eine unglaubliche "Ungerechtigkeit", über die Völler selbst direkt nach der Partie sagte: "Beim Leben meiner Kinder: ich habe nichts gemacht. Ich weiß nicht, warum ich die Rote Karte sah." Und tatsächlich hat Juan C. Loustau das Geheimnis dieser Hinausstellung bis heute nicht aufgeklärt.
"Ich hatte einen Blackout"
Hinterher sagte der wahre Übeltäter Frank Rijkaard, mit dem sich Völler über Minuten einen hollywoodreifen Zweikampf geliefert hatte, einsichtig: "Es war der Frust der letzten Spiele. Ich hatte einen Blackout." Und in der Tat ist auch heute noch nicht gänzlich zu verstehen, was den niederländischen Nationalspieler an diesem herrlichen Sommerabend geritten haben mag. Denn Rijkaard war nicht nur auf dem Platz für einige Minuten komplett außer Rand und Band, seine "absolute Verrücktheit" (so seine eigenen Worte über das, was geschehen ist) setzte sich, wie kaum jemand weiß, auch später in den Katakomben noch fort - und hätte, so die bittere Ironie der Geschichte an dieser Stelle, auch noch weitere Folgen, neben der Spielsperre, für den deutschen Stürmer haben können. Denn die niederländischen Zeitungen schrieben am nächsten Tag: "Völler hat Rijkaard abgefangen, um ihn zu verprügeln!"
Rudi Völler selbst schilderte in seinem Abschiedsbuch nach der aktiven Laufbahn ("Ruuuuudi. Mein Leben, meine Karriere, meine Geheimnisse") die dramatischen Minuten so: "Ich registriere nicht die ganzen FIFA-Leute. Ich höre nur Frank Rijkaard. Sehe, wie er langsam die Treppe hochkommt. 'Frank, warum nur? Warum du?' Ich frage ihn, suche nach einer Erklärung. Er geht an mir vorbei, packt mich am Hals, schubst mich weg. Da bin ich explodiert. Es gibt ein richtiges Handgemenge. Ich schlage, er schlägt. Meine ganze Wut muss einfach raus. Betreuer stürzen sich dazwischen. Ich mache mich los, flüchte in die Kabine. Die Tür fällt ins Schloss. Draußen davor poltert Rijkaard. Bearbeitet mit Fäusten und Tritten die Kabinentür, bis auch er von seinen Betreuern in die Kabine gezogen wird."
"Es tut mir leid für Rudi"
Zuvor auf dem Platz hatte Frank Rijkaard den deutschen Stürmer (mindestens) zweimal (Völler selbst sagte nach dem Spiel, dass er ihn sogar dreimal mit seiner Spucke attackiert habe) angerotzt und ihn versucht, am Ohr ziehend vom Boden aufzuheben. Auch 35 Jahre später sind das noch immer unglaubliche, irre Szenen, die anschließend noch unrühmlich vom Schiedsrichter gekrönt wurden, als Juan C. Loustau den beiden Spielern die Rote Karte zeigte. Zwei Tage nach seiner ekelhaften Tat zeigte sich wenigstens Frank Rijkaard, den die Presse mittlerweile "Lama" getauft hatte, einsichtig, als er sagte: "Es tut mir leid für Holland, leid für die Fans, vor allem aber für meinen Freund Rudi Völler. Er hatte die Rote Karte nie und nimmer verdient."
Doch eine positive Sache hatte das ganze Spektakel für die deutsche Elf: Nach dem Rot-Skandal und den mehrfachen Demütigungen für Rudi Völler - die dieser nach dem WM-Gewinn allerdings bereits anfing, humorvoll zu verarbeiten ("Der Frank hat eben manchmal eine feuchte Aussprache") - spielte die Nationalmannschaft der BRD plötzlich groß auf. Ganz besonders ein Mann lief zu einer Gala-Form auf: Jürgen Klinsmann. Der blonde Stürmer wurde nach dem Spiel dann auch völlig zurecht auf denkwürdige Art und Weise von Teamchef Franz Beckenbauer höchstpersönlich geehrt: "Der Jürgen Klinsmann hat über seine Verhältnisse gespielt."
"Das war nicht normal"
Tatsächlich absolvierte Klinsmann eine der besten Partien seiner Karriere, schoss ein Tor selbst und verausgabte sich in Abwesenheit seines Stürmer-Kollegen bis zur totalen Erschöpfung. Völler meinte hinterher dankbar: "Das war nicht mehr normal, wie der gerannt ist." Klinsmann war es auch maßgeblich zu verdanken, dass die deutsche Elf nach einer intensiven, rassigen Partie am Ende mit einem 2:1-Sieg vom Platz ging und ins Viertelfinale der Weltmeisterschaft 1990 einzog.
Auf Schiedsrichter Jean C. Loustau sollte die deutsche Nationalmannschaft später sogar noch zweimal treffen. Allerdings in Freundschaftspartien ohne größeren Wert. Was ihn an diesem unvergesslichen Abend von Mailand allerdings dazu veranlasst hat, den "unschuldigen" Völler auf die gleiche Weise zu bestrafen wie das "Lama" Frank Rijkaard, das hat Loustau auch im Zuge dieser beiden Spiele nicht erklärt. Es wird wohl so kommen, wie Rudi Völler es einst bereits vermutet hat: "Was den Schiedsrichter damals geritten hatte, wird er wohl mit ins Grab nehmen."
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