Er ist Deutschlands Fußball-Experte Nummer eins: Lothar Matthäus arbeitet seit 2012 für Sky. Keiner analysiert so klar, hart und fundiert. Für die „Sport Bild“ blickt der 64-Jährige nach einer turbulenten Bayern-Saison auf die Brennpunkte beim deutschen Rekordmeister. Er rät davon ab, nach dem „Nein“ von Florian Wirtz unbedingt einen anderen Topstar zu verpflichten, empfiehlt Verkäufe sowie einen Sparkurs – und legt wie immer den Finger in die Wunde, speziell in der Causa Uli Hoeneß.
Matthäus über die Torwartfrage bei Bayern
„Manuel Neuer ist die klare Nummer 1, es wird vermutlich seine letzte Saison sein. Zudem kann man Jonas Urbig nicht über Jahre auf der Bank lassen, man baut voll auf ihn. Neuer sollte nicht zu ehrgeizig sein, sich selbst auch mal eine Pause gönnen. Urbig hat gelernt, mit dem Anspruch und der Belastung bei Bayern München umzugehen. Mit Alexander Nübel rechnet man dagegen in München meiner Meinung nach nicht mehr wirklich. Ihn könnte der FC Bayern verkaufen und sich das Gehalt sparen. Ich halte es ohnehin für erstaunlich, dass man sich Neuer, Urbig, Ulreich, Peretz und Nübel zeitgleich leistet. Diese Ausgaben auf der Torwartposition hat kein anderer Verein der Welt.“
Matthäus über die Neuers mögliches Comeback im Nationalteam
„Null Prozent. Manuel kommt nicht mehr an das Leistungsniveau heran, auf dem er vor fünf, sechs Jahren war. So unantastbar ist er nicht mehr. Julian Nagelsmann hat sich zudem so klar auf seine Torhüter festgelegt. Manu soll sich auf Bayern München konzentrieren und das Jahr genießen.“
Matthäus über den Ärger von Uli Hoeneß über die Wirtz-Berichterstattung
„Uli Hoeneß sollte sich in der Öffentlichkeit etwas mehr zurückziehen oder sich zumindest überlegter äußern: Nicht Journalisten sind schuld, dass Dinge verbreitet werden – diese kommen aus dem Verein selbst. Uli selbst hat ja vor rund einem Jahr gesagt, dass nichts mehr nach außen kommen wird. Das Gegenteil davon ist der Fall. Und natürlich gibt es dann Nachfragen, die man sich gefallen lassen muss.“
„Uli Hoeneß kennt das Geschäft seit fast 60 Jahren. Er hat von den Medien profitiert, der Klub wurde auch deswegen so groß, wie er ist. Deswegen kann er nicht auf einmal nur draufhauen und sagen: Ihr spekuliert, wir geben die Fakten bekannt. Denn eines muss man auch einmal festhalten: Die Meldung vom geplatzten Wirtz-Wechsel hat nicht Uli Hoeneß bekannt gegeben.“
Matthäus über die neue Innenverteidigung
„Die Abwehr ist mit Upamecano und Tah auf der Innenverteidiger-Position reif für den Gewinn der Champions League. Das ist das oberste Regal. Ich denke, Tah ist der Chef, der die Kommandos gibt. Kim würde ich nur abgeben, wenn es eine bessere und preiswertere Alternative gibt. Denn die braucht es neben Ito und Stanisic. Wobei ich Stanisic eher als Ergänzungsspieler auf zwei, drei Positionen, zum Beispiel außen, sehe.“
Matthäus über die Baustelle Außenverteidigung
„Links sind die Bayern mit Alphonso Davies sehr gut besetzt. Selbst in schlechten Phasen ist er einer der besten Linksverteidiger der Welt. Er genießt auch in der Mannschaft hohe Anerkennung. Konny Laimer rechts ist ein guter, leidenschaftlicher Teamspieler. Er arbeitet gut gegen den Ball, ist einfach sehr vielseitig. Aber er ist keine AAA-Lösung, eher eine Notlösung, weil dort andere Spieler nicht funktioniert haben. Wenn man den Kader noch sinnvoll verstärken könnte, dann auf dieser Position.“
