Der Hype um Fußball-Superstar Cristiano Ronaldo nimmt fast schon bizarre Züge an. Jede seiner Aktionen preisen die Fans auch beim Erfolg im Nations-League-Halbfinale gegen das DFB-Team. Aber ist er mit 40 Jahren nicht langsam zu alt?

Es ist wie im Videospiel. Cristiano Ronaldo läuft an. Die Bewegungen sind noch immer blitzschnell, drahtig, präzise. Er nimmt diese riesigen Schritte, die er schon immer macht. Der Kapitän der portugiesischen Nationalmannschaft zieht beim Aufwärmen das erste Mal ab, der Körper des 40-Jährigen ist komplett angespannt. Die Fans hinter dem Tor sind schon elektrisiert, da hat er den Ball noch nicht einmal berührt. Schließlich mussten sie wegen des Hagelsturms über München länger warten. Doch der Schuss? Der klägliche Versuch landet neben dem Tor.

Es liegt in der Natur von Fußball-Nationalmannschaften, dass sie immer etwas Zirkusartiges an sich haben. Alle paar Wochen kommen die besten Akteure eines Landes an einem anderen Ort zusammen, im besten Falle gibt es Unterhaltung und Trophäen. Doch wenn Circus Ronaldo in der Stadt ist, nimmt das völlig absurde Züge an. Plötzlich besitzt gefühlt jeder Haushalt in München ein CR7-Trikot. Vor dem Spiel gegen das DFB-Team übertragen die Videowände im Stadion nahezu jede seiner Aktionen. Schon ein Übersteiger lässt die Fans, und das ist wirklich keine Übertreibung, ausrasten. Sie rufen "Siuu", ahmen seinen Jubel nach. Smartphone-Kameras verfolgen ihn wie Sonnenblumen die Sonne.

Dabei ist das alles schon ein bisschen seltsam. Über zwei Jahrzehnte prägte Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro diesen Sport. Alleine, was das Nationalteam angeht, produzierte der 40-Jährige schon "krasse Zahlen", wie es DFB-Kapitän Joshua Kimmich bestaunte. Das ist vielleicht noch Understatement. Seit seinem Debüt sammelte Ronaldo insgesamt 220 Auftritte für Portugal und erzielte dabei 137 Tore. Damit bewegt er sich in ganz eigenen Sphären.

Dieser eine CR7-Moment

Doch das Debüt für Portugal ist mittlerweile fast zwei Jahrzehnte her, 2007 war das. Ist er mit 40 Jahren nicht schon lange zu alt für den ganzen Zirkus? Der fußballerisch alte Herr schlug am Mittwoch auch deshalb in München auf, weil er sich parallel noch auf Jobsuche befindet (dazu gleich mehr). 68 Minuten lang strahlt er in dem Nations-League-Halbfinale genau das aus: dass seine Zeit eigentlich vorbei ist. CR7 parkt überwiegend an der Mittellinie. Seine wenigen Ballkontakte werden zwar gefeiert, doch sie haben praktisch keine Auswirkung aufs Spiel. Bewacht wird er meistens von DFB-Verteidiger Robin Koch, sein Team ist gefühlt in Unterzahl.

Diese Erzählung funktioniert allerdings lediglich für 68 Minuten. Denn plötzlich ist er da. Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte vergangene Woche noch gewarnt. Ronaldo ist zwar mittlerweile 40 Jahre alt, aber im Strafraum, da ist CR7 noch immer brandgefährlich. Und so kommt es: Ball von außen, in der Mitte steht Ronaldo goldrichtig und schiebt den Ball ins leere Tor. Die Arena explodiert, 2:1. Der CR7-Moment. Noch nie konnte er gegen das DFB-Team gewinnen, sein Tor beendet diese Serie. Es ist die Rache für all die Niederlagen, die die Portugiesen in den vergangenen 20 Jahren gegen Deutschland erlitten hatten.

