Sagenhafte 16,7 Millionen Follower auf Instagram, dazu zwölf Millionen auf TikTok. In der Welt des Frauenfußballs ist niemand so bekannt wie Alisha Lehmann. Zumindest was ihre Social-Media-Accounts angeht, und das ist nun mal die Währung dieser Zeit. Vor der Heim-Europameisterschaft vom 2. bis 27. Juli muss aber ausgerechnet die 26 Jahre alte Schweizerin um ihren Platz im Kader bangen.
„Kann sich die Schweiz die prominente Absenz leisten?“, fragt nicht nur die „Neue Zürcher Zeitung“. Mehr noch: Kann es sich dieser Sport leisten, der auf allen Ebenen um mehr Sichtbarkeit kämpft?
„Erhält Lehmann eine Absage, fehlt nicht einfach eine Fußballerin, sondern ein Phänomen“, schreibt die „NZZ“ über die Stürmerin aus Tägertschi im Kanton Bern. Schließlich erreiche Lehmann mit jedem Post „so viele Menschen wie Roger Federer, Yann Sommer und Granit Xhaka zusammen“. Und fast so viel wie Tennis-Ikone Serena Williams (18,1 Millionen bei Instagram) und mehr als 25 Mal so viele wie die populäre deutsche Kapitänin Giulia Gwinn (642.000).
„Sie ist schon ein Phänomen“
Die blonde Mähne zum Zopf gebunden, Wimperntusche, spitze Lippen, knappe Hose – so kennen die Fans Alisha Lehmann auf dem Rasen. Ihre Fotos und Filme bei Instagram: mit Ball beim Training, Meisterjubel mit ihrem Klub Juventus Turin, wo die 59-malige Nationalspielerin keinen Stammplatz hat. Und oft Bikini-Bilder und Szenen mit stylishem Outfit.
Die Angreiferin dürfte zu jenen Spitzenfußballerinnen gehören, die mit Werbung auf Social Media mehr verdienen als bei ihrem Verein. Summen sind nicht bekannt, doch dieses Geschäftsmodell ist für Superstars überaus einträglich. Vor allem für die Nummer eins des Rankings: Cristiano Ronaldo – 657 Millionen Menschen folgen ihm auf Instagram – soll bis zu drei Millionen US-Dollar kassieren für einen einzelnen Werbepost.
„Followerinnen und Follower sind zu einer Art Währung geworden. Gerade in Sportarten, die nicht dauerhaft dermaßen im Fokus stehen wie der Männerfußball“, schreibt Bayern Münchens Starspielerin Gwinn in ihrem Buch „Write your own Story“. Und: „Social Media ist entscheidend für die Sichtbarkeit des Frauenfußballs.“
„Das hat vor allem mit ihrer Optik zu tun“
Im Sport habe man eine vielversprechende Chance, für mediale Sichtbarkeit zu sorgen, sagt Jana Wiske, Medienwissenschaftlerin der Hochschule Anspach. „Der Sport ist von Grund auf positiv besetzt. Da geht es um Athletik, um Ästhetik, um Gesundheit, um Erfolg. Dazu kann man versuchen – und das gelingt Alisha Lehmann herausragend – einen gewissen Wiedererkennungswert in dieser komplexen Welt des Sports, des Fußballs zu schaffen.“
Lehmann habe eine eigene DNA entwickelt. „Das hat vor allem mit ihrer Optik zu tun, die sie geschickt einsetzt. Die Leute erkennen sie wieder, das ist ein entscheidender Punkt. Sie steht für das Thema Attraktivität und einen bestimmten Lebensstil“, erklärte Wiske. „Überraschend ist, dass sie sportlich gar nicht so erfolgreich ist.“
Interviewanfragen an Lehmann werden derzeit von ihrem britischen Management abgelehnt, „da ihr Fokus auf dem Schweizer Nationalteam liegt“. Die frühere Aston-Villa-Spielerin fehlte in diesem Jahr teilweise im Aufgebot von Nationaltrainerin Pia Sundhage, die mit 35 Spielerinnen in die EM-Vorbereitung in Magglingen gestartet ist. „Ich bin jemand, der nie aufgibt. Ich trainiere sehr hart und gebe alles dafür, dass ich schlussendlich aufgeboten werde“, sagte Lehmann zuletzt.
Der 23-er Kader wird nicht einfach so bekannt gegeben, sondern die Fans können in einer Art Schnitzeljagd („The Chase“) die EM-Teilnehmerinnen herausfinden. Die große Frage: Ist Lehmann bei der Bekanntgabe am 23. Juni dabei? Oder fehlt jene Figur, mit der die Schweiz auch für ihr Turnier wirbt?
Was sagen die TV-Anstalten?
Natürlich erntet die Schweizerin auch viel Häme und Spott in den sozialen Medien, gerade durch ihre offenherzige Darstellung. „Wir sehen, dass Alisha Lehmann genauso viel investiert wie alle anderen“, betonte Kapitänin Lia Wälti im SRF: „Sie hat enormen Ehrgeiz, und ihre Priorität ist auf dem Fußball. Man urteilt einfach extrem schnell, ich glaube, da muss man aufpassen.“
Lehmann selbst sagte der Zeitung „20 Minuten“: „Ich bin mittlerweile älter geworden, und es ist mir egal. Ich finde die ganze Kritik sogar lustig. Wenn mich jemand für mein Make-up kritisiert, nehme ich halt extra den dunklen Lippenstift, dass sie noch mehr zu reden haben.“
Lehmann lasse sich in ihrem Drang zur Selbstdarstellung nicht beirren, sagt Medienexpertin Wiske. „Sie lässt zudem eine Nähe zu und nimmt einen mit in ihre Welt. Sie ist schon ein Phänomen.“
Ob Lehmann nun bei der EM spielen darf, wird ihrer Ansicht nach auch die Fernsehsender interessieren: „Da dreht sich etwas um: Die Reichweite der eigenen Kanäle von Sportlerinnen sind inzwischen auch ausschlagend dafür, ob etwas in den klassischen Medien live gezeigt wird.“
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