Zwei Menschen bewegen sich auf der Tanzfläche: Sie wiegen sich geschmeidig im Takt, ein Arm liegt auf einer Schulter des Gegenübers, dann löst sich die Verbindung, es folgt eine schnelle Drehung. Was passiert bei einer solchen Sequenz im Gehirn der Tänzer? Neurowissenschaftler des Istituto Italiano di Tecnologia in Rom haben Gehirnaktivitäten und Bewegungen von tanzenden Menschen gemessen und stellen die dabei ablaufenden Prozesse im „Journal of Neuroscience“ vor.

In dem Experiment, an dem 54 Tänzerinnen und 26 Tänzern im Durchschnittsalter von 26,15 Jahren teilnahmen, allesamt Laien, verband das Team um Félix Bigand und Giacomo Novembre ihren Probanden teilweise die Augen, um die Rolle der visuellen Wahrnehmung zu messen. Und das alles, um unter anderem herauszufinden, wie sich die natürlichen Reaktionen des Gehirns, insbesondere in dynamischen Situationen, in einer möglichst normalen Umgebung erforschen lassen.

Die Teilnehmer bekamen zuvor eine Aufgabe vermittelt: „Ihr müsst mit jemandem kommen, den ihr kennt (Freund, Familienmitglied, Kollege...), mit dem ihr tanzen werdet, während ihr (fast) wie in einer Disco Musik hört!“. Auch sollten sie später mehrere Angaben machen – jeweils von 1 bis 6 – etwa die Frage beantworten: „Wie oft tanzen Sie zu Musik?“; der Mittelwert lag bei 4,363. Oder die Aussagen „Wenn ich auf einer Party bin, bin ich wahrscheinlich einer der Ersten, der tanzt“ und „Ich mache mir keine Gedanken darüber, was andere von meinen Tanzfähigkeiten halten“ (Werte: 3,863).

Acht beliebte Songs wurden für die Versuche ausgewählt, aus den Bereichen Electronic Dance und Disco Funk, adaptiert für vier Instrumente: Schlagzeug, Bass, Keyboards und Violine – ergänzt mit Gesang. Außerdem ließen sie die Studienteilnehmer nicht nur zu Musik, sondern auch ohne tanzen. Die musikalischen Stimuli dauerten jeweils kaum länger als 39,8 Sekunden.

Konkret ging es um Paartänze, bei denen einer der Beteiligten führt und die andere Person folgt. Die Forscher maßen die Hirnaktivitäten (EEG), die Bewegungen als 3D-Ganzkörper-Kinematik, die Bewegungen der Augen sowie der Gesichts- und Nackenmuskulatur. Auf diese Weise fanden sie heraus, dass das Visuelle eine besonders wichtige Rolle spielt. Sobald die Tanzenden sich sehen konnten, orientierten sie sich sogar stärker an den beobachteten Bewegungen als etwa an der Musik.

Verflochtene Hirnaktivitäten

„Wir haben eine neue Methode angewendet, um Gehirnaktivität bei Menschen zu beobachten, während sie tanzen“, erklärt Co-Autor Novembre. Es sei gelungen, die Signale im Gehirn aufzuschlüsseln, die zwar miteinander verflochten, aber dennoch zu unterscheiden seien. „Das scheint technisch, aber es ist tatsächlich ein wichtiger Fortschritt, der die generelle Erforschung des freien Willens aus einer neurowissenschaftlichen Perspektive voranbringen wird.“

Was die Forscher, die bereits 2024 im Journal „Current Biology“ interessante Beobachtungen zur Synchronizität von Tänzern veröffentlichten, überraschte: Das Gehirn sprang besonders auf sogenanntes Bouncen an – also leichte Beugebewegungen der Knie im Takt. „Obwohl es sich um eine der kleinsten und subtilsten Bewegungen handelt, scheint Bouncen die Aufmerksamkeit effektiver zu fesseln als andere Bewegungen“, sagt Novembre. Bouncen fördere die zwischenmenschliche Synchronität daher besonders stark.

Der Forscher betont, man habe bei den untersuchten Paartänzen ein neuronales Signal entdeckt, das widerspiegele, wie gut die Bewegung einer tanzenden Person mit jenen ihres Partners oder ihrer Partnerin synchronisiert sei. Dieser – bisher unbekannte – neuronale Marker für soziale Koordination kodiert die räumlich-zeitliche Abstimmung zwischen Tänzern und übertrifft damit die Kodierung der eigenen oder partnerbezogenen Kinematik.

„Entscheidend ist, dass dieses Signal nicht durch die Bewegungen eines der beiden Tänzer allein erklärt werden kann, sondern vielmehr aus ihrer Interaktion – insbesondere aus ihrer Synchronität – hervorgeht“, erklärt Novembre. „Dies deutet darauf hin, dass es echte zwischenmenschliche neuronale Prozesse während des gemeinsamen Tanzes gibt, die mehr sind als die Summe der individuellen Beiträge.“

Die italienischen Forscher sind nicht die ersten, die sich damit auseinandergesetzt haben, was beim Tanzen im Körper passiert und welche Auswirkungen es hat. So fand etwa ein Team in einer 2015 in den „Biology Letters“ der britischen Royal Society veröffentlichten Studie heraus, dass synchrone Bewegungen, wie sie etwa beim Tanzen in Gruppen ausgeführt werden, bei Tänzern die Schwelle für Schmerzen erhöhen und soziale Bindungen verstärken. Das soll demnach daran liegen, dass dabei Endorphine ausgeschüttet werden.

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