Es hat 14 lange Jahre gedauert, nun hat Deutschland nach Dirk Nowitzki wieder einen NBA-Champion. Isaiah Hartenstein gewinnt mit Oklahoma City den ersten Titel der Franchise-Historie. Es dürfte nicht der Letzte gewesen sein.
Elijah Hartenstein hat die Zeit seines Lebens. Sein Vater Isaiah hat soeben mit Oklahoma City die NBA-Meisterschaft errungen, er ist erst der zweite Deutsche nach Dirk Nowitzki, dem dieses Kunststück gelang. Doch während die Mannschaft vor 18.000 Thunder-Fans in der ausverkauften Paycom-Arena ausgelassen den ersten Titel der Franchise-Historie feiert, schläft der einjährige Sohnemann seelenruhig in Hartensteins Armen. "Es ist ihm vielleicht nicht laut genug", scherzt der 27-jährige Deutsche, ehe er die Menge animiert und der Reporterin verspricht, seinem Sohn morgen von der Szene zu erzählen.
Die siebte und entscheidende Finalpartie zwischen dem besten Team dieser Saison und der Überraschungsmannschaft Indiana Pacers war wenige Minuten zuvor zu Ende gegangen. OKC gewann 103:91, Hartenstein hatte sieben Punkte, neun Rebounds und vier Assists zum Sieg in Spiel sieben beigetragen. Mit insgesamt 11,2 Punkten, 10,7 Rebounds und 3,8 Assists in der abgelaufenen Saison war er einer der Schlüsselspieler für die jungen Thunder, die als eines von nur vier Teams in der Geschichte 84 Partien oder mehr in der Saison plus Playoffs gewinnen konnten.
Angeführt von einem dominanten Shai Gilgeous-Alexander, der als nur vierter Spieler nach Kareem Abdul-Jabbar, Michael Jordan und Shaquille O'Neal Scoring-Champion, MVP und Finals MVP in ein und derselben Saison wurde, brauste Oklahoma City von einem Superlativ ins Nächste. Der Titel war nur folgerichtig. "Wenn ich gewinnen würde, wäre es auch etwas Cooles für Deutschland", hatte der deutsche Big Man vor dem Start der Finalserie gesagt. Dieses Ziel hat er nun erreicht - bei einem der am besten zusammengestellten und geführten Klubs der Liga, der hier eine mögliche Dynastie eingeleitet haben könnte.
Perfekte Addition für historisch gutes Team
Bereits im Vorjahr eines der fünf besten Abwehr-Teams ligaweit, entledigte sich General Manager Sam Presti der größten defensiven Schwachstelle im Kader und fügte gleichzeitig zwei Elite-Verteidiger hinzu: Alex Caruso und eben Hartenstein. Die beiden machten OKC undurchdringlich. Caruso war schon lange als unnachgiebiger Kettenhund im Halbfeld berüchtigt; "I-Hart" machte sich als Malocher, als lange, athletische Zonenpatrouille, als einer der statistisch besten Ringbeschützer und mobile Abschreckung im Interieur einen Namen. Der Deutsche war Presti und Oklahoma City im vergangenen Free Agent Sommer 87 Millionen US-Dollar für drei Jahre wert - eine perfekte Investition, wie sich schnell herausstellte.
Lu Dort, Jalen Williams, Shai Gilgeous-Alexander und Chet Holmgren waren allesamt bereits Plus-Verteidiger. Dank der Additionen von Caruso und Hartenstein avancierte die Thunder-Hydra zum Albtraum gegnerischer Angriffsreihen. OKC bestätigte auch in den Playoffs das Bild, das während der regulären Saison entstand: bestes Defensiv-Rating, die wenigsten erlaubten Punkte in der Zone, die schlechteste Trefferquote der Opponenten und die meisten abgefälschten Bälle pro Partie.
Die Kombination aus solch erstickender Abwehrarbeit und einer explosiven Attacke, die dank der Führungsqualitäten von Gilgeous-Alexander ein Offensiv-Rating von über 120 Punkte pro 100 Angriffe generierte, platzierte Oklahoma City im Net-Rating am Ende auf Rang zwei aller Teams in der NBA-Geschichte. Nur Jordans nahezu perfekte Chicago Bulls 1995/96 waren mit plus 13,4 noch besser als diese Thunder (plus 12,8). Auch im Angriff war Hartenstein dank seines patentierten "Push Shots", seiner Passqualitäten, seiner unermüdlichen Rebound-Arbeit am offensiven Brett und seiner hart gestellten Blöcke ein wichtiges Puzzleteil.
Unorthodoxer Weg zum Basketball-Gipfel
Hartensteins Werdegang in die NBA ist unüblich. Geschenkt wurde ihm nichts, häufig musste er den Umweg über obskure Ligen und mickrige Vertragsgarantien nehmen. Aber er biss sich überall durch. Der in Oregon geborene Sohn eines ehemaligen deutschen Basketballers und einer amerikanischen Mutter zog 2008 mit seiner Familie nach Deutschland, spielte zunächst beim MTV Gießen und bald darauf beim ehemaligen Arbeitgeber seines Vaters, den Artland Dragons in Quakenbrück. Schon damals träumte der lange Youngster ganz groß: "Mein Ziel ist es, in der NBA zu spielen. Ich will in die beste Liga der Welt."