Matthäus über das zentrale Mittelfeld
„Kimmich könnte die Rechtsverteidiger-Position sicher besetzen, ist aber im Zentrum der Anker, der Taktgeber. Seine Persönlichkeit wird beim FC Bayern in der Zentrale gebraucht, er ist unverzichtbar. Tom Bischof habe ich in Hoffenheim häufig gesehen. Er ist ein Spielertyp wie Kimmich, er erinnert mich an den jungen Joshua. Er braucht natürlich noch mehr Erfahrung, ist noch jung. Aber in Hoffenheim war er der Spieler, der gesucht wurde. Er schlägt gute Standards, ist viel in Bewegung, kreativ, technisch stark. Er muss noch lernen, kann aber – ähnlich wie Aleks Pavlovic – die Zukunft bei Bayern München werden. Er ist ein toller Transfer.“
Matthäus über João Palhinha
„Palhinha ist ein Fremdkörper für Bayern München, er kommt nicht in Tritt, hat große Konkurrenz, welche die Bayern-DNA seit Jahren lebt. Er ist für mich eigentlich der erste Verkaufskandidat.“
Matthäus über weitere potenzielle Abgänge
„Verkaufskandidaten sind für mich: Palhinha, Kim, Boey, Zaragoza, Guerreiro, auch Coman, dessen Story in München auserzählt ist. Geht man allein nach den Werten von transfermarkt.de, haben die genannten Spieler einen Wert von 160 Millionen Euro. Dazu würde man Gehälter von über 50 Millionen pro Jahr einsparen. Davon könnte ein Teil reinvestiert werden, beispielsweise in einen jungen, talentierten Flügelspieler. Ein, zwei Neuzugänge würden aber reichen! Viel mehr sollte man auf den Campus schauen, auch Talenten mal die Chance geben. Das wäre sicher im Sinne von Uli Hoeneß. Siehe Angelo Stiller, der auch in München groß geworden ist und nun Fußball-Deutschland begeistert.“
Matthäus über Konsequenzen auf dem Transfermarkt aus der Wirtz-Absage
„Es braucht keinen spektakulären Neuzugang, nur weil der Transfer von Florian Wirtz nicht geklappt hat. Für das Spektakel hat man rechts Olise, auf der Zehn Musiala. Und links würde ich mit Sané planen. Er ist für mich ein Spieler, den ich auf keinen Fall gehen lassen würde. Wenn ein Spieler ablösefrei geht, dann – auf gut Deutsch gesagt – kotzt das die Bayern richtig an. Aber nicht nur deswegen würde ich verlängern. Sondern aufgrund von Leroys Qualität. Zudem hat er einen guten Kontakt zu Kompany, ist in der Mannschaft in einer Gang mit Olise, Davies und Musiala. Diese Stimmung in einem Team ist wichtig. Ob er dann einmal mehr oder weniger nach hinten arbeitet, ist nicht entscheidend. Ich würde mit Sané verlängern. Es braucht auf der Außenbahn keinen Top-Transfer, wenn Sané bleibt. Für Harry Kane braucht es ein Back-up, den kann aber Gnabry auch geben. Bei einer Vertragsverlängerung von Sané steht der Kader weitestgehend. Am ehesten würde ich noch einen Rechtsverteidiger holen.“
Matthäus über Neu-Nationalspieler Nick Woltemade
„Woltemades Talent hätte man in Bremen erkennen müssen, ich habe nicht verstanden, wie man ihn ablösefrei hat gehen lassen können. Er hat eine enorme Entwicklung genommen – und es ist noch Potenzial für mehr da. Woltemade kann Spiele allein entscheiden. Stand heute muss der FC Bayern sagen: Wenn Woltemade Stuttgart verlässt, dann muss er nach München gehen. Diesen Spieler darf man sich nicht entgehen lassen.“
Das Gespräch wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.
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