Am Pfingstmontag sorgte die Niederlage immer noch für Debatten. Fans, Experten und Größen aus der Fußballbranche diskutieren über die Erkenntnisse aus dem Final Four der Nations League und die Folgen für die deutsche Nationalmannschaft.

Zwei Niederlagen, lediglich ein Tor, vier Gegentreffer und nur Platz vier. Das zweite Turnier in Deutschland unter Bundestrainer Julian Nagelsmann, von ihm und seinen Spielern als wichtige „Mini-EM“ ausgerufen, verlief ernüchternd. Der 37-Jährige stellt das Positive in den Vordergrund: „Natürlich sind wir noch ein paar Prozentpunkte hinter den Top-Teams der Welt. Wir können auch nicht in zwei Jahren die Welt einreißen. Trotzdem spüre ich in der gesamten Gruppe, da ist irgendwas Besonderes. Das hat eine besondere Note und da schlummert noch sehr viel Potenzial. Ich weiß nicht, wie schnell wir das rauskitzeln, das wird die Zukunft zeigen, aber ich habe schon trotzdem ein gutes Gefühl.“

Allerdings macht Nagelsmann seinen Spielern auch Druck für die kommende WM-Saison: „Wir werden überwiegend nur Spieler mitnehmen können, die auch Spielzeit haben. Und wir können natürlich dann nicht auf alle Rücksicht gehen. Ich wünsche mir schon, dass der Schattenkader noch ein bisschen mehr gefüllt wird, dass die Spieler besser spielen. Es wäre schön, wenn wir noch mehr Spieler hätten, die da reindrängen, unbedingt die WM spielen wollen. Alle sind herzlich eingeladen.“

Bei seinen Nominierungen dürfte Nagelsmann künftig also einige Veränderungen vornehmen. Die WM in den USA, Kanada und Mexiko im Sommer 2026 wird erstmals mit 48 Mannschaften ausgetragen und dauert mehr als fünf Wochen. Um hier erfolgreich zu sein, braucht es einen breiten Kader. Nach den Rücktritten von Manuel Neuer, Ilkay Gündoğan und Toni Kroos hat die Nationalelf noch einige Lücken und Schwächen. Bis zur WM bestreitet die Nationalelf noch elf Spiele.

WELT zeigt die deutschen Gewinner und Verlierer des Final Fours.

Die Gewinner

Marc-André ter Stegen

Beinahe neun Monate hatte der Torwart seiner Nationalelf wegen eines Patellasehnenrisses gefehlt. Beim 1:2 im Halbfinale gegen Portugal hielt ter Stegen gut, im Spiel um Platz drei gegen Frankreich (0:2) überragend. „Ich finde, dass Marc sehr, sehr gut gespielt hat“, sagte Nagelsmann. „Beim Tor (zum 0:1) ist er auch supergut dran. Er hat den Ball fast noch um den Pfosten gebracht. Auch die beiden anderen Abschlüsse von Kylian Mbappé hat er supergut gehalten.“

Ter Stegens Klub, der FC Barcelona, plant Medienberichten zufolge auf der Torhüterposition eine Veränderung in seinem Kader. Der Torwart ließ sich davon auf dem Rasen nicht ablenken. Und ist zu Recht Nagelsmanns klare Nummer eins.

Nick Woltemade

Der 23-jährige Stürmer vom VfB Stuttgart debütierte gegen Portugal. Und spielte auch gegen Frankreich von Beginn an, mit Angreifer Niclas Füllkrug. Woltemade agierte gegen Portugal zwar mitunter etwas nervös und ließ gegen Frankreich Chance aus. Generell brachte er sich aber gut in den Kreis der Nationalelf ein, präsentiere sich als belebender Faktor. Und zeigte auf dem Rasen, dass er mit etwas mehr Reife bald wichtig sein kann für die deutsche Auswahl. Nagelsmann lobte ihn.

Tom Bischof

Der 19-jährige Mittelfeldprofi wechselte gerade von der TSG Hoffenheim zum FC Bayern. Im Spiel um Platz drei debütierte er für Deutschland. Nach 65 Minuten kam Bischof für seinen neuen Vereinskollegen Leon Goretzka in die Partie und zeigte auf Anhieb Spielfreude. Bischof nahm es kurz nach seiner Einwechslung mit Adrien Rabiot auf und dribbelte im eigenen Strafraum, ehe er den Ball klärte.

„Er bringt sehr viel mit und ist ein sehr, sehr feiner Fußballer“, sagte Nagelsmann. „Natürlich muss er noch Schritte gehen. Aber nach der Trainingswoche hatte er sich das Debüt verdient. Mein eindringlicher Wunsch ist, dass er so normal bleibt, wie es irgendwie geht. Dann hat er auch eine große Chance auf eine gute Karriere.“

Der Bundestrainer sagte zudem: „Er ist ein Superjunge, ein sehr, sehr guter Charakter. Er hat bei den Physios geholfen, aufzuräumen.“ Das seien neben den Leistungen auf dem Platz „die kleinen Gesten, die ich wahrnehme“ und die ihm imponierten, sagte Nagelsmann: „Ich hoffe, dass er sich das beibehält.“

Antonio Rüdiger

Der umstrittenste Nationalspieler fehlte verletzt. In beiden Spielen im Final Four wurde deutlich, wie sehr der Star von Real Madrid der Nationalelf als Abwehrchef fehlt. Ohne ihn mangelte es mitunter an Abstimmung und Sicherheit. Rüdiger ist als Führungsspieler und Organisator sehr wichtig, Jonathan Tah, der künftig für den FC Bayern spielt, konnte ihn in diesem Turnier nicht ersetzen.

Rüdiger muss seine Emotionen in den Griff kriegen und darf sich keine weiteren Ausraster erlauben, das hat Nagelsmann betont. Gelingt dem Verteidiger dies, bleibt er eine der zentralen Säulen der Achse in der Nationalelf.

Jamal Musiala

Ähnlich bei Rüdiger war es bei Jamal Musiala: Der Spielgestalter fehlte im Final Four nach einer Verletzung. Und es wurde sehr deutlich, wie wenig kreativ und effektiv die Deutschen ohne Musiala sind. Seine Pässe, sein Abschluss, seine Dribblings und sein Spielverständnis sind zentral für das deutsche Spiel. Offensiv ist der Profi des FC Bayern der Taktgeber und immer wieder wichtiger Torschütze und Vorbereiter. Das deutsche Spiel ist ein Stück weit von ihm abhängig.

Verlierer

Robin Gosens

Bundestrainer Nagelsmann wechselte den Profi des AC Florenz gegen Portugal ein. Gosens kam beim Ausgleichstor der Portugiesen nicht hinterher, der Treffer fiel über seine linke Seite. Im Spiel um Platz drei kam er nicht zum Einsatz. Der 30-Jährige wird wohl sehr um seinen WM-Platz kämpfen müssen. Nagelsmann schätzt ihn als robusten „Energiespieler“, doch Gosens fehlt die Konstanz und muss seine Qualitäten in der Auswahl deutlich mehr zeigen.

Leroy Sané

Im Halbfinale setzte er wenig Akzente, im Spiel um Platz drei ließ Nagelsmann den Star des FC Bayern draußen. Stattdessen spielte neben Florian Wirtz der Dortmunder Karim Adeyemi als Außenstürmer – und überzeugte. Sané muss trotz seiner Schnelligkeit und Erfahrung wohl um seinen Platz in der Startelf kämpfen. Seine Zukunft auf Klubebene ist ungeklärt, die Verhandlungen mit dem FC Bayern über einen neuen Vertrag laufen, es könnte zu einem Klubwechsel kommen.

Serge Gnabry

In beiden Spielen eingewechselt. Konnte keine Akzente setzen, nach seiner Einwechslung gegen Portugal wirkte er beinahe wie ein Fremdkörper und spielte vor dem 1:2 einen Fehlpass. Von einem Platz in der Startelf der Nationalmannschaft ist der Offensivprofi des FC Bayern derzeit ganz weit entfernt.

Im vergangenen März hatte Nagelsmann ihn aus Leistungsgründen nicht für die Viertelfinals gegen Italien nominiert. Ein „Denkzettel“ des Bundestrainers, der Wirkung zeigte: Gnabry kam zum Saisonende besser in Form. Doch jetzt konnte er nicht überzeugen und wirft neue Zweifel auf.

Robert Andrich

Der Profi von Bayer Leverkusen kam in beiden Partien nicht zum Einsatz. Bundestrainer Nagelsmann sagte deutlich: „Wir wollten keinen fallen lassen, der im Klub nicht viel gespielt hat und darum nicht zwingend hätte dabei sein müssen. Er hat trotzdem einen großen Einfluss auf die Truppe, auch außerhalb des Platzes, aber auch auf dem Platz, wenn er spielt.“

Andrich spielte bei Leverkusen zuletzt kaum. Sein WM-Platz ist in Gefahr, sofern er keine Spielpraxis bekommt. Die Konkurrenz im Mittelfeld der Nationalelf ist groß.

Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen.

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