Es ist eigentlich ganz einfach: Wer trifft, hat recht. Die Zweifler, die sich auch nach dem Auftritt in München bestätigt sehen, müssen schweigen. Fehlendes Tempo? Kaum Gespür für Timing? Alles egal. Auch wenn der große Ronaldo manchmal wie eine Karikatur seiner selbst wirkt. Während der Europameisterschaft im vergangenen Jahr war er seinem Team keine Hilfe, verschoss im Achtelfinale gegen Slowenien sogar noch einen Elfmeter. Bei der WM 2022 war Portugal dann am stärksten, wenn Ronaldo nicht spielte.

"Selbst wenn er in Saudi-Arabien ist"

Aber Cristiano Ronaldo trifft eben. Und das hat er schon immer gemacht. Mehr als 800 Pflichtspieltore auf Klubebene. Rekordtorschütze von Real Madrid. Er ist Rekordspieler, -torschütze und -vorlagengeber der Champions League. All diese Zahlen und Bestmarken begründen den Mythos, den er sich über die Jahre aufgebaut hat. Wenn Lionel Messi derjenige war, dem das elegante Fußballspiel in die Wiege gelegt schien, war Cristiano Ronaldo derjenige, der sich alles mit Disziplin erarbeitet hat.

Und seine Strahlkraft ist nach wie vor ungebrochen. Auch wenn er vor zwei Jahren in die Wüste verschwunden ist. "Es ist einfach zu verfolgen, was er macht", sagte DFB-Keeper Marc-André ter Stegen, "selbst wenn er in Saudi-Arabien ist." Der Glanz von CR7 hat dem gigantischen Sportswashing-Projekt des Wüstenstaats mit der schwierigen Menschenrechtsbilanz zum Erfolg verholfen. Saudi-Arabien darf die Weltmeisterschaft 2034 austragen. Ronaldo wurde bei Al-Nassr FC derweil zum Torschützenkönig. Er erzielte bisher 99 Tore in 111 Einsätzen. Auch hier wieder: eine schwindelerregende Quote. Nur einen Titel, den holten sie nicht.

Deshalb hat CR7 dieses Kapitel beendet - und angedeutet, dass es woanders weitergeht. Auf Instagram. "Die Geschichte?", schrieb er, "wird noch fortgeschrieben." Er sei Al-Nassr für alles dankbar, aber es sei Zeit, weiterzuziehen. Der saudische Klub will zwar noch eine Verlängerung verhandeln, doch Ronaldo hat das nächste Ziel im Blick: die Klub-Weltmeisterschaft, die in wenigen Tagen in den USA beginnt. Er sucht einen Klub, der ihm das ermöglicht. Al-Nassr kann das nicht.

Verlassen kann sich Ronaldo bei der Jobsuche auf prominente Hilfe. FIFA-Boss Gianni Infantino kümmert sich höchstpersönlich darum. Im britischen "Independent" wurde zuletzt seine Art, wie er den Weltverband führt, mit der Strategie Disneys verglichen. Der Mickey-Mouse-Konzern kaufte erst das Marvel-Universum und kurz danach auch noch Star Wars. Die Strategie bestand daraus, die Fans mit Filmen und Serien zuzuschütten. Ähnlich also, wie es die FIFA gerade mit den Wettbewerben macht.

Alles wird immer größer und immer mehr. Infantinos nächster Zirkus schlägt in den USA auf. Erstmals findet dort die neue XXL-Klub-WM mit 32 Teams aus der ganzen Welt statt. Infantino wirbt seit Monaten auf der ganzen Welt dafür, ist der Möglichmacher des Turniers. Bestehende Regeln wurden geändert, sogar ein neues Transferfenster geschaffen. Natürlich soll auch Cristiano Ronaldo dabei sein.

Nur, was der Protagonist selbst dazu denkt, darüber schweigt er am Ende eines langen Abends in der Münchner Allianz Arena. Klammheimlich schleicht sich Ronaldo im Rücken der wartenden Journalistinnen und Journalisten davon. Die Vorstellung ist vorbei und er verschwindet in die Nacht.

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