Mit Wucht, Raffinesse und Ausnahmetalent Lamine Yamal: Europameister Spanien stürmt durch ein spektakuläres 5:4 gegen Vize-Weltmeister Frankreich ins Endspiel der Nations League. Der Fußball der Mannschaft ist atemberaubend wild.
Spaniens Fußballer hätten sich an diesem magischen Donnerstagabend fast noch selbst betrogen. Fast wären sie gegen Frankreich noch aus dem Himmel gefallen, in den sie zuvor gestürmt waren. Nach 67 Minuten führten sie im zweiten Halbfinale der Nations League mit 5:1, am Ende schleppten sie ein 5:4 ins Ziel. Und spielen nun am Sonntag gegen Portugal in München um den nächsten Titel. Verlierer Frankreich muss zuvor gegen Deutschland ran. Und in der aktuellen Form beider Teams kann es nur einen Favoriten geben: Frankreich.
Wie zwei Boxer ohne Deckung waren beide Mannschaften in Stuttgart aufeinander zugerannt. Und die ersten Runden gingen an die Spanier. Wegen Lamine Yamal. Und wegen Nico Williams. Die derzeit beste Flügelzange der Welt hatte die Franzosen mit Unterstützung ihres Sturmkollegen Mikel Oyarzabal zerlegt. Yamal fand unter Druck noch einen Weg, den Ball ins Zentrum zu spielen, Oyarzabal machte ihn fest und leitete weiter. Williams drosch ihn schließlich am Ende der Nahrungskette ins Tor (22.). Das war schnell, einfach, magisch. Fußball, der einem dem Atem raubt, manchmal gar den Verstand.
Merino schickt Frankreich auf die Bretter
Und es blieb schnell, einfach, magisch. 40 Schüsse flogen in diesem hinreißenden Spektakel auf beide Tore, 24 davon feuerten die Franzosen ab. Aber sie scheiterten lange Zeit immer wieder an Unai Simon. Oder sich selbst. An der Seitenlinie war der kleine General Didier Deschamps fassungslos, außer sich. Konnte das alles wahr sein? Warum lag sein Team zurück? Erst 0:1, dann 0:2? Nur drei Minuten nach dem ersten Wirkungstreffer folgte der zweite. Mikel Merino hatte zugeschlagen (25.). Der Mann, der vor fast einem Jahr alle deutschen Träume im EM-Viertelfinale beendet hatte. Er schickte Frankreich auf die Bretter.
Verzweifelt versuchte das Team aufzustehen, anzurennen, sich gegen den Blitz-K.-o. zu wehren. Aber immer wieder knallte es rein. Yamal ging nach einem sehr ungeschickten Zweikampf von Adrien Rabiot zu Boden (54.), Elfmeter. Er übernahm selbst, eiskalt. Der 17-Jährige, der seit ein paar Tagen Topverdiener seines FC Barcelona ist, hatte seinen Auftrag erfüllt. Mal wieder. Dieser Auftrag ist längst größer geworden, als es für einen Teenager fair wäre. Aber für Yamal gelten solche Kategorien nicht. Er ist der größte Superlativ im Weltfußball. Obwohl es noch eine Weile hin ist, bis der "Ballon d'Or" vergeben wird, die Wahl zum besten Spieler der Welt, dürfte die Entscheidung bereits gefallen sein. Wer soll die Krönung verhindern? Ousmane Dembélé? Er ist Champions-League-Sieger und war in seiner Mannschaft PSG der beste Mann. Aber kann er wirklich an Yamal vorbei?
Yamal entschuldigt sich fast
Yamal ist eine Sensation. Seine Bewegungen sind so schnell, so geschmeidig, manchmal in ihrer Einfachheit gar nicht zu begreifen. Nicht für Zuschauer, nicht für Gegenspieler. Offensiv ist Spanien nicht zu stoppen, auch weil Yamal kein Einzelkönner ist. Williams ist ebenfalls ein großes Spektakel, dahinter Pedri ebenfalls. Aber was diese Mannschaft manchmal in ihrem Furor vergisst: verteidigen. Als Pedri das 4:0 erzielt hatte (55.), schien alles in Stein gemeißelt, spätestens aber, als Yamal eine Antwort auf den Anschlusstreffer von Mbappé (Elfmeter, 59.) hatte. Dieses Spiel hatte Inter-gegen-Barca-Vibes. Im Halbfinale der Champions League hatten diese beiden Teams der Königsklasse zwei nie da gewesene Nächte der Begeisterung, des gigantischen Erstaunens geschenkt. Es war schnell, dramatisch, eiskalt, mitreißend. Es war die Fußballperfektion. Mittendrin natürlich: Yamal.