Mit den Young Dragons gewann er den Meistertitel in der Jugend-Basketball-Bundesliga (JBBL) und räumte MVP-Trophäen als wertvollster Spieler ab. Sein BBL-Debüt gab er im Alter von nur 16 Jahren. Mit 17 wechselte er zum litauischen Power-Klub Zalgiris Kaunas, gewann später die litauische Meisterschaft und lief in der Euro League auf. Anfang 2017 machte er als Teil einer U19-Weltauswahl beim renommierten Nike -Hoop-Summit auf sich aufmerksam. Bereits Dirk Nowitzki und Dennis Schröder hatten sich bei diesem Showspiel einst in die Notizzettel von NBA-Scouts forciert. Wenige Monate später meldete sich Hartenstein zum Draft an und wurde von den Houston Rockets in der zweiten Runde an Position 43 gedraftet.
Über Houstons Farmteam Rio Grande Valley Vipers ackerte sich Hartenstein nach und nach in Richtung garantierten NBA-Vertrag. Während er eine Zeit lang zwischen NBA und G-League hin und her geschoben wurde, gewann er 2019 mit den Vipers den G-League-Titel und wurde als G-League-Finals-MVP geehrt. Nach zwei Jahren in Houston und sporadischen Einsätzen - 28 als Rookie, 23 als Sophomore - wechselte Hartenstein zunächst zu den Denver Nuggets, nur um Monate später zu den Cleveland Cavaliers getradet zu werden. Auch dort blieb er nicht lange: im folgenden Sommer unterschrieb er bei den Los Angeles Clippers, wo er zum ersten Mal eine konstante Rolle fand und seine soliden Leistungen als Backup in einen Zweijahresvertrag bei den New York Knicks ummünzen konnte. Im Madison Square Garden avancierte Hartenstein dank seines bedingungslosen Einsatzes und seiner ruppigen Art zu einem der Publikumslieblinge - und einem der begehrtesten Free Agents der NBA. Oklahoma City suchte nach der Playoff-Niederlage im Vorjahr gegen Dallas händeringend nach Verstärkung auf den großen Positionen. Und der Rest ist Geschichte, wie es so schön heißt.
Fünfter Deutscher in den NBA Finals
Hartenstein kam, spielte und siegte. Eine ganze Menge. 68 Mal während der regulären Saison, weitere 16 Mal in den Playoffs. Oklahoma City verwandelte eine der besten Start-Ziel-Performances aller Zeiten in den ersten Titel seiner Historie (die Zeit in Seattle vor dem Umzug 2008 nach Oklahoma zählt nicht), Hartenstein veredelte seine erfolgreichste Zeit als Profi mit der Meisterschaft - und trug mit 5,6 Punkten und 6,7 Rebounds im Schnitt in diesen Finals zum Erfolg bei.
Dirk Nowitzki erzielte einst nicht nur bärenstarke 24,4 Punkte und 10,3 Rebounds im Schnitt in zwölf Final-Partien, sondern war lange auch der einzige Deutsche, der sich zum NBA-Champion krönte, nachdem er sich 2011 mit seinen Dallas Mavericks als Finals-MVP für die Niederlage 2006 gegen Miami Heat revanchieren konnte. Detlef Schrempf unterlag 1996 als Starter für die Seattle Supersonics gegen Michael Jordans Chicago Bulls mit 2:4. Schrempf kam damals auf 16,3 Punkte, 5,0 Rebounds und 2,5 Assists im Schnitt. Maxi Kleber (1,8 Punkte und 1,4 Rebounds in fünf Einsätzen, unterlag 2024 mit Dallas) sowie Daniel Theis (1,5 Punkte und 2,5 Rebounds in zwei Partien, unterlag 2022 mit Boston) erreichten beide die NBA-Finals, waren aber dort kein Faktor.
Ob der heute talentierteste deutsche Big Man in diesem Sommer und darüber hinaus endlich wieder international für Deutschland antreten wird, ließ er vorerst offen. "Ich will definitiv bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles mitmachen. Was die Europameisterschaft in diesem Jahr und die WM 2027 angeht, müssen wir mal schauen, wie ich mich körperlich fühle nach der langen Saison", sagte Hartenstein noch im April. Stets betont er, dass die NBA für ihn an erster Stelle steht.
Es war unter anderem diese Haltung, die ihn für die Kader des ehemaligen Bundestrainers Gordon Herbert untauglich gemacht hatte. Der vorerst letzte seiner 19 Einsätze im Trikot der Nationalmannschaft liegt nun schon sieben Jahre zurück. Deutschland will bei der im August startenden Europameisterschaft seine Bronzemedaille von 2022 übertrumpfen - und gilt in Bestbesetzung als einer der großen Goldkandidaten. Ein frisch gebackener NBA-Champion würde diesen Plänen nur nachhaltig Flügel verleihen ...
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