Auf dem Weg zum 5:1 an diesem Abend war er mit einem kurzen Kontakt von Pedro Porro geschickt geworden. Der erfahrene Clement Lenglet begleitete ihn und war in der besseren Position. Aber Yamal pfeift auf solche Ausgangslagen. Er legte sich den Ball vor, ließ sich vom körperlichen Spiel seines Gegners nicht beeindrucken und schloss mit der Picke ab. Frankreichs Keeper Mike Maignan kam mit den Fingerspitzen dran, mehr nicht. Yamal fiel um, egal. Es war sein zweiter Treffer an diesem magischen Abend. Er traf gegen eine Mannschaft, die zum besten gehört, was die Welt zu bieten hat: Er traf gegen Frankreich. Und als er auf der Werbebande saß, hob er fast entschuldigend die Hände. Ja, was soll er denn machen? Er ist halt besser als der Rest der Welt.
Das gilt nur bedingt für die spanische Verteidigungsarbeit. Die Franzosen, die zu keiner Zeit aufgaben und doch lange Zeit so deutlich unterlegen wirkten, spürten, dass noch was möglich ist. Sie hatten ja ihre Chancen. Rayan Cherki nutzte eine per Traumtor. Der lange vom BVB umworbene Spieler traf per Distanzvolley (79.), Daniel Vivian leistete sich ein Eigentor (84.), in der Nachspielzeit traf noch Randal Kolo Muani. Kurz danach war Schluss, auch wenn Mbappé dem Schiedsrichter deutlich zu machen versuchte, dass er mit seinem Schlusspfiff irrte. Es war ja auch wirklich zu schön gewesen, zu mitreißend, zu atemberaubend. Werbung für diesen Wettbewerb, der anfangs auf so wenig Gegenliebe stieß. "Es war ein tolles Spiel. Am Ende war es nochmal ein bisschen knapp, aber wir haben es sehr gut gemacht", sagte Matchwinner Yamal und befand: "Wir haben verdient gewonnen."
Aberwitzige xG-Werte auf beiden Seiten
Beide Mannschaften wiesen mit dem Abpfiff aberwitzige xG-Werte auf. Der Wert, der die Torgefahr eines Teams bemisst, lag bei Spanien bei der außergewöhnlich hohen Zahl von 2,91. Bei den Franzosen war der Wert mit 2,78 nur knapp niedriger. Ausdruck eines massiven Spektakels. Gebaut auf sensationellen Offensivreihen, wobei etwa Desire Doué, das französische PSG-Juwel, kaum nennenswerte Szenen hatte, und erschüttert durch gnadenlos anfällige Defensivreihen. Die Interpretation der Verteidigung hat in Spanien in dieser Saison einen völlig neuen Anstrich bekommen. Durch einen Deutschen. Durch Supertrainer Hansi Flick. Der hat seinem FC Barcelona eine brutale Pressingkultur verordnet, mit einer im Weltfußball vermutlich einmalig hochstehenden Abwehrreihe. Das ist wahnsinnig zermürbend für den Gegner, wenn es denn klappt und ultragefährlich fürs eigene Team, wenn nur ein Spieler der Linie schläfrig agiert. Das ist dann zum Kopfschütteln hanebüchen. Die Spanier nahmen sich eine Anleihe davon, samt Schläfrigkeit.
Doch dass sie sich nicht selbst betrogen, hatten sie einmal mehr Yamal zu verdanken. Und dem herausragenden Torwart Simon, der die letzte Hereingabe der Franzosen mit einem vehementen Sturm aus dem eigenen Kasten abfing. Die "Furia Roja", die "Rote Wut", hatte sich ins Ziel geschleppt. Zauberhaft, nachlässig, mitreißend.